Land und Leute | 22. Juni 2017

Tragbare Lösung gesucht

Von Heinrich von Kobylinski
Der BLHV-Kreisverband Rastatt organisierte eine Agrartour. Bei der Fahrt ging es um die Flächennutzung und um das Verhältnis zwischen Landwirtschaft, Verwaltung und den Forderungen des Naturschutzes.
Beim Stall von Dominik Merz (Dritter von links mit Plan in der Hand) wurde seine steile Grünlandfläche besichtigt. Die soll er wegen FFH-Vorgaben künftig nur noch mähen statt weiden.
Im in der Rheinebene gelegenen Ottersweierer Ortsteil Unzhurst  sprach  Bürgermeister Jürgen Pfetzer von einer wahrhaften „Gier nach Boden”,   sowohl im Bausektor als auch bei den Landwirten. Nach Angaben von Landwirtschaftsamts-Leiterin Andrea Stief  gehen in dem kleinen Landkreis pro Jahr über 100 Hektar für Baumaßnahmen und deren Ausgleich verloren.
In  vielen Schwarzwaldlagen  sehen die Flächenbedürfnisse ganz anders aus: Toni Huber, Bürgermeister aus Weisenbach im Murgtal, berichtete von massiven Problemen bei der Offenhaltung der Tallagen.    In dem Realteilungsgebiet mit gutem Arbeitsplatzangebot gibt es nur noch wenige landwirtschaftliche Betriebe. Huber berichtete von einem Abschnitt mit fünf Hektar und 80 Eigentümern. Viele davon kennen ihre  Flächen nicht, haben ihr Erbe auch nicht angetreten.
In der Vorbergzone bei Bühl-Neusatz  wurde der sieben Hektar große Betrieb von Dominik Merz besichtigt, der zusammen  mit seinem Vater Bernhard  auf den Steilflächen  seit 1975 eine Weidewirtschaft im Nebenerwerb betreibt.
2004  wurde für die Überwinterung der neun Zebu-Rinder und 20 Mutterschafe ein neuer Stall gebaut. Das kostete viel Eigenleistung und 100000 Euro, „eine Investition, die unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen ist”, urteilt der 35-jährige Betriebsleiter – der aber jetzt die Weiterbewirtschaftung des Hofes aus ganz  anderen Gründen in Frage stellt: Einerseits findet die Errichtung eines Hauses für Feriengäste keine Baugenehmigung. Andererseits führt der FFH-Status der Weiden zu  Problemen: Vater Bernhard Merz erfuhr von einem Kartierer, den er zufällig auf seinen Flächen traf, dass die Pflanzenzusammensetzung der Weiden nicht (mehr) dem Status einer Berg-Mähwiese entspricht. Als solche waren sie 2003 erstmals kartiert worden.
Jetzt kann die festgestellte Abweichung im Pflanzenbestand als eine naturschutzrechtliche Verschlechterung gedeutet werden. Damit aber droht ein öffentlich-rechtlicher Vertrag mit der Naturschutzbehörde, der den Weidehalter zur Wiederherstellung des ursprünglich festgestellten FFH-Status innerhalb von sechs Jahren verpflichtet. Merz müsste voraussichtlich die bisherige Weidehaltung auf den steilen und mit Obstbäumen durchsetzten Flächen aufgeben. Der  Naturschutz argumentiert damit, dass Weidetiere mit ihrem Kot die Flächen düngen und somit den  Magerrasencharakter verändern.
 Mit dem Vertrag wären voraussichtlich nur noch das Mähen und die Entfernung des Schnittgutes erlaubt.  Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist noch offen, ob es für Dominik Merz wirklich dazu  kommen muss. An der extensiven Nutzungsweise hat sich seit 40 Jahren nichts geändert. Auch nach der Erstkartierung nicht. Für den Betriebsleiter wäre das Mähen des steilen Hanges eine derartige Erschwernis, dass er die Bewirtschaftung nicht mehr fortsetzen würde.
BLHV-Kreisvorsitzender Thomas Huschle  sprach sich deshalb für einen engen Dialog mit der Kreisverwaltung aus,  um eine tragbare Lösung zu erreichen.  Landrat Jürgen Bäuerle räumte ein, dass die Nutzung des Mittelgebirgsstandorts schon bisher wenig lukrativ war.   „Deshalb sind wir froh über jeden Bewirtschafter, den es hier gibt”, sagte er. Die maschinelle Pflege der Flächen durch die öffentliche Hand sei finanziell nicht tragbar. Das Landratsamt kenne die  Situation der  Bürger, es  müsse allerdings  auch die Verwaltungsrichtlinien umsetzen.