Politik | 22. Juni 2023

Tierhaltungskennzeichnung und Baurechtsänderung beschlossen

Von AgE
Die Ampelkoalition hat erste Pflöcke für den angestrebten Umbau der Tierhaltung eingeschlagen. Mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP beschloss der Bundestag am 16. Juni das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz sowie eine Änderung des Baurechts, um Tierwohlumbauten zu erleichtern.
Die Regelungen gelten zunächst nur für Mastschweine. Sie sollen aber auf Ferkel und Sauen sowie auf weitere Tierarten und Verkaufswege ausgeweitet werden.
In einer Entschließung kündigt die Koalition weitere Schritte für diese Legislaturperiode an. Insbesondere soll die verbindliche Tierhaltungskennzeichnung auf Ferkel und Sauen sowie auf weitere Tierarten und Verkaufswege ausgeweitet werden.
Während Abgeordnete der Ampelfraktionen die Beschlüsse als Meilensteine lobten, kam aus der Opposition harsche Kritik. Zufrieden äußerte sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. „Mit der verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung und den Erleichterungen für den Stallumbau gehen wir heute gleich zwei ganz zentrale Bausteine an, die für eine zukunftsfeste Tierhaltung notwendig sind”, erklärte der Grünen-Politiker im Anschluss an die Beschlussfassung im Parlament.
DBV: Fortschritt mit Nachbesserungsbedarf
Der Deutsche Bauernverband (DBV) wertet die Gesetze als Fortschritt, verlangt aber Nachbesserungen. Für den Deutschen Raiffeisenverband (DRV) sind die beschlossenen Regelungen „unvollständiges Stückwerk”. Enttäuscht zeigten sich Tierschutzverbände.
Redner der Koalition wiesen in der teilweise hitzig geführten Bundestagsdebatte darauf hin, dass die Vorgängerregierung an beiden Vorhaben trotz mehrjähriger Anläufe gescheitert sei. Für SPD-Berichterstatterin Susanne Mittag ist die Verabschiedung der Tierhaltungskennzeichnung „ein wichtiger Schritt, dem weitere Schritte folgen müssen”.
Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion,  Gero Hocker, bezeichnete das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz  als „riesigen Gewinn” für Landwirte und Verbraucher. Damit habe die Koalition ein zentrales Versprechen erfüllt. Die FDP habe sowohl bei der Kennzeichnung als auch bei den baurechtlichen Änderungen wesentliche Verbesserungen für die Landwirte erreicht, sagte Hocker, der in der Debatte nicht selbst das Wort ergriffen hatte.
Anfang des Umbaus
Das gilt auch für Minister Özdemir. Aus seiner Sicht ist mit den Gesetzesbeschlüssen der Umbau der Tierhaltung nach Jahren der Krise und vielen Anläufen bei Kennzeichnungen eingeleitet. Özdemir sprach von einem „großen und gemeinsamen Erfolg der Koalition für unsere Landwirtschaft”. Sein Ziel sei, dass auch in Zukunft gutes Fleisch aus Deutschland komme. Er bekräftigte seinen Willen, die Kennzeichnung nach und nach auszuweiten. Mit den Änderungen im Baurecht schaffe man Erleichterungen für einen tiergerechten Umbau von Ställen.
Auch nach den Worten von Renate Künast markieren die Gesetze „den Anfang des Umbaus der Tierhaltung”. Die Kennzeichnung schaffe Transparenz für Verbraucher und Verlässlichkeit für Bauern. Mit den noch anstehenden Vorhaben bis hin zu einer Ernährungsstrategie werde man ein zukunftsweisendes Paket schnüren, an dem sich alle Beteiligten orientieren könnten.
Schulnote sechs
Als vertane Chance kritisierte dagegen CDU/CSU-Agrarsprecher Albert Stegemann die Beschlüsse der Ampel. „Eine Tierhaltungskennzeichnung, die nur für frisches Schweinefleisch gilt und damit nur ein Drittel des Schweines vermarktet, ist ein Rückschritt”, so Stegemann. Aufgrund ihrer gravierenden Unzulänglichkeiten und Lücken verdiene die Kennzeichnung der Ampel die Schulnote sechs. Zur Finanzierung von mehr Tierwohl sei im Gesetz gar nichts geregelt. „Ohne langfristige Verträge zwischen Staat und allen Landwirten über 20 Jahre wird aber kein Landwirt einen Stall umbauen können”, warnte der CDU-Politiker. CSU-Kollege Artur Auernhammer kritisierte die beschlossene Kennzeichnung als Etikettenschwindel und Verbrauchertäuschung.   Für die AfD warf deren Agrarsprecher Stephan Protschka der Koalition vor, sie betreibe eine bauernfeindliche Politik. Insbesondere den Grünen gehe es darum, die Tierhaltung nicht um-, sondern abzubauen. Die Obfrau der Linken im Ernährungsausschuss, Ina Latendorf, bezeichnete das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz als Armutszeugnis.
Als ersten wichtigen Schritt zur Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Tierhaltung wertet DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken die beschlossenen baurechtlichen Neuregelungen. Dies könne aber nur ein erster Schritt sein, dem weitere folgen müssten. Krüsken erinnerte daran, dass die Bauern seit nunmehr zehn Jahren auf Erleichterungen beim Tierwohl-stallumbau warteten. Dem trage die jetzige Gesetzesänderung zumindest teilweise Rechnung.
Fünf Haltungsformen
Die Haltungskennzeichnung umfasst fünf Haltungsformen. Die Regelungen gelten zunächst nur für Mastschweine. Diese müssen in der Haltungsform „Stall” nach den gesetzlichen Mindestanforderungen gehalten werden. In „Stall plus Platz” stehen den Tieren 12,5 Prozent mehr Platz zur Verfügung als vorgeschrieben. Im „Frischluftstall” muss den Schweinen ein dauerhafter Kontakt zum Außenklima ermöglicht werden. In der Haltungsform „Auslauf/Weide” muss den Schweinen ganztägig ein Auslauf zur Verfügung stehen. „Bio” erfordert die Einhaltung der Vorgaben in der EU-Ökoverordnung.
Mit der Baurechtsnovelle soll der Stallum- und -neubau zur Verbesserung des Tierwohls erleichtert werden. Das Gesetz sieht eine baurechtliche Privilegierung für Unternehmen vor, die ihre Stallanlagen umbauen wollen, um ihre vorhandene Tierhaltung auf die Haltungsformen „Frischluftstall”, „Auslauf/Weide” oder „Bio” umzustellen. Einbezogen sind aber lediglich Ställe, die mit der Baurechtsänderung von 2013 ihre baurechtliche Privilegierung verloren haben und die sie nun wieder zurückerhalten.
Bei Um- oder Neubauten müssen Tierbestände nicht verringert werden. Möglich wird zudem, dass ein Ersatzneubau an anderer Stelle erfolgen kann als das Altgebäude. Allerdings muss das Altgebäude zurückgebaut werden. Beide Gesetze werden aller Voraussicht nach am 7. Juli den Bundesrat passieren.