Pflanzenbau | 02. August 2018

Stickstoffdüngung in Raps wird zum Nadelöhr

Von Kurt Biebinger, Landesarbeitskreis Düngung (LAD) Baden-Württemberg
Seit einem Jahr ist die vieldiskutierte neue Düngeverordnung in Kraft. Welche Auswirkungen dies auf den Rapsanbau und insbesondere für die Rapsdüngung im Herbst hat, wird im folgenden Artikel erörtert.
Gesunde Rapsbestände liefern hohe Erträge und gewährleisten eine gute N-Effizienz. Den meist bodenbürtigen typischen Rapskrankheiten lässt sich durch eine weit gestellte Fruchtfolge, einen guten Kalkzustand des Bodens und eine Kalkstickstoffdüngung direkt vor der Saat vorbeugen.
Solange der Raps auf dem Acker steht, zeichnet er sich durch ein äußerst geringes Auswaschungsrisiko für Stickstoff aus. Kaum eine andere Kultur ist in der Lage, den im späten Herbst oder in milden Wintern mineralisierten Stickstoff so effektiv dem Boden zu entziehen und somit vor der Auswaschung während der Vegetationsruhe zu schützen. 
Dies darf aber nicht dazu verleiten, dem Raps ein überzogenes Stickstoffangebot im Boden vorzulegen. Aus diesem Grund hat die Düngeverordnung hier klare Grenzen gesetzt. Maximal 60 Kilogramm Gesamt- beziehungsweise 30 Kilogramm Ammonium-Stickstoff dürfen zu Raps noch im Herbst gedüngt werden.
Größere Stickstoffgaben schwächen nicht nur die Frosthärte des Bestandes, sondern führen zur Bildung unproduktiver Blattmasse. Die überzähligen Blätter werden im Laufe des Winters meist wieder reduziert und der darin enthaltene Stickstoff steht für die Ertragsbildung nicht mehr zur Verfügung. Raps, welcher erst nach dem 15. September gesät wird, darf aufgrund seiner geringen Vorwinterentwicklung im Herbst keine Stickstoffdüngung erhalten.
Nicht überdüngen
Eine Herausforderung für den Rapsanbau ist der maximal zulässige Bilanzüberschuss von 50 Kilogramm Stickstoff je Hektar und Jahr im dreijährigen Durchschnitt des Betriebes. Ein Rapsbestand nimmt nämlich deutlich mehr Stickstoff auf, als mit der Ernte vom Feld gefahren wird. Eine Dezitonne Rapskorn enthält etwa 3,35 Kilogramm Stickstoff. Die rechnerische Abfuhr beträgt bei einem Ertrag von 45 Dezitonnen somit etwa 150 Kilogramm Stickstoff.
Für diesen Ertrag wird beim Raps gemäß Dünge-VO ein Bedarf von 210 Kilogramm Stickstoff angesetzt. Nimmt man einen Nmin-Gehalt von 30 Kilogramm an, errechnet sich bei einem Ackerbaubetrieb ohne organische Düngung ein Düngebedarf von 180 Kilogramm Stickstoff. Dieser führt demzufolge bereits zu einem Bilanzüberschuss von 30 kg Stickstoff.
Bleibt dann aber der Ertrag – wie in den letzten drei Jahren leider oft beobachtet – weit hinter den Erwartungen zurück, steigt der Bilanzüberschuss entsprechend an: Im gegebenen Beispiel führt ein tatsächlicher Ertrag von nur 30 Dezitonnen bereits zu einem Bilanzüberschuss von 80 statt der zulässigen 50 Kilogramm Stickstoff.
Zwar können solche Überschüsse im Rahmen der Fruchtfolge noch kompensiert werden, aber das Beispiel zeigt, dass es durch den Raps bei der N-Bilanz schnell „eng” werden kann. Daher sollte man sich bei der Stickstoff-Düngung weniger am Wunschbild des „Fünf-Tonnen-Rapses”, sondern – wie auch von der Dünge-VO gefordert – am tatsächlich erreichten dreijährigen Durchschnittsertrag orientieren.
Effizienz des Nährstoffs Stickstoff optimieren
Wenn mit begrenztem Stickstoffeinsatz ein maximales Ertragsergebnis erreicht werden soll, muss der eingesetzte Stickstoff optimal zur Wirkung kommen. Daher reicht es nicht aus, nur den Stickstoffbedarf korrekt zu ermitteln und termingerecht zu düngen, auch das gesamte ackerbauliche Umfeld muss stimmen: Auch alle anderen Pflanzennährstoffe müssen in ausreichendem Maß im Boden verfügbar sein, da nach dem Minimum-Gesetz von Justus von Liebig der Ertrag stets von jenem Nährstoff begrenzt wird, welcher als erstes in den Mangelbereich gerät.
Ein Teil der Stickstoffdüngung wird also wirkungslos verpuffen, wenn es dem Raps an einem anderen Nährstoff mangelt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch ein optimaler Kalkzustand des Bodens. Dieser stabilisiert nicht nur die Bodenstruktur und verbessert die Auflaufbedingungen für die Saat, sondern wirkt auch bis zu einem gewissen Grad der Kohlhernie vor.
Krankheiten vorbeugen
Das Kohlhernie-Risiko lässt sich weiterhin durch eine weitgestellte Fruchtfolge reduzieren. Doch auch andere Krankheitserreger wie Verticillium und Sklerotinia begrenzen in intensiven Rapsfruchtfolgen häufig das Ertragsniveau. Wenn der eingesetzte Stickstoff möglichst effizient zur Wirkung kommen soll, muss man diesen zum Teil nicht oder nur schwer bekämpfbaren Krankheitserregern so weit als möglich mit ackerbaulichen Maßnahmen vorbeugen.
Da etwa zwei Drittel des möglichen Ertrages durch die Vorwinterentwicklung des Rapses bestimmt werden, ist auf eine gleichmäßige, zügige und gesunde Jugendentwicklung des Rapses größtes Augenmerk zu richten. Dazu kann die gezielte und bedarfsgerechte Stickstoffdüngung einen wichtigen Beitrag leisten.
Mineralischen Stickstoff im Herbst düngen
Viehhaltende Betriebe werden sich die Möglichkeit nicht entgehen lassen, vor Beginn der langen Sperrfrist im Herbst zu Raps noch einmal Gülle auszufahren. Die Mengen sind allerdings begrenzt: Mit 15 Kubikmetern Rindergülle hat man in der Regel bereits die zulässigen 60 Kilogramm Gesamt- oder 30 Kilogramm Ammoniumstickstoff ausgeschöpft. Bei der nährstoffreicheren Schweinegülle ist meist schon bei zehn bis zwölf Kubikmetern das „Ende der Fahnenstange” erreicht.
Doch wie sieht es bei reinen Ackerbaubetrieben aus, die keine organischen Dünger aufnehmen? Meist bleibt hier das Stroh der Vorfrucht auf dem Acker. Beim Abbau des stickstoffarmen Strohs sind Bakterien und Pilze auf den durch Mineralisierung im Boden verfügbar werdenden Stickstoff angewiesen.
Sie konkurrieren dabei meist sehr erfolgreich mit den jungen, zunächst nur schwach bewurzelten Rapspflänzchen um den begehrten Stickstoff. Es hat sich über die Jahre gezeigt, dass eine angemessene mineralische Stickstoffgabe im Herbst die Jugendentwicklung fördert und die Rapsbestände besser in den Winter gehen lässt.
Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) hat in den Jahren 2008 bis 2010 in einer Reihe von Versuchen an verschiedenen Standorten einen durchschnittlichen Mehrertrag von 2,1 dt/ha erzielt, wenn 40 Kilogramm Stickstoff im Herbst verabreicht und dafür bei der Frühjahrsdüngung eingespart wurden. Zu beiden Terminen wurde der Stickstoff einheitlich in Form von Ammonsulfat-Salpeter gedüngt. Diese Ergebnisse bestätigen die Praxiserfahrung, dass unter süddeutschen Verhältnissen eine bedarfsgerechte Stickstoffgabe im Herbst – sei es durch Gülle oder Mineraldünger –  durchaus vorteilhaft ist.
Der im Herbst verabreichte Stickstoff kann bei der Frühjahrsgabe voll angerechnet werden. Auf diese Weise verbessert sich auch die N-Effizienz, da ja mit der gleichen Stickstoffmenge höhere Erträge erzielt werden. Möglicherweise lassen sich durch eine platzierte Düngung zur Saat, beispielsweise durch eine Reihen- oder Unterfußdüngung, die Stickstoffgabe im Herbst noch reduzieren und die Stickstoffeffizienz weiter steigern.
Kalkstickstoffgabe
In engen Fruchtfolgen lässt sich die Effektivität der Herbstdüngung noch weiter steigern, indem diese in Form von rund 200 kg Kalkstickstoff unmittelbar vor der Saat ausgebracht wird. Eine Einarbeitung ist nicht nötig und eine Wartezeit muss auch nicht eingehalten werden.
Diese Düngergabe liefert 40 kg/ha nachhaltig wirksamen Stickstoff sowie 100 kg/ha Kalk in rasch wirksamer Form. Da der Dünger idealerweise nicht oder nur ganz flach eingearbeitet wird, entfaltet sich die erwünschte Kalkwirkung nur in den obersten Zentimetern des Bodens, also genau dort, wo die Rapssaat keimt. Der Keimhorizont bleibt dadurch locker und krümelig, was dem Raps einen gleichmäßigen und zügigen Aufgang beschert.
Wegen der verhaltenen Stickstoffwirkung dieses Düngers kommt es aber im Herbst weder zu einem Überwachsen des Bestandes noch zu einer Erhöhung der Frostanfälligkeit. Ein wesentlicher Vorteil dieser Kalkstickstoff-Vorsaatdüngung ist ihre vorbeugende Wirkung gegen bodenbürtige Krankheiten. Frühe Infektionen mit Kohlhernie bereits kurz nach der Saat verursachen im Raps die größten Schäden. Befallene Pflanzen sterben meist schon im Laufe des Winters ab.
Vor der Saat
Eine Kalkstickstoff-Düngung direkt vor der Saat senkt für mehrere Wochen das Risiko von Kohlhernie-Infektionen. Später geht der Infektionsdruck aufgrund der sinkenden Bodentemperaturen ohnehin zurück. Die Kultur hat daher gute Chancen, mit einem gesunden Wurzelapparat über den Winter zu kommen.
Umfangreiche Versuche haben gezeigt, dass die Kalkstickstoff-Herbstdüngung auch dem Befall durch andere Fruchtfolgekrankheiten wie Verticillium und Sklerotinia vorbeugt. Eine gezielte und wohlüberlegte Herbstdüngung sorgt auf diese Weise gerade in intensiven Rapsfruchtfolgen für eine hohe Stickstoffeffizienz.
Bei Beständen, die vor der Saat weder Wirtschaftsdünger noch mineralischen Stickstoff erhalten haben und nach dem Aufgang verzögertes Wachstum und Aufhellungen aufgrund von Stickstoffmangel zeigen, ist rasches Handeln angesagt. Denn laut Düngeverordnung muss die Stickstoffdüngung bis zum 1. Oktober abgeschlossen sein. Mit einer Gabe von etwa 30 kg Stickstoff eines schnell wirkenden Düngers, zum Beispiel Kalkammonsalpeter, kann man diesen Beständen noch auf die Sprünge helfen.
Gesunde Entwicklung fördern
Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch der für Raps wichtige Spurennährstoff Bor. Eine ausreichende Bor-Versorgung unterstützt die Gewebefestigkeit und beugt Ausfällen durch mangelnde Frosthärte und Phoma-Infektionen vor. Es bietet sich daher an, diesen Bedarf noch im Herbst durch eine Blattdüngung mit etwa 100 Gramm Bor zu decken, damit die Pflanzen möglichst fit und widerstandsfähig in den Winter gehen. 
Die häufig unbefriedigenden Rapserträge der letzten Jahre sind nicht allein das Resultat von Wetterkapriolen, denn vielfach wurden auch ackerbauliche Grundregeln vernachlässigt. Ungleichmäßige, geschwächte oder kranke Bestände können den Stickstoff nicht effizient nutzen.
Deshalb sollte bereits im Herbst alles für eine gesunde Entwicklung getan werden: Weitgestellte Fruchtfolge, guter Kalkzustand des Bodens, sorgfältige Saatbettbereitung, richtige Sortenwahl und eine bedarfsgerechte Stickstoffversorgung sind die Voraussetzung für eine optimale Herbstentwicklung. Fruchtfolgeproblemen wie Kohlhernie, Verticillium und Sklerotinia kann man vorbeugen durch eine Stickstoffdüngung direkt vor der Saat mit Kalkstickstoff. Auch die anderen Nährstoffgehalte im Boden müssen passen; Mikronährstoffe, vor allem Bor, lassen sich hingegen noch über das Blatt verabreichen. Schwächelnde Bestände dürfen nur noch bis zum 1. Oktober mit einer kleinen Stickstoffgabe „angeschoben” werden. Auch die anderen Vorgaben der Düngeverordnung sind zu beachten.