Land und Leute | 02. April 2020

Spargelacker statt Restaurant

Von Heinrich von Kobylinski
Inwieweit können einheimische Arbeitskräfte den Mangel an ausländischen Saisonarbeitskräften ausgleichen? Erste Erfahrungen hat der Spargelanbauer Stefan Schneider aus Iffezheim gemacht.
Stefan Schneider ist bisher sehr zufrieden mit einer Spargeltruppe aus der Gastronomie.
Schneider zeigte sich beim Besuch der BBZ am Ende der ersten Arbeitswoche mit der Leistung seiner inländischen Aushilfskräfte sehr zufrieden. Dank Dreifachabdeckung und der frühreifenden Sorte Frühlim ist bei ihm die Erntesaison schon angelaufen. Kurz davor allerdings musste er zur Kenntnis nehmen, dass drei Viertel seiner Stammbesetzung in dieser Kampagne nicht zur Verfügung stehen würden.
In dieser Situation meldeten sich bei ihm Mitarbeiter eines großen Gastronomiebetriebes aus Baiersbronn, die in Kurzarbeit gehen mussten. Schneider sagte kurzerhand ein Engagement für die Einsatzwilligen zu und teilte elf von ihnen zum Spargelstechen ein. Sie erschienen zum Anfang der vergangenen Woche pünktlich und blieben es auch an den übrigen Tagen, ungeachtet des täglichen Anfahrtswegs aus dem Schwarzwald.
Schon am ersten Tag nahmen sie 9,5 Stunden auf dem Feld auf sich. „Auch von dem kalten Wind ließen sie sich nicht beeindrucken”, äußerte sich Schneider anerkennend über die Motivation. Die Einarbeitung in die ungewohnte Tätigkeit verlief zügig.
Therapie zu neuer Bescheidenheit
Verständigungsschwierigkeiten gab es keine. „Nach den ersten 30 bis 40 Stangen hat man es raus, der Chef hat es gut erklärt”, bestätigte Dennis Rösch bei der Arbeit. In Baiersbronn ist er stellvertretender Restaurantleiter. Auch als Angestellter in Leitungsfunktion bekommt er nur einen Teil seines regulären Gehalts.
Hinzu kommt, dass damit auch die gewohnten Zuschläge entfallen, die mit Sondereinsätzen verdient werden konnten. Der private Kapitaldienst aber bleibt, beispielsweise für das neue Auto oder Haus. Die Umstellung auf die Spargelernte konnte Rösch gut wegstecken, „ab dem dritten Tag gingen die Kreuzschmerzen zurück”.
Nicolai Biedermann ging es ähnlich. In Baiersbronn ist er Koch. Bei seiner neuen Arbeit schätzt er die Tätigkeit im Freien und gleichzeitig im Team. Gleichzeitig spricht er von einem „anderen Verhältnis und einer neuen Wertschätzung” für das Edelgemüse, die er durch seine neue Beschäftigung bekommen hat. Er wäre sogar bereit, einen höheren Kilopreis zu zahlen – jetzt, nach der Kenntnis über den tatsächlichen Aufwand und dem Know-how, das mit dem Anbau dieser Kultur verbunden ist.
Falsches Image für Feldarbeit
Auch sein Vorgesetzter Dieter Kalweit arbeitet für mindestens zwei Tage pro Woche auf diesem Spargelfeld. Normalerweise ist er verantwortlich für 110 Mitarbeiter. Die Tätigkeit in Iffezheim sieht er auch als eine Art „Therapie zu einer neuen Bescheidenheit”:
Neben den Gefahren für die menschliche und wirtschaftliche Gesundheit, die vom Coronavirus ausgehen, hofft er jetzt darauf, „dass ein Ruck durch die Gesellschaft geht”, damit wieder der Wert eines Arbeitsplatzes und einer soliden Beschäftigung erkannt werde. In den letzten Jahren habe die Feldarbeit ein falsches Image in der Gesellschaft erhalten, deshalb müsste die Tätigkeit öffentlich schmackhaft gemacht werden, so der Gastronom.
Manfred Bannwarth, Geschäftsführer des Maschinenrings Ortenau, berichtet von einem breiten Echo der Landwirte auf die bundesweite Aktion „Das Land hilft”. Bis Dienstag hatten 34 landwirtschaftliche Betriebe im Umkreis von 20 Kilometern um Willstätt ihren Bedarf angemeldet. Er hört aber auch bei einigen Landwirten Skepsis gegenüber den inländischen Arbeitskräften wegen der Belastbarkeit, des Einarbeitungsbedarfs und bei der Tagesarbeitszeit.
Intresse zu helfen ist groß
Deutschlandweit steigt die Zahl der Hilfskräfte mit Interesse an einer Tätigkeit in der Landwirtschaft an. Allein von Montag auf Dienstag wuchs die Zahl der Inserate auf der Webseite um 2000 an auf über 40.000. Bannwarth schätzt, dass der Anstieg anhalten wird, weil immer mehr Unternehmen Kurzarbeit anmelden werden. Im Unterschied zu Leiharbeitsfirmen ist die Jobvermittlung über die MR-Website gebührenfrei.
Regional betrachtet gibt es bei der Zahl der Freiwilligen noch Luft nach oben: Vom Raum Karlsruhe-Ettlingen liegen laut Maschinenring bisher 22 Meldungen vor. Im Raum Freiburg 36, in Offenburg, Schutterwald und Achern je vier, in Rastatt bisher erst zwei. Für Rückenwind könnte eine neue Ausnahmeregelung für Bezieher von Kurzarbeitergeld sorgen: Dieser Personenkreis kann im Zeitraum bis zum 31. Oktober 2020 in landwirtschaftlichen Betrieben für 115 Arbeitstage sozialversicherungsfrei beschäftigt werden.