Stärke statt Stimmung
Angst ist eine unbestimmte Emotion, die lähmt und handlungsunfähig macht – und Angst ist ein schlechter Ratgeber. Angst wird auch gerne von Populisten und Scharfmachern ausgebeutet im Sinne von Verstärkung oder Bestätigung von Feindbildern.
Der Berufsstand muss die Konsequenzen daraus ziehen, dass bisher gewohnte Automatismen nicht mehr funktionieren – wie beispielsweise: Es gibt ein Problem, wir beklagen dies lautstark und die Politik hilft. Die Diskussion um die Dürrehilfe in 2018 zeigte dies eindrücklich. Der Berufsstand braucht neue Allianzen und Kommunikationsstrategien zur Durchsetzung seiner Interessen.
Jammern macht nicht attraktiv. Es hat auch Folgen in der gesamten Wertschöpfungskette: Es macht den Berufsstand als Partner schwach, wo doch gerade Stärke als Verhandlungspartner angesagt und nötig wäre.
Wer Ehe bzw. Partnerschaft aber ernst nimmt als die Ankerbeziehung im Familienbetrieb, der muss darin mehr sehen als „der Partner schafft”. Gelingende Beziehungen sind die Gestaltungsausgabe schlechthin auch was die Generationenbeziehung und die Nachbarschaftsbeziehungen anbelangt. Aber das haben manche nie gelernt oder als notwendig erachtet. Beziehungen produktiv zu gestalten, ist daher Kernkompetenz als Unternehmer im Familienbetrieb.
Landwirtschaft ist oft ein Bereich der Einflüsterungen und Fremdbestimmung: Wenn der Landwirt einen ordentlichen Gewinn gemacht hat, soll er etwas tun, sagt der Steuerberater – und zwar investieren. Wenn er bauen will, sagt der Berater, wie groß man das heute macht ... Nein; Landwirte müssen die unternehmerische Regie in ihrem Beruf zurückgewinnen. Sie setzen die Werte und Ziele in der Ökonomie und Lebensqualität, für die sie arbeiten und leben wollen. Beratung hilft „nur”, diese zu erreichen. Bildung ist dafür der wichtigste Erfolgsfaktor, sie macht stark und handlungsfähig. Fachbildung ist in der Unternehmensführung genauso wichtig wie Persönlichkeitsbildung.
Um stärkenorientiert sein Unternehmen zu entwickeln, muss man sich selber gut kennen mit allen Stärken und Schwächen. Dazu muss man sich ehrlich und offen selber und von anderen den Spiegel vorhalten lassen. Es ist ganz wichtig zu wissen, was man wirklich selber will und auch kann – und wie man bei anderen ankommt und von ihnen wahrgenommen wird.
Voraussetzung dafür sind Offenheit, Kritikfähigkeit und die Bereitschaft, sich von anderen – vor allem auch in der eigenen Familie – Rückmeldung zu holen. Gut ist es, die eigene Komfortzone – das gewohnte Umfeld – zu verlassen, um sich neuen Personen und neuen Erfahrungen auszusetzen. Fremderfahrungen wie das Weggehen von zu Hause vor der Betriebsübergabe sind heute nötiger denn je. Auch die „Älteren” können sich immer wieder bei Fortbildungen, Arbeitskreisen, Studienfahrten den Spiegel vorhalten lassen und ihre Haltungen und Handlungen kritisch bedenken. Es stärkt das Selbstwertgefühl und schafft persönliche Reife.
Diese Klärungsprozesse schaffen Klarheit – so schmerzhaft sie auch sein können – über eigene Ziele, Werte und Stärken und wie ich sie dann ganz individuell umsetzen kann im Leben und Arbeiten. Nach meinen Erfahrungen in der Seelsorge und in der Beratungsarbeit wissen Landwirte zu wenig über sich selbst. Gerade jetzt, wo es keine Pauschalrezepte mehr zum Erfolg gibt, ist das notwendiger denn je, um seine Ressourcen zu kennen und zielführend einzusetzen.
Nötig ist auch die Fähigkeit, aus Krisen zu lernen. Was gab es schon in Krisensitzungen für Absichtserklärungen und Versprechen, was man alles anders oder besser machen will: Die Arbeitswirtschaft optimieren, die Kosten senken, auf die Lebensbalance achten, mehr Marktmacht aufbauen, mehr kooperieren, kompetenter in Gremien mitarbeiten, mehr tun im Risikomanagement. Aber sobald die Krise vorbei ist, ist fast alles vergessen ... bis die nächste Krise kommt.
Das gilt auch für andere Aufgaben – nicht nur einzelbetriebliche –, wo es darum geht, Lösungen zu finden wie im Tierschutzbereich oder bei der Nitratbelastung. Nichts zu tun oder zu wenig, wird in Zukunft härter „bestraft” und zwar politisch, ökonomisch und auch, was die Beziehungen anbelangt.
Es gibt für jeden einen Weg der Stärke, der ganz anders sein kann als der des Nachbarn oder Kollegen, dessen Betriebsportrait im Wochenblatt steht. Dazu braucht es Mut und Selbstwertgefühl und Menschen, die mich begleiten – auch jenseits fachlicher Fragen.
Auch der Wechsel in den Nebenerwerb oder die Betriebsaufgabe kann für einige eine „starke Alternative” sein, statt sich bei weiterem Wachstum im Betrieb ökonomisch, aber auch gesundheitlich oder in den Beziehungen zu ruinieren. Der Betrieb soll uns dienen – nicht umgekehrt.
Was uns erhalten bleibt in der Landwirtschaft, sind drei V:
- Veränderungen,
- Volatilität,
- Verschiedenheit.
Wer stark ist, damit umzugehen, für den bleibt Landwirt ein attraktiver Beruf. Und darüber darf man – stark – auch öffentlich bei allen Gelegen