Der Ärger über das Agrarpaket der Bundesregierung trieb Landwirte aus der ganzen Republik nach Berlin. Die Veranstalter von „Land schafft Verbindung” sprechen von 40000 Teilnehmern. Die Polizei zählte 8600 Traktoren in der Hauptstadt.
Weite Wege für die Bauernanliegen: Tausende Traktoren und Buaern waren am Dienstag im Zentrum Berlins zur Protestkundgebung versammelt.
Die Fronten zwischen Bauern und Bundesumweltministerin Svenja Schulze bleiben verhärtet. Schulze beteuerte am Dienstag auf der Großdemonstration von Landwirten aus ganz Deutschland in Berlin, dass auch im Umweltressort große Wertschätzung für die Arbeit der Bauern bestehe. Jeder wisse, wer die Lebensmittel herstelle. Gleichzeitig gebe es aber auch „Riesenprobleme” beim Grundwasser und dem Insektenschutz, was auch die Landwirtschaft selbst bedrohe, betonte die Ministerin.
Nachholbedarf sieht sie zudem beim Klimaschutz und der Verbesserung des Tierwohls in der Landwirtschaft. Schulze bezeichnete die Bauern als „Teil der Lösung”. Sie und ihr Ressort seien im Dialog mit dem Berufsstand und setzten dabei auf eine intensive Beteiligung der Praktiker. Sie gehe davon aus, dass auch die Landwirte ein Interesse daran hätten, im Einklang mit der Natur zu arbeiten, so die SPD-Politikerin.
Auch aus Südbaden waren Bäuerinnen und Bauern nach Berlin gereist – mit Schleppern, mit Bussen und per Bahn.
Landwirte hätten auch in Zukunft die Aufgabe, Lebensmittel zu produzieren. Sie müssten aber gleichzeitig dafür sorgen, dass „das Wasser sauber und der Insektenbestand erhalten bleibt”. „Dafür brauchen wir klare Regeln”, stellte Schulze vor den Demonstranten klar. In ihrer Reaktion auf einen Landwirt, der unter großem Beifall Respekt für den Berufsstand, Freiraum zum Wirtschaften und Schutz für Bauernkinder gegen Mobbing einforderte, entgegnete die Umweltministerin, sie empfinde es als Respekt, wenn jeder Bundesbürger jedes Jahr im Schnitt 114 Euro für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bezahle.
Buhrufe für Schulze
Dies rief in der Menge allerdings lautstarken Protest
hervor. Nach Buhrufen und unter lauten Pfiffen verließ die Ministerin
die Bühne, ohne dass es zu einem echten Dialog kam.
„
Tausende Bauern waren am Dienstag im Zentrum Berlins zur Protestkundgebung versammelt.
Wir haben zu Tisch gebeten, und das hat in diesem Fall nicht geklappt”,
kommentierte Henrik Wendorff, Präsident des Landesbauernverbandes
Brandenburg, den Redebeitrag Schulzes. „Ich glaube, wir sehen uns hier
noch mal wieder”, sagte er unter Beifall.
Sichtlich ernsthafter nahm Bundeslandwirtschaftsministerin Julia
Klöckner den Dialogversuch auf. Sie lud zum bereits angekündigten
Landwirtschaftsgipfel mit der Bundeskanzlerin am 2. Dezember ein,
kündigte ein nationales Dialogforum an, um an verschiedenen Orten in
Deutschland mit Bürgern und Umweltverbänden ins Gespräch zu kommen.
Kampagne für mehr Wertschätzung angeregt
Es soll erstmals während der
Grünen Woche im Januar in Berlin stattfinden. Die CDU-Politikerin regte
außerdem an, eine öffentlichkeitswirksame Kampagne für mehr
Wertschätzung aufzulegen – von einer professionellen Agentur, die in
Manier der früheren CMA arbeiten könnte.
Eine intensive Diskussion entspann sich zwischen ihr und den Landwirten
Dirk Andresen und Sebastian Dickow von der Initiative „Land schafft
Verbindung” auf der Bühne. Dabei ging es vor allem um die
Düngeverordnung und das geplante Aktionsprogramm Insektenschutz.
Klöckner versicherte mehrfach, die Bundesregierung stehe auf der Seite
der Bauern. Sie zeigte Verständnis für den Frust über die
Düngeverordnung, wies aber auch darauf hin, dass schon vor Jahren hätte
gehandelt werden müssen. Dass die schon damals nötigen Veränderungen
nicht entschieden genug angepackt worden seien, lastete sie auch den
berufsständischen Interessenvertretungen an. Auf den immer wieder
geäußerten Vorwurf, Bund und EU würden beim Nitrat mit falschen Zahlen
hantieren, reagierte sie ausweichend: „Ich hätte mir auch gewünscht,
dass die Verschärfung der Düngeverordnung von 2017 hätte erst einmal
wirken können.”
Unterm Strich aber verteidigte Klöckner sowohl die Düngeverordnung als
auch das Agrarpaket. Änderungen an den Beschlüssen kündigte sie nicht
einmal andeutungsweise an. Was es gab, waren zwei Zusagen: Erstens will
die Bundesregierung den Anpassungsprozess in den Betrieben mit
zusätzlichen Geldern unterstützen, zweitens sollen Bauernvertreter
intensiver als bei normalen Gesetzgebungsverfahren in die Diskussionen
über die konkrete Umsetzung einbezogen werden.