Waldwirtschaft | 05. März 2020

Sturmschäden durch "Sabine" - eine explosive Mischung

Von Horst Delb, FVA
Das Orkantief „Sabine” vom 9. auf den 10. Februar hat zwar nicht die gleiche zerstörerische Kraft wie der Orkan „Lothar” 1999 entwickelt, doch liegen regional durchaus gravierende Schäden vor.
Die überwinternden Borkenkäfer warten auf den Start im Frühjahr.
In Verbindung mit kritisch hohen Populationsdichten der Borkenkäfer aus den Vorjahren besteht jetzt ein erhebliches Potenzial für Folgeschäden an den verbliebenen, noch intakten Waldbeständen.
Typische Anzeichen eines Befalls sind beispielsweise braunes Bohrmehl, Harzausfluss, vom Specht abgeschlagene Rinde sowie später auch Nadelverfärbungen und -verluste.
Wohnungsnot bei den Borkenkäfern
Angesichts der drohenden Borkenkäfergefahr sollten jetzt geworfene oder gebrochene Schadhölzer, vor allem Fichten –  aber auch Tannen –, möglichst rasch aus dem Wald gebracht werden. Diese Bäume können den Borkenkäfern nicht mehr viel Widerstand durch Harzfluss entgegensetzen und bieten ihnen schlagartig optimale Bruträume für den Populationsaufbau im Frühjahr und Sommer. Spätestens wenn dieses Brutraumangebot aufgebraucht ist, wird es sehr gefährlich. Denn dann bleibt der folgenden Käfergeneration nichts anderes übrig, als die nächsten noch stehenden und bisher nicht in Mitleidenschaft gezogenen Bäume im noch intakten umliegenden Restbestand zu besiedeln.
Infolge der Orkane „Burglind” und „Friedericke” 2018 und der darauffolgenden Dürrejahre 2018/2019 haben sich ausgesprochen hohe Käferdichten aufgebaut. Das Sturmholz durch „Sabine” bietet den Schädlingen  erneut ideales Brutmaterial. Es drohen enorme Schäden.  Deshalb geht es jetzt darum, den Käfern so weit wie möglich bruttaugliche Hölzer zu entziehen. Bei den Aufräumarbeiten sollte Folgendes beachtet werden:
Konzentration der Arbeit auf Fichten –  aber auch Weißtannen sind betroffen.
Zuerst Dimensionen mit einem Durchmesser größer als 20 cm in Brusthöhe in Angriff nehmen.
Einzelbäume und kleinere Sturmflächen gegenüber größeren vorziehen. Denn dort wird das wenige Brutmaterial schneller aufgebraucht, weshalb die Käfer dort früher zu einem Stehendbefall übergehen und damit zur Gefahr für den umliegenden Wald werden.
Sturmschäden in Form eines Einzelwurfs stellen 2020 eine besondere Gefahr dar.

Was in den kommenden Wochen zu tun ist
Ausgehend von einer sturmgeworfenen Fichte, die im Frühjahr beispielsweise vom Buchdrucker besiedelt wird, entstehen bis in den Sommer ohne Gegenmaßnahmen im ungünstigen Fall über drei Generationen so viele Käfer, dass 8000 weitere Fichtenstämme befallen werden können.
Mit dem Ausflug der überwinternden Elternkäfer zur Anlage der Brut der ersten Generation 2020 muss ab April gerechnet werden. Bis dahin noch nicht aus dem Wald gebrachte Sturmhölzer bieten hierfür ideale Voraussetzungen.
Spätestens die im Frühjahr befallenen Sturmhölzer müssen dann unbedingt noch vor dem Ausflug der ersten Käfergeneration, je nach Höhenlage und Wetter  Anfang bis Ende Juni, unschädlich gemacht werden. Je höher gelegen der Wald und je kühler und regenreicher das Frühjahr, desto mehr Zeit bleibt.
Unschädlich sind die Sturmhölzer dann, wenn sie nach der Aufarbeitung entweder aus dem Wald gebracht oder entrindet oder gehackt worden sind. Die Holzabfuhr sollte in ein Sägewerk oder in Trockenlager mit einem Mindestabstand von 500 m zum nächsten Nadelwald erfolgen. Letzteres kann in Laubwäldern oder auf Freiflächen verwirklicht werden. Nasslager sind für frische Sturmhölzer eine Alternative, für befallenes Käferholz allerdings betriebswirtschaftlich nicht empfehlenswert. Die Entrindung kommt nur dann in Betracht, wenn noch keine fertig entwickelten Käfer vorhanden sind.
Besteht neben dem Buchdrucker auch eine Gefährdung durch den deutlich kleineren Kupferstecher, sollten unbedingt auch schwache Resthölzer behandelt und das Hackmaterial aus dem Wald gefahren oder mit Folie abgedeckt werden.
Im Notfall kann im Rahmen des Integrierten Pflanzenschutzes der Einsatz eines zugelassenen Pflanzenschutzmittels vorgesehen werden. Dies ist aber nur nach Ausschöpfen aller anderen Mittel als letzte Alternative zu erwägen. Befallene Bäume könnten dann auf Holzpoltern an der Waldstraße durch Sachkundige behandelt werden. Diesbezüglich ist im Vorfeld darauf zu achten, dass für Holzpolter die richtigen Orte zum Beispiel mit ausreichendem Abstand zu Gewässern fachgerecht ausgewählt werden.
Systematisch vorgehen
Grundsätzlich sollte bei der Planung der Sturmholzbeseitigung auch im Kleinprivatwald darauf geachtet werden, dass nur so viele Stämme aufgearbeitet werden, wie vor dem Ausflug der ersten Käfergeneration tatsächlich unschädlich gemacht werden können. Dabei sind beispielsweise die Absatzmöglichkeiten und Transport- und Maschinenkapazitäten in Betracht zu ziehen. Die vor Ort zuständigen Forstleute können in Bezug auf die Bewältigung der Schäden und bestehende finanzielle Hilfen Auskunft geben. Zur aktuellen Borkenkäferentwicklung und -gefährdungslage werden auf der Homepage der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) www.fva-bw.de Informationen bereitgestellt.
Sollte das befallene Sturmholz nicht rechtzeitig vor dem Ausflug der ersten Käfergeneration aufgearbeitet werden können, gilt es anschließend, die verbliebenen, noch intakten Nadelwaldbestände in der Nähe von Sturmlücken über die gesamte Vegetationszeit intensiv auf Stehendbefall durch Borkenkäfer zu kontrollieren. Je nach Wetter- und Höhenlage ist dies ab Anfang Juni 2020 notwendig.
Die Aufarbeitung von Schadhölzern auf Sturmflächen bringt große Gefahren mit sich. Deshalb sollte sie nur von ausgebildeten und geübten Personen, die entsprechend ausgerüstet sind, mit Bedacht geplant und professionell durchgeführt werden. Unter Beachtung der Gefährdungsaspekte ist im Einzelfall ein Maschineneinsatz anstelle der motormanuellen Aufarbeitung vorzuziehen. Trotz großer Borkenkäfergefahr gehen der Schutz von Leib und Leben sowie die Sicherheit der Waldbesitzenden und Mitarbeitenden unbedingt vor.