Keine Illusionen macht sich der scheidende agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Priesmeier, über die zu erwartenden Kürzungen im EU-Agrarhaushalt und deren Auswirkungen auf die Direktzahlungen.
Wilhelm Priesmeier empfiehlt seiner Partei, Landwirtschaft und ländlichen Räumen einen höheren Stellenwert einzuräumen.
Im Interview mit dem Informationsdienst für Agrarpolitik und Agrarwirtschaft Agra-Europe sagt der SPD-Politiker für die kommende Förderperiode eine Minderung der Zahlungen um mehr als ein Drittel voraus. Statt bei derzeit rund 280 Euro pro Hektar im Bundesdurchschnitt werde man bei 180 Euro pro Hektar landen, so Priesmeiers Prognose.
Kaum Spielraum für weitere Umschichtung
Er geht davon aus, dass bei
diesem Niveau kaum Spielraum für eine weitere Umschichtung von der
Ersten in die Zweite Säule verbleiben wird. Der langjährige Abgeordnete,
der erstmals 2002 in den Bundestag gewählt wurde, plädiert für eine
stärkere Differenzierung der Direktzahlungen. Kappung und Degression
hält er für unvermeidlich; gegenüber einer weiteren Umverteilung
zugunsten der ersten Hektare ist er skeptisch.
Über die Zusammenarbeit
innerhalb der Großen Koalition während der vergangenen vier Jahre ist
Priesmeier ernüchtert: „Wenn wir etwas erreicht haben, war das
ausgesprochen zäh und letzten Endes nur auf Druck von außen möglich.”
Dies gelte etwa für das Düngepaket, das nach Einschätzung des
SPD-Politikers den Landwirten nicht die erhoffte Planungssicherheit
bringen wird, weil Regeln zur Eindämmung der Phosphateinträge ausgespart
worden seien.
SPD-Politik zwischen Union und Grünen
Priesmeier lobt die
Zusammenarbeit mit Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, hält
ihm jedoch Entscheidungsschwäche und mangelnde Durchsetzungsfähigkeit
vor. Seiner Partei empfiehlt der Sozialdemokrat, Landwirtschaft und
ländlichen Räumen einen höheren Stellenwert einzuräumen: „Die
Parteiführung wäre gut beraten, diesen Themen mehr Aufmerksamkeit zu
schenken, als sie es bislang zumindest nach außen hat erkennen lassen.”
Mit dem im vergangenen Jahr gegründeten SPD-Agrarnetzwerk werde man
versuchen, die inhaltliche Diskussion innerhalb der SPD über
Agrarpolitik voranzubringen, kündigt Priesmeier an. Die Rolle der Partei
in der Agrarpolitik sieht er zwischen einer auf Beharrung setzenden
Union auf der einen und den auf ihr städtisches Klientel schielenden
Grünen auf der anderen Seite.
Der SPD empfiehlt Priesmeier einen Kurs, der auf Verbraucher- sowie
Umwelt- und Tierschutz ebenso Rücksicht nimmt wie
auf die landwirtschaftlichen
Unternehmen und ihre Beschäftigten.
Ökonomie nicht ignorieren
Ausdrücklich warnt der Tierarzt davor, ökonomische Belange
der Landwirtschaft zu ignorieren. Beispielsweise dürfe Tierschutz die
Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe nicht aufs Spiel setzen.
Tierschutzpolitik sollte seiner Auffassung nach „erstens mit Augenmaß
und zweitens möglichst europaweit” betrieben werden. Ohne einen
europäischen Gleichklang bei ordnungsrechtlichen Vorgaben werde
lediglich die Produktion von einem Mitgliedsland in ein anderes
verlagert.