Die pharmazeutische Industrie und der Großhandel haben 2015 insgesamt deutlich weniger Antibiotika an Tierärzte in Deutschland abgegeben. Allerdings sind die Abgabemengen von Wirkstoffen, die auch eine besondere Bedeutung für die Therapie beim Menschen haben, gestiegen.
Medikamente für Tiere im Medikamentenschrank des Tierarztes
Wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Anfang August mitteilte, ging 2015 die Gesamtmenge der an Veterinäre ausgereichten Antibiotika im Vergleich zum Vorjahr um 401 t oder 32 % auf 837 t zurück. Im Vergleich zu 2011, dem ersten Erfassungsjahr, ergibt sich sogar ein Minus von 869 t oder 51 %.
Die höchsten Abgabemengen entfielen 2015 laut BVL – wie in den Vorjahren – auf Penicilline mit rund 303 t und auf Tetrazykline mit 221 t, gefolgt von Polypeptidantibiotika (Colistin) mit 82 t, Sulfonamiden mit 73 t und Makroliden mit 53 t.
Das Bundesamt registrierte bei den Wirkstoffen mit besonderer Bedeutung für die Therapie beim Menschen erhebliche Zuwächse. So wurden 2015 rund 14,9 t Fluorchinolone an Tierärzte abgegeben, was im Vorjahresvergleich ein Plus von 2,6 t oder 21 % bedeutete und bezogen auf 2011 sogar einem Zuwachs um 6,7 t oder 82 % entsprach. Gleichzeitig erhöhte sich die Abgabemenge von Cephalosporinen der dritten Generation um 0,9 t oder 39 % beziehungsweise um 1,1 t oder 52 % auf 3,2 t.
Tierärzte sehen Erfolg
Indes zeigte sich der Bundesverband
praktizierender Tierärzte (bpt) erfreut über die weiter gesunkenen
Antibiotikaabgabemengen. „Das zeigt den Fortschritt in den Bemühungen
der Tierärzte, den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung vor dem
Hintergrund der Problematik antimikrobieller Resistenzen deutlich zu
senken”, erklärte bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder. Er wertete die
rückläufigen Zahlen als einen Beweis für den Erfolg der 16. Novelle des
Arzneimittelgesetzes (AMG).
Außerdem sei die Abgabe von für die Humanmedizin wichtigen
Reserveantibiotika mit rund 2,3 % der Gesamtmenge erneut sehr gering
gewesen, betonte Moder. Den Anstieg bei den Fluorchinolonen und
Cephalosporinen der dritten Generation bezeichnete der bpt als „leicht”.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) kritisierte, dass es zum Vergleich und
zur Abschätzung der Resistenzgefährdung keine verlässlichen
Antibiotikadaten im humanmedizinischen Bereich gebe. Eine vollständige
Transparenz sei aber notwendig, um die nationale Strategie zur
Eindämmung von Antibiotikaresistenzen zum Erfolg zu führen. Kritisch zu
bewerten sei auch, dass das Arzneimittelgesetz nur für Nutztierhalter
hohe Auflagen vorsehe, nicht aber für Halter von Haustieren und für
Humanmediziner. Die Strategie gegen resistente Keime verliere an
Glaubwürdigkeit, wenn die Antibiotikareduktion nicht in allen Bereichen
der Medizin gefordert und gefördert werde, betonte der DBV.
Nach Ansicht des Agrarsprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Wilhelm
Priesmeier, ist nichts gewonnen, wenn in der Summe die Menge der
verabreichten Antibiotika zwar sinkt, aber gleichzeitig
Reserveantibiotika häufiger verordnet werden. So seien weitere
Anstrengungen für ein besseres Hygiene- und Gesundheitsmanagement in den
Ställen, eine effektivere Arzneimittelüberwachung und ein klarerer
Rechtsrahmen dringend notwendig.
Umwelt- und Tierschutzverbände sowie die Partei Die Grünen nahmen das
BVL-Statement zum Anlass, gegen den Einsatz von Antibiotika in der
Tierhaltung Stellung zu nehmen.