Politik | 07. April 2022

Stehen ärmste Länder vor schwerer Hungerkrise?

Von AgE
Aufgrund des Krieges in der Ukraine könnte sich die Versorgung mit Getreide für viele afrikanische Staaten dauerhaft verschlechtern und kräftig verteuern. Das zeigen Modellrechnungen des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel.
Sollte auch der russische Getreideexport deutlich zurückgehen, stünden einige der ärmsten Länder vor einer schweren Hungerkrise. Laut dem IfW-Forschungsdirektor für Internationale Entwicklung, Professor Tobias Heidland, sind zahlreiche afrikanische Staaten auch langfristig nicht in der Lage, einen Ausfall der russischen und ukrainischen Getreidelieferungen zu ersetzen. Es drohten schwerer Hunger und soziale Unruhen.
Die Forscher simulierten mehrere Szenarien. In einem gingen sie davon aus, dass der Getreideanbau in der Ukraine auch in Zukunft stark limitiert sein wird.
Von „bedrohlich” bis „dramatisch”
Laut den Berechnungen müssten sich dann beispielsweise Ägypten, Tunesien und Äthiopien auf gut 13 Prozent bis knapp 11 Prozent geringere Weizenimportmengen einstellen. Bei sonstigem Getreide wären Tunesien, Ägypten und Kamerun mit einem Einfuhrminus von 15,2 Prozent, 13,4 Prozent und 11,9 Prozent betroffen.
Bei einem russischen Getreideexportstopp, zusätzlich zu einer verminderten Produktion in der Ukraine und erhöhten Handelskosten, wären die Folgen für Afrika mit Blick auf die Versorgung mit Weizen „dramatisch”. Die Simulation zeigte den Forschern zufolge, dass Ruanda seine Weizenimporte dann um fast die Hälfte reduzieren müsste. In Kenia, Tansania und Mosambik wären die Folgen für die Ernährungslage „bedrohlich”. Derweil wies das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) darauf hin, dass schon jetzt Millionen von Menschen im Nahen Osten und Nordafrika aufgrund des toxischen Zusammenwirkens von Konflikten, Klimawandel und den wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 Schwierigkeiten hätten, sich ausreichend zu ernähren. Bereits vor dem Krieg in der Ukraine hätten Inflation und steigende Preise dazu geführt, dass sich die ärmsten Familien Grundnahrungsmittel nicht mehr hätten leisten können. So stiegen 2021 die Kosten für einen Grundnahrungsmittelkorb – der Mindestlebensmittelbedarf einer Familie – laut WFP im Libanon um 351 Prozent, in Syrien um 97 Prozent und im Jemen um 81 Prozent.