Betrieb und Wirtschaft | 06. August 2020

Standortbestimmung für Obstbauern

Von Brigitte Werner-Gnann
Wie intensiv sollte eine Kultur geführt werden und wo bieten sich Einsparmöglichkeiten bei einem Produktionszweig? Antworten auf diese und ähnliche Fragen gibt eine betriebswirtschaftliche Auswertung mit Betriebsvergleichen, die das KOB in Bavendorf jetzt anbietet.
„Die Arbeit in den Obstanlagen ist mir weitaus lieber als das Jonglieren mit Zahlen am Schreibtisch. Ein Grund, warum ich mich entschlossen habe, das Angebot vom KOB zur betriebswirtschaftlichen Datenanalyse zu nutzen”, sagt  Martin Baur.  Der Obstbaumeister aus Friedrichshafen musste dazu nur seinem Steuerberater das Okay geben, damit  dieser seine Daten aus den Buchführungsabschlüssen an das  Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee (KOB) weiterleitet. Das kann völlig anonymisiert erfolgen. 
Dort wertet Andrea Gmeinder die Daten aus. Sie arbeitet Erfolgskennzahlen wie bereinigter Gewinn, Eigenkapitalveränderung, Cash-Flow oder die Gewinnrate heraus. „Für aussagekräftige Ergebnisse sollten mindestens drei aufeinanderfolgende Abschlüsse vorliegen”, nennt die KOB-Mitarbeiterin eine wichtige Voraussetzung. Wer die Zahlen nicht anonymisiert weitergibt, sondern unter dem Siegel der Verschwiegenheit, kann einen Beratungsbrief samt Analyseergebnissen erhalten. Auch ein persönliches Beratungsgespräch ist im Anschluss möglich. Bei rein anonymisierter Datenweitergabe erhalten die Steuerbüros die Auswertungen zugesandt.
Andrea Gmeinder betreut den betriebs- wirtschaftlichen Datenvergleich am KOB.

Ziel dieses kostenlosen Angebots ist es, einen Arbeitskreis zu gründen. Dort oder eventuell auch in Zusammenarbeit mit dem sich im Aufbau befindlichen Grundmodul Obstbau, das als Beratungsangebot des Landes finanziell gefördert wird, sollen Schwachstellen analysiert und Verbesserungen ausgelotet werden. Teilnehmen kann jeder Betrieb, unabhängig von der Produktionsrichtung und dem Anbaugebiet.
Angebot nutzen
„Wenn es bei uns jetzt dieses Angebot gibt, sollte man es nutzen”, meint Barbara Mayer aus Stockach-Wahlwies. Sie hat nach  einer Obstbaulehre Gartenbaumanagement studiert und bewirtschaftet nun einen Biolandbetrieb mit breitem Apfelsortiment und etwas Steinobst. „Ich möchte wissen, wo ich mit meinem Betrieb stehe und ob unsere Wirtschaftsweise in Ordnung ist”, begründet sie ihre Bereitschaft, die Ergebnisse aus Buchführungsabschlüssen ans KOB weiterzugeben.
Die Zusammenarbeit mit den Steuerberatungsbüros ist dabei keine Einbahnstraße. Gmeinder  erhält  von den Steuerbüros die Jahresabschlüsse, liest die Daten in ein Programm ein und führt die Analysen durch. Diese Daten können die Kanzleien für die steuerliche Beratung ihrer Mandanten nutzen, sie können für Gespräche mit Banken relevant sein oder den Anstoß für Veränderungen im Betrieb geben.
Eine reine Standortbestimmung auf Basis von Buchführungsdaten reicht für die tiefgründige Schwachstellenanalyse kaum aus. Die Ergebnisse werden umso exakter, je mehr Informationen zu Erntemengen je Sorte, Arbeitsaufwand, Pflanzenschutz etc. bekannt sind. Noch besser wäre es, wenn Zahlen schlaggenau erhoben werden. Allerdings fehlt dazu bislang ein perfektes Schlagkarteiprogramm. 
Vor dem Aufwand der exakten Datenerfassung schreckt Martin Baur bislang zurück. „In einer ersten Auswertung hat sich gezeigt, dass unser Betrieb relativ hohe Ausgaben für Löhne hat. Dazu muss man wissen, dass ich viele Beerenkulturen anbaue. Um Verbesserungen auszuloten, müsste ich den Lohnaufwand für jede Kultur erheben. Das ist mir vorerst noch zu zeitraubend”, sagt er. Anders könnte dies aussehen, wenn sich das über ein elektronisches Schlagkartei-Programm schnell und unkompliziert erfassen lässt.
Verfeinerte Daten
Daran knüpft Andrea Gmeinder ihre Hoffnungen, um an verfeinerte Daten für die einzelnen Produktionszweige zu kommen. Derzeit ist gerade ein Interreg-Projekt zur Digitalisierung der Schlagkartei im Aufbau. Sollte sich dies als praktikabel erweisen, könnten die Betriebsleiter direkt vor Ort Daten vom jeweiligen Schlag per Smartphone erheben und einpflegen. Das würde sie ihrem Ziel, neben der Analyse von Buchführungsdaten sortengenaue Deckungsbeiträge bis hin zu den jeweiligen Vollkosten zu erfassen, mehr als nur einen Schritt näherbringen.