Betrieb und Wirtschaft | 24. April 2014

„Tulpe” hilft beim Kritisieren

Von Rolf Leicher
„Tulpe” hilft beim KritisierenKritikgespräche sind eine delikate Angelegenheit. Sich dabei an einem System zu orientieren, ist hilfreich. Wie man Kritikgespräche erfolgreich führt, erläutert Kommunikations-Trainer Rolf Leicher am Beispiel des Systems TULPE.
Familienmitglieder richtig zu kritisieren, ist eine besonders anspruchsvolle Aufgabe.
In der Landwirtschaft sind Aushilfskräfte, Saisonarbeiter, aber auch Familienangehörige beschäftigt. „Wo gehobelt wird, fallen Späne”, heißt es so treffend. Je nach Tagesform der Mitarbeiter oder Schwierigkeitsgrad der Arbeit kann es zu Fehlern kommen. Dem Betreffenden ist es meist peinlich, etwas falsch gemacht zu haben und damit dem landwirtschaftlichen Betrieb Schaden zu verursachen. Manche Fehler kosten viel Geld.  Für den Landwirt als Leiter seines  Betriebs ist es nicht leicht, ein konstruktives Kritikgespräch zu führen, vor allem, wenn es um ein Familienmitglied geht, das kritisiert werden muss.  Grundsätzlich macht niemand bewusst etwas falsch, sondern fahrlässig, oder bemerkt den Fehler selbst nicht. 
Jeder, dem ein Fehler unterlaufen ist, wünscht sich, dass er dafür nicht einen Kopf kürzer gemacht wird. Mitarbeiter hoffen, dass es nicht zu Vorwürfen bei der Kritik kommt, dass keine Sanktionen angedroht werden.  
Die Angst, einen Fehler zu machen
Aus Furcht vor Fehlern lehnen Mitarbeiter bei der Einteilung der Arbeit schwierige Tätigkeiten schon im Vorfeld ab, so dass es gar nicht zu Fehlern kommt. Allerdings ist es auch ein Fehler, Angst zu haben, einen Fehler zu machen. In welchem Umfang ein Arbeitnehmer für einen Schaden aufkommen muss, richtet sich grundsätzlich nach dem Grad des Verschuldens. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn es sich bei Berücksichtigung aller Umstände um eine geringfügige und leicht entschuldbare Pflichtverletzung handelt. Dann haftet der Mitarbeiter nicht.
Mittlere Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Mitarbeiter die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet. In diesem Fall teilen sich der Arbeitgeber und der Mitarbeiter den Schaden. In vielen Fällen springt die Versicherung ein. Die Mithaftung des Mitarbeiters erfolgt vor allem bei Wiederholung des gleichen Schadens.
Grobe Fahrlässigkeit entsteht, wenn jemand alle Vorsichtsmaßnahmen ignoriert und einen Schaden verursacht.  Der Arbeitnehmer haftet hierbei voll, Erleichterungen sind möglich, wenn Arbeitsentgelt, Lebensalter und Familienverhältnisse dies erfordern, sonst wäre die Existenz der betreffenden Person gefährdet.
Von „Handeln mit Vorsatz” spricht man, wenn durch absichtliches Handeln ein Schaden entsteht. Beispiel: Der Mitarbeiter fährt   bei Rot über die Kreuzung und verursacht einen Unfall. Dafür trägt er die volle Verantwortung, auch wenn er durch enge Termine der Meinung war, dass er an der Ampel so entscheiden musste.
Grundsätzlich muss der Arbeitgeber nach aktueller Rechtsprechung die Schuld und Pflichtverletzung beweisen. Ein Mitverschulden des Arbeitgebers liegt vor, wenn der seinen Mitarbeiter nicht gründlich unterwiesen hat oder ihn überfordert. Bestimmte Tätigkeiten können demnach auch nicht von einem  Azubi ausgeführt werden.
Kritik ist  konstruktiv, wenn sie akzeptiert wird und der Fehler sich nicht wiederholt. Die Äußerung „Das darf nicht mehr passieren – sehen Sie mal zu, wie Sie klarkommen” genügt nicht. Die Frage muss lauten: „Wie kann man es besser machen?”  
Kritik ohne Vorwürfe
Was ist zu tun, damit der Fehler nicht wieder vorkommt?” Nach einem gelungenen Kritikgespräch wird sich der Mitarbeiter besonders anstrengen. Das setzt voraus,  dass sich der Landwirt im Gespräch nicht aufregt und persönlich wird. Die Meinung „Meine Leute vertragen einen rauen Ton” darf nicht verallgemeinert werden. Das Navigationsgerät im Auto ist ein gutes Beispiel für vorwurfsfreie Kritik. Bei einem Fahrfehler kommt die Ansage „Drehen Sie wenn möglich um” und die richtige Route erscheint im Display. Kein Vorwurf. Keine Bewertung. Keine Drohung.
Mit dem System „TULPE” üben Sie Kritik mit dem Ziel der Leistungsverbesserung. Besonders wichtig ist die Reihenfolge der Stufen, wobei die folgende Stufe erst beginnt, wenn die augenblickliche erfolgreich gelaufen ist.  
  • T  : Tatsache darstellen. Zeitnah und präzise. Vorwurfsfrei und ohne Übertreibung.            
  • U: Ursache erfragen. Warum ist der Fehler gemacht worden? Seit wann kommt er vor?
  • L: Lösungen besprechen. Wie vermeidet man den Fehler? Was muss getan werden?
  • P: Positive Auswirkungen nennen. Welche Vorteile bzw. Auswirkungen hat das für den Betrieb?
  • E: Ergebniskontrolle festlegen. Wie ist festzustellen, ob Besserung erfolgt?
Kritikgespräche müssen gut vorbereitet werden, damit es nicht zu einer unberechtigten Kritik kommt. Ein Fehlverhalten muss sachlich und unter vier Augen geführt werden. In einer unklaren Situation muss erst einmal festgestellt werden, was genau passiert ist. Und: Hat das Fehlverhalten überhaupt eine Auswirkung auf das Arbeitsergebnis?
Misslungenes Gespräch
Fehler von Mitarbeitern müssen auf sachliche Art und Weise angesprochen werden.
Man muss sich auf jeden Fall den Standpunkt des Mitarbeiters anhören, auch wenn er offensichtlich mit Ausreden kommt.  Durch gezielte Fragen erfährt man den Hintergrund des Fehlers und kann Lösungen für die Zukunft schaffen. Der Mitarbeiter soll  die Konsequenzen, also die Tragweite seines Fehlers erkennen. Wenn er überfordert ist, sollte ihm eine andere Arbeit zugeteilt werden. Reagieren Sie aber auch bei wiederholten Fehlern mit entsprechender Konsequenz. Aus mangelnder Konfliktbereitschaft dürfen Fehler nicht einfach ignoriert oder verniedlicht werden. Der Mitarbeiter hat dann auch keine Chance, fehlerhaftes Verhalten zu  vermeiden.
Bessert sich das Arbeitsergebnis, strengt sich der Betreffende an, so ist ein Lob fällig. Denn die Anerkennung einer guten Leistung spornt meist an.
Das Kritikgespräch ist nicht gelungen wenn ...
  • sich der gleiche Fehler beim Betreffenden wiederholt, also keine Besserung eintritt;
  • sich die Leistung nur kurzfristig verbessert und dann wieder nachlässt;
  • der Mitarbeiter guten Willens ist, aber wegen Unvermögen die erwartete Leistung nicht erbringt;
  • der Mitarbeiter sich frustriert zurückzieht und sich in der Folge das Betriebsklima verschlechtert;
  • es zu einer Diskussion über den Tatbestand kommt;
  •  der Vorgesetzte selbst nachtragend oder auch misstrauisch ist;
  • die Diskretion verletzt wird und andere, vor allem Unbeteiligte, von diesem Gespräch erfahren;
  •  mit der Kritik zu lange gewartet wird, Tatbestände also schon länger zurückliegen;
  • ein Sachverhalt kritisiert wird, für den der Mitarbeiter nicht verantwortlich ist;
  • der Vorgesetzte persönlich wird, weil er selbst erregt ist über den Vorfall.