Politik | 15. Oktober 2015

Streit um transatlantische Abkommen

Von AgE
Die Gespräche über eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) erhitzen weiter die Gemüter. Im Vorfeld einer Anti-TTIP-Demonstration in Berlin (siehe Kasten) bekräftigten die Gegner eines Abkommens ihre Ablehnung des Prozesses.
Die Berliner Großdemo gegen TTIP (siehe Kasten) hat laut den Organisatoren 250000 Menschen mobilisiert. Die Polizei nannte 150000.
Unter anderem vermeldete das breite Bündnis „Stop TTIP”, dem beispielsweise Bündnis 90/Die Grünen, die Arbeitsgemein-schaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) angehören, bis zum Stichtag 6. Oktober europaweit 3,26 Millionen Unterschriften gegen TTIP und das EU-Handelsabkommen mit Kanada (CETA) gesammelt zu haben. Die Unterschriften seien in genau einem Jahr zusammengekommen, welches die Zeit sei, die eine Europäische Bürgerinitiative gemäß EU-Regeln zur Verfügung habe. Die Europäische Kommission hatte die Einrichtung einer formellen Europäischen Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA im September 2014 abgelehnt. Nach Ansicht der Brüsseler Behörde erfüllte der Zulassungsantrag nicht die nötigen Voraussetzungen. Eine Bürgerinitiative könne zwar die Annahme von EU-Regeln verlangen, nicht jedoch den Verzicht auf bestimmte Maßnahmen, hieß es damals. Darauf klagten die Organisatoren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH); ein Urteil steht noch aus. Unterdessen teilte der US-Handelsbeauftragte Michael  Froman  mit, dass die nächste TTIP-Runde vom 19. bis zum 23. Oktober in Miami stattfinden wird.
Biobranche geschlossen dagegen
Vertreter des deutschen Ökosektors bekräftigten ihre Ablehnung der transatlantischen Partnerschaft. „Wir wenden uns seit Bekanntwerden der Brüsseler Pläne gegen das sogenannte Freihandelsabkommen, da eine Weiterentwicklung transatlantischen Handels demokratisch und unter Einbindung der Parlamente geschehen muss. Das können wir nicht erkennen”, erklärte beispielsweise die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Naturkost Naturwaren (BNN), Elke  Röder. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) appellierte an die Politik in Berlin und Brüssel, den Welthandel fair zu gestalten. TTIP und CETA seien dazu nicht geeignet. Die Abkommen führten zu einem Wettlauf der Standards nach unten. Arbeitnehmerrechte, Verbraucher-, Umwelt- und Wettbewerbsschutz kämen dabei unter die Räder.
TTIP als Chance nutzen
Der agrarpolitische Sprecher der EVP-Fraktion des Europaparlaments, Albert  Deß, hob hingegen die Wichtigkeit von TTIP und CETA hervor. Für die Agrar- und Lebensmittelwirtschaft sei die Erschließung neuer Absatzmärkte von besonderer Wichtigkeit, betonte Deß in Straßburg.
Bei bestimmten sensiblen Agrarprodukten müsse aber ein strenger Qualitätsaußenschutz erhalten bleiben, betonte der CSU-Politiker. Agrarimporte in die EU dürften nur dann zugelassen werden, wenn die europäischen Standards für Verbraucherschutz, Tierschutz, Umweltschutz und Sozialmindeststandards eingehalten würden. Das Europäische Parlament werde das Verhandlungsergebnis nicht akzeptieren, wenn der europäische Agrarsektor einseitig belastet werde.
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) wiederum begrüßte, dass die Bedeutung von Handelspolitik in der Gesellschaft breit diskutiert werde. „Innovative Produkte sichern unseren hohen Exportanteil am Weltmarkt und tragen so wesentlich zum Wohlstand Deutschlands bei”, betonte VCI-Hauptgeschäftsführer Utz  Tillmann. Es müsse zum Selbstverständnis einer großen Exportnation gehören, handelspolitische Fakten und Perspektiven in einem konstruktiven Dialog zu begleiten. Die deutsche Chemie erwirtschafte 60 Prozent ihres Umsatzes von gut 190 Milliarden Euro mit dem Auslandsgeschäft. Die USA seien der größte Auslandsmarkt der Branche. Eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung mit TTIP werde zeigen, dass das Abkommen gut für Deutschland sei und Bürgern wie Wirtschaft Vorteile bringe.
Großdemo von TTIP-Gegnern
Mit einer groß angelegten Demonstration haben Gegner einer Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) sowie des  EU-Handelsabkommens mit Kanada (CETA) ihre Forderung nach einem Abbruch der Gespräche beziehungsweise nach  Verzicht auf die Ratifizierung von CETA bekräftigt. Den Organisatoren zufolge protestierten am vergangenen Samstag in Berlin vom Hauptbahnhof bis zur Siegessäule 250000 Menschen; laut Polizei waren es ungefähr 150000. Der Trägerkreis des Anti-TTIP-Bündnisses besteht aus rund drei Dutzend Organisationen, darunter die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Brot für die Welt und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Reiner  Hoffmann, verlangte einen „Schluss mit der Geheimdiplomatie”. Die öffentliche Daseinsvorsorge müsse vor grenzenloser Liberalisierung und Privatisierung geschützt werden. Nach Ansicht des agrarpolitischen Sprechers der Grünen im Europaparlament, Martin  Häusling, bringen TTIP und CETA „nicht nur nichts für Bürger und Mittelstand; sie stellen geradezu eine Bedrohung für Demokratie und Rechtsstaat, für den Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitsschutz in Europa dar”. Die Demonstranten pochten auf mehr Transparenz, eine Absage an Interessen von Großkonzernen sowie auf die Wahrung von Sozial-, Umwelt- und Verbraucherstandards.
Der Sprecher von EU-Handelskommissarin Cecilia  Malmström betonte, manche der bislang zu TTIP und CETA geäußerten Bedenken seien legitim, andere unbegründet. „Wir haben nichts zu verbergen”, so der Sprecher. Bei TTIP handele es sich  um die transparentesten jemals geführten Freihandelsgespräche.