Politik | 02. Juni 2021

Super-Trilog endet gar nicht super

Von AgE
Die jüngsten Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Europaparlament zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), genannt Super-Trilog, sind am vergangenen Freitag gescheitert.
Die Trilog-Partner müssen für die Verhandlungen um die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik einen neuen Anlauf machen.
Teilnehmerkreisen zufolge hat die portugiesische Agrarratspräsidentin Maria do Ceu Antunes am Morgen des 28. Mai gegenüber den Vertretern des Parlaments und der Kommission erklärt, dass die EU-Landwirtschaftsminister ihr kein weiteres Mandat zu geben bereit seien. Die Portugiesin will aber nichtsdestoweniger versuchen, bis Ende Juni, also dem Ende ihrer EU-Ratspräsidentschaft, doch noch eine Einigung zu erzielen. Die Verhandler hätten noch vier Wochen Zeit.
Neuer Anlauf
Den Juni wolle man nutzen für einen neuen Anlauf hin zu einer politischen Einigung auf die zukünftige GAP. Bei der Abschlusspressekonferenz im Anschluss an den Super-Trilog betonte die Portugiesin, dass ihrer Auffassung nach zwar die wichtigsten Punkte abgeräumt worden seien, trotzdem halte sich ihr Optimismus erstmal in Grenzen. Sollte bis Juni keine Einigung erreicht werden, müsse die slowenische Ratspräsidentschaft weiter nach Lösungen suchen, so Antunes. Brüsseler Beobachter halten es allerdings auch für wenig wahrscheinlich, dass die slowenische Ratspräsidentschaft Erfolg haben wird. Die portugiesische Landwirtschaftsministerin machte in der jüngsten Trilog-Sitzung ihrem Unmut Luft; sie warf sowohl der Kommission als auch den Vertretern des Parlaments vor, nicht ausreichend zu Zugeständnissen bereit gewesen zu sein und nicht hinreichend für ein Ergebnis gearbeitet zu haben.
Dem soll der geschäftsführende Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, dem Vernehmen nach in deutlichen Worten widersprochen haben. Er werde es nicht zulassen, dass die Legende gestrickt werde, das Parlament und auch die Kommission seien nicht an einem Ergebnis interessiert. Deutliche Kritik hatte sich indes bereits am Mittwochabend, dem 26. Mai, EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski beim Treffen der Landwirtschaftsminister anhören müssen.
Vorwurf: Kommission überzieht ihre Rolle
Nachdem der Pole die Minister dazu aufgerufen hatte, den Forderungen des Parlaments beim Umwelt- und Klimaschutz stärker entgegenzukommen, warnte ihn Spaniens Agrarminister Luis Planas davor, seine Rolle nicht zu überziehen.
Die Kommission müsse als Makler zwischen Parlament und Rat auftreten und dürfe sich nicht auf eine Seite schlagen, forderte der Spanier. Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner beklagte beim Ministertreffen, dass die Kommission ihre Rolle als ehrlicher Makler vernachlässige. Vor allem EU-Kommissionsvizepräsident Timmermans habe sich zu sehr auf die Seite des Parlaments geschlagen, monierte Klöckner.
Abgeordnete kritisierten indes die Haltung des Agrarrates scharf. Bei vielen Ministern sei offensichtlich noch nicht „durchgesickert”, dass das Parlament Co-Gesetzgeber sei. Parlamentarier, die den Trilogen beigewohnt hatten, betitelten das Verhalten des Rates als Machtspiel.
Auch Wojciechowski sah sich nach dem Scheitern des Super-Trilogs veranlasst, die Rolle und das Vorgehen der Kommission zu rechtfertigen. Der Pole wies darauf hin, dass die EU-Staaten die Klimaschutzziele mit vereinbart hätten; nun müssten sie auch zu deren Erreichen beitragen. Dagegen wolle der Agrarrat bei der Verwendung von GAP-Geldern für den Umwelt- und Klimaschutz offenbar noch hinter dem aktuellen Status quo bleiben.  Die Sorge vieler Mitgliedstaaten, dass die Mittel für die neu zu schaffenden Eco-Schemes nicht vollständig abgerufen werden könnten und man deswegen eine Lernphase benötige, bezeichnete der Agrarkommissar als grundlos. Hier hätten viele Delegationen mit ihren Befürchtungen übertrieben. Er wünsche sich von den Landwirtschaftsministern mehr Mut und weniger Verzagtheit, so der Pole.
Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner verteidigte wiederum das Vorgehen des Rates beim Trilog. „Wenn drei an einem Tisch sitzen, muss sich jeder bewegen – der Rat hat in den Verhandlungen diese Bewegung gezeigt”, konstatierte die Ministerin. Die Landwirte bräuchten jetzt sehr zügig Klarheit über die Eckpunkte der EU-Agrarpolitik und der Agrarförderung in den kommenden Jahren. „Eile ist deshalb geboten”, betonte Klöckner. Die portugiesische Ratspräsidentschaft sei in den Verhandlungen bestärkt worden, sich für eine GAP einzusetzen, die weniger bürokratisch sei, die den Einsatz für mehr Umwelt- und Klimaschutz finanziell entlohne und die den Mitgliedstaaten Flexibilität bei der Umsetzung einräume, berichtete Klöckner.
Vertrauen neu aufbauen
Hart mit dem Vorgehen der portugiesischen Ratspräsidentschaft und des Agrarrates insgesamt ging der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament, Norbert Lins, ins Gericht. Das Parlament erwarte vom Rat mehr Respekt, erklärte der CDU-Politiker. Er verwies auf den seit Ende 2009 geltenden Lissabon-Vertrag, der dem Parlament die Rolle des Co-Gesetzgebers gleichberechtigt neben den Mitgliedstaaten einräume. Leider hätten sich die Agrarminister gegenüber wesentlichen Forderungen des Parlaments nach mehr Umwelt- und Klimaschutz von vornherein gesperrt, beklagte Lins.
Woran es krankte und scheiterte
Bis zuletzt waren die Agrarminister der Europäischen Union mehrheitlich nicht bereit, von einer Lernphase für das neue Instrument Eco-Schemes abzurücken. Dies gilt als einer der Hauptgründe dafür, dass der Trilog von Kommission, Rat und Europaparlament am vergangenen Freitag  ohne eine Einigung beendet wurde. Den letzten Kompromissvorschlägen des Rates zufolge, sollten die Eco-Schemes einen Anteil an der Ersten Säule von 25 Prozent erhalten. Über die gesamte Förderperiode von 2023 bis 2027 hinweg sollte allerdings gleichzeitig eine Mindestuntergrenze von 18 Prozent gelten.
Dies hätte bedeutet, dass die Mitgliedstaaten die Differenz in den Topf der nicht gekoppelten Direktbeihilfen hätten überführen dürfen. Diesen Kompromiss wollten die Vertreter des EU-Parlaments als auch der Kommission nicht zustimmen. Sowohl vom Rat als auch von Seiten der Europaabgeordneten wurde beklagt, dass die Kommission eine Einkommenswirksamkeit der Eco-Schemes nicht erlauben wolle und dies mit den Regularien der Welthandelsorganisation (WTO) begründe. In der Vergangenheit hatte der frühere EU-Agrarkommissar Phil Hogan die Eco-Schemes noch damit beworben, dass die Landwirte dann mit Umweltleistungen Geld verdienen könnten.
Als ein Knackpunkt entpuppte sich auch  das Thema Kappung und Umverteilung. So beharrten die Agrarminister darauf, dass es lediglich eine Umverteilungsprämie zugunsten der ersten Hektare in Höhe von zehn Prozent der gesamten Direktzahlungsgelder eines jeden Mitgliedstaates geben sollte. Dem Vernehmen nach wurde auch ein Kompromissvorschlag diskutiert, wonach die Mitgliedsländer die Direktzahlungen an die Unternehmen pro Jahr auf 100000 Euro begrenzen sollten, dabei jedoch verschiedene Kostenblöcke berücksichtigen dürften. Alternativ dazu sollten die Mitgliedsländer die Wahl haben, auf eine Kappung zu verzichten, sofern  zehn Prozent der Direktzahlungsmittel kleinen und mittleren Höfen zugutekommen. Dieser Kompromiss käme in Teilen den Parlamentsforderungen nach einer Umverteilung von zwölf Prozent als Alternative zur Kappung sehr nahe. Er sollte allerdings außerdem beinhalten, dass die aus dem Haushaltskontrollausschuss eingebrachten Änderungsanträge, wonach für Agrarholdings die Zahlungen aus der Ersten Säule auf 500000 Euro und die aus der Zweiten Säule auf eine Million Euro im Jahr begrenzt werden sollen, komplett entfallen.
Nach wie vor sind auch die Differenzen rund um die Konditionalität respektive die Bestimmungen für gute landwirtschaftliche und ökologische Zustände (GLÖZ) nicht ausgeräumt. Hinsichtlich der Forderung des Parlaments nach zumindest einer sozialen Komponente der GAP-Reform scheint es dagegen Bewegung gegeben zu haben. So habe sich der Rat auf Vermittlung der Kommission vorläufig darauf eingelassen, dass Landwirten, die gegen die im jeweiligen Mitgliedstaat geltenden Arbeitnehmergesetze verstießen, die Direktbeihilfen gekürzt werden könnten, hieß es in Brüssel.
Rukwied will schnellen Kompromiss
Nach dem Abbruch der Trilog-Verhandlungen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hat der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, die Verhandlungspartner aufgefordert, dennoch einen schnellen Kompromiss zu finden. Die Verzögerung gehe ausschließlich zu Lasten der Landwirtschaft. „Die Landwirte erwarten Klarheit und eine pragmatische Gestaltung der Fördermaßnahmen”, stellte der Bauernpräsident  klar. Rukwied zufolge musste der Trilog zwischen EU-Kommission, Rat und EU-Parlament abgebrochen werden, „weil offenbar einige zusätzliche überzogene bürokratische Forderungen auf dem Tisch lagen”. Das betreffe unter anderem die Konditionalität der Direktzahlungen einschließlich einer neuen sozialen Verknüpfung und die Mittelausstattung für die Eco-Schemes.
Bioland-Präsident Jan Plagge beklagte, dass das Scheitern der Gespräche Zeit koste, die es eigentlich nicht gebe. Messlatte für die weiteren Trilog-Verhandlungen bleibe der Green Deal mit der Farm-to-Fork-Strategie. Statt pauschaler Flächensubventionen müsse die künftige GAP Bauern für ihre Leistungen im Umwelt- und Klimaschutz belohnen, forderte Plagge.