Pflanzenbau | 23. Juli 2015

Trockenheit und Hitze drücken den Kartoffeln ihren Stempel auf

Von Hans-Jürgen Meßmer, LTZ Augustenberg, Außenstelle Donaueschingen
Hitze und Trockenheit haben das Ertragspotenzial der meisten Kartoffeln deutlich reduziert. Örtlich haben Hagel und/oder Gewitterregen die Bestände geprägt. Die Erzeuger sollten das Knollenwachstum auf ihren Schlägen kontrollieren und bei Bedarf mit gezielter Krautabtötung steuernd eingreifen.
Kettenwuchs an Kartoffeln gefährdet die Vermarktung der Ware.
Die Kartoffeln können unterschiedlich auf die extremen Umweltbedingungen  reagieren, die in den vergangenen Wochen und aktuell vorherrschen. Möglich sind unter anderem:
  • je nach Sorte eine erneute Laubbildung – gefährdet ist vor allem Granola,
  • ein vermehrtes Auftreten von Hohlherzigkeit und Wachstumsrissen,
  • ein neuerlicher Wachstumsschub, zum Beispiel neuer Knollenansatz, Zwie- und Kettenwuchs,
  • verschlechterte Lagereignung bei anhaltend hohen Bodentemperaturen.
Aus diesen Gründen ist eine regelmäßige Kontrolle des Knollenwachstums angesagt.
Zwiewuchs
Zwiewuchs der Sorte Selma, die linke Knollenhälfte ist durch verringerten Stärkegehalt bereits glasig.
Die Gefahr von Zwiewuchs an der Knolle steigt, wenn auf sehr warme Perioden mit Tagestemperaturen über 28 °C, in denen das Knollenwachstum zum Stillstand kommt, sehr feuchtes, wüchsiges Wetter folgt. Dies kann auch durch falsche Beregnungsmaßnahmen während einer Trockenperiode ausgelöst werden. Je nach Entwicklungsstand kann dann Zwie- oder Kettenwuchs zu ernsten Qualitätsproblemen führen. Denn bei erneut einsetzendem Wachstum der Knollen bilden sich am Kronenende Auswüchse in Form kleiner Knöllchen oder das Kronenende beginnt wieder zu wachsen.
Sowohl bei Zwie- als auch bei Kettenwuchs haben die Knollen weniger Stärke, uneinheitliche Kocheigenschaften und teilweise einen unangenehmen Nachgeschmack. Die Neigung der Sorten zur Ausbildung dieser Auswüchse ist unterschiedlich stark ausgeprägt, so dass durch entsprechende Sortenwahl eine gewisse Abhilfe geschaffen werden kann. Sorten wie zum Beispiel Agila, Princess, Agria, Ditta, Filea, Granola, Lilly, Nicola, Quarta und Selma neigen stark zum Zweitwachstum.
In gefährdeten Beständen ist es ratsam, nicht nur einmal, sondern mindestens zweimal wöchentlich die Pflanzen zu kontrollieren, um bei Bedarf frühzeitig mit der Krautabtötung gegensteuern zu können. Bei bereits fortgeschrittenem Zwiewuchs bleibt eine Krautabtötungsmaßnahme jedoch erfolglos. Erfolgversprechend ist diese Maßnahme nur zu Beginn der Symptomausprägung.
Was ist zu tun?
Je weiter ein Bestand abgereift ist, umso unproblematischer ist die Abreifesteuerung. Bei ersten Anzeichen von Zweitwachstum oder Zwiewuchs sollten die Landwirte
  • in sehr frühen Pflanz- und Speisekartoffeln mit zufriedenstellender Sortierung das Kraut abtöten, 
  • in Pflanzkartoffeln mit viel zu kleinen Knollen die Vitalität der Pflanzen durch eine gezielte Fungizidstrategie erhalten. Es sollten vorrangig Fungizide eingesetzt werden, die eine gute Wirkung gegen Alternaria aufweisen,
  • in Speisekartoffeln  mit viel zu kleinen Knollen versuchsweise Wachstumsregulatoren mit dem Wirkstoff  Maleinsäurehydrazid wie Itcan, Fazor oder Himalaya einsetzen. Der gesetzliche Höchstwert für Rückstände in den Produkten wird bei der zugelassenen Anwendungsmenge eingehalten, die Substanz ist aber in der Knolle nachweisbar.
Es ist daher unerlässlich, zuvor mit der abnehmenden Hand abzuklären, ob ein Einsatz von solchen Mitteln möglich und erwünscht ist oder nicht.
Erfahrungen mit Itcan, Fazor und Himalaya
Der Wirkstoff Maleinsäurehydrazid wird über das Laub aufgenommen und in den Leitungsbahnen bis in die Vegtationspunkte der Wurzeln transportiert. Er unterbindet dort die Zellteilung in den Bildungsgeweben. Außerdem wird als Nebeneffekt der Durchwuchs von Kartoffeln in den Folgejahren verhindert. Bei witterungsbedingten Stresssituationen kann Maleinsäurehydrazid bei optimalen Bedingungen den Zwie- und Durchwuchs sowie die Kindelbildung unterbinden. Versuche dazu wurden in den Vorjahren länderübergreifend an verschiedenen Standorten angelegt. Durch den Einsatz der oben genannten Wachstumsregulatoren konnte tendenziell die verkaufsfähige Marktware gegenüber der unbehandelten Kontrolle erhöht werden. 
Anwendungszeitpunkte für Itcan, Fazor oder Himalaya
  • Knollengröße: 80 % der Knollen sollten bei kleinfallenden Sorten eine Mindestgröße von 25 bis 30 mm und bei großfallenden Sorten von  35 bis 40 mm haben. Bei einer zu frühen Behandlung sind Ertragsminderungen von über 20 % möglich.
  •     Keimlänge: 80 % des Bestandes sollten eine Keimlänge von „gerade gespitzt” bis 5 mm erreicht haben. Eine befriedigende Wirkung kann bei optimalen Anwendungsbedingungen noch bis 10 mm Keimlänge erreicht werden.
  •     Bestandesentwicklung: Die Anwendung sollte erfolgen ab Ende der Blüte bis sich erste Blätter gelblich verfärben. Das entspricht rund 14 Tagen vor der Krautabtötung, damit genügend Wirkstoff in die Knollen eingelagert werden kann. 
  • Temperatur: Kein Einsatz bei Temperaturen über 25 °C.    Bei Hitze und Trockenheit sind die Behandlungen frühmorgens durchzuführen.
  •     Stress: Keine Anwendung in durch Krankheiten und Trockenstress geschwächten Beständen.
  •     Regen: Es sollten  mindestens zwölf, besser 24 Stunden nach der Anwendung keine Niederschläge fallen.
  •     Tankmischungen: Die Mittel sollten möglichst nicht zusammen mit anderen Produkten ausgebracht werden. Werden Krautfäulefungizide mit appliziert, sollte kein Ranman oder Zampro zugegeben werden, da die Additive in beiden Pflanzenschutzmitteln zum Schäumen führen. Ebenso ist die gemeinjasame Ausbringung mit Blattdüngern und Additiven zu vermeiden. hm
 
Hitze und Trockenheit
Bei der Krautregulierung spielen verschiedene Parameter wie beispielsweise Bodenfeuchte, Sortenempfindlichkeit und Witterung während und nach der Maßnahme eine große Rolle. Die zweiphasige Krautregulierung reduziert die Gefahr der Verbräunung der Gefäßbündel und Nabelendnekrosen. Sikkationsmittel sollten vor allem nicht bei Trockenstress der Pflanzen oder bei starker Hitze appliziert werden. Je trockener der Boden und je höher die Temperaturen, umso höher ist das Risiko. Die Krautminderung sollte daher möglichst in den frühen Morgenstunden erfolgen, damit die Pflanzen ihren Wasserhaushalt regenerieren können. Die zweiphasige oder mehrphasige Krautregulierung durch Splitting sowie durch die Kombination verschiedener Wirkstoffe bietet hier eine Alternative.
Die mechanische Krautregulierung sollte ebenfalls mehrstufig oder kombiniert mit einer Hitzebehandlung durchgeführt werden.
Risiko des Wiederaustriebs
Die Gefahr des Wiederaustriebes ist bei einer frühen Krautregulierung und vor allem bei alleinigem Krautschlagen und nachfolgendem Regen deutlich erhöht.
Wiederaustrieb führt zu einer ungleichmäßigen Abreife der Knollen, zu einer höheren Beschädigungsrate bei der Ernte und erhöht die Lagerungsverluste. Wieder austreibende Pflanzen sind aber vor allem dadurch gefährdet, dass sie bevorzugt von Blattläusen beflogen werden.
Dadurch sind Virusspätinfektionen keine Seltenheit, denn das junge Gewebe der neuen Triebe leitet Viren besonders gut ab. Unter Umständen kann ein Wiederaustrieb auch zu Spätinfektionen mit Krautfäule führen. Die Folge sind erhebliche Qualitätsverluste durch Braunfäule im Lager. Krautregulierte Bestände sind regelmäßig zu kontrollieren, neu gebildete Triebe müssen sofort mit einem Sikkationsmittel abgebrannt werden.