Politik | 23. März 2023

Sorgen und Ärger wegen Politik

Von AgE
In der gesamten Wertschöpfungskette Milch ist eine wachsende Verärgerung über die Bundesregierung und insbesondere das Landwirtschaftsministerium zu spüren.
Schwierige Verhältnisse bei Milch: Noch mehr Sorgen als der Markt macht der Branche derzeit die Politik.
In der Kritik standen beim 13.Berliner Milchforum die zunehmenden Auflagen, die unzureichende Gestaltung des Umbaus der Tierhaltung sowie auch die jüngsten Werbeverbotspläne für Kinderprodukte. Gleichzeitig bereiten die immer noch hohen Produktionskosten, die Kaufzurückhaltung der Verbraucher und nachgebende Preise Sorgen.
„Die Milcherzeuger können mit Marktvolatilitäten umgehen. Was uns große Sorgen macht, ist die Politik”, erklärte am 17. März der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Karsten Schmal, bei einer Pressekonferenz in Berlin. Mehr Nachhaltigkeit und Tierwohl seien für die Erzeuger mit höheren Kosten verbunden, da müsse die Politik Wege für die langfristige Zukunft aufzeigen.
Auf den Höfen wird nicht investiert
„Das gestaltet sich in der Ampelregierung wohl recht schwierig; die Finanzierung ist nicht sichergestellt”, kritisierte Schmal. Das führe dazu, dass Planungssicherheit fehle und auf den Höfen nicht in die Zukunft investiert werde. Der Umbau der Tierhaltung könne nicht gelingen, wenn dieser allein aus einer schlecht gemachten staatlichen Tierhaltungskennzeichnung bestehe. Zudem fehlten eine passende Reform des landwirtschaftlichen Baurechts und vor allem eine tragbare Finanzierung. So, wie die aktuellen Pläne und Gesetzesvorschläge vorliegen, wird die Transformation der Tierhaltung laut Schmal zu einem „Rohrkrepierer”.
Der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes (MIV), Peter Stahl, beklagte die Flut von Auflagen, wie Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, Whistleblower-Richtlinie, Datenschutzgrundverordnung oder Arbeitszeitgesetz, „die viel Zeit und Geld kosten”. Sehr kritisch sieht der MIV-Vorsitzende auch das geplante Werbeverbot für Kinderprodukte. Selbst ein Naturjoghurt mit 3,5 Prozent Fett dürfte dann gegenüber Kindern nicht mehr beworben werden, geschweige denn der Milcheisstand im Sommerfreibad eine Eisfahne tragen. Zudem würden die Molkereien in der Vermarktung eingeschränkt, wenn etwa alle Käsesorten beim Nutriscore in die Klasse D eingestuft würden. „Da sind wir unzufrieden mit der Politik, denn es gibt im Moment viel Gegenwind für die Nutztierhaltung”, so Stahl.
Aldi favorisiert Borchert-Konzept
Kritisch ins Gericht mit der von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir geplanten Tierhaltungskennzeichnung ging der Nachhaltigkeitsdirektor bei Aldi-Nord, Marc Sagel. Der Discounter sei ein Befürworter der Borchert-Vorschläge und eines staatlichen Tierhaltungskennzeichens. „Doch so, wie es angekündigt wurde, sind wir nicht zufrieden”, stellte Sagel klar. Das Siegel beziehe sich nur auf Fleisch von Mastschweinen, und die Gastronomie sei wieder einmal außen vor. Zudem fehlten rechtliche Änderungen, etwa im Baurecht. Auch sei es ein Fehler, bei der finanziellen Unterstützung die Betriebsgröße einzuschränken. So lasse sich, wie von Aldi angestrebt, „das Tierwohl nicht in der Breite verwirklichen”, kritisierte Sagel. Er sprach sich zudem dafür aus, die Initiative Tierwohl (ITW) mit ihren funktionierenden Auditsystemen in die staatliche Kennzeichnung einzubeziehen. Die Transformation sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dafür habe die Borchert-Kommission auch bei der Finanzierung einen Weg aufgezeigt. „Da muss jetzt auch von der Politik was kommen”, forderte Sagel.
Haltungswechsel ist Gesetz
Der Discounter Aldi bekräftigte beim Berliner Milchforum seine Pläne, im Rahmen seines Haltungswechsels sein Sortiment bei den Eigenmarken der Trinkmilch bis 2030 komplett auf die Haltungsstufen 3 und 4 umzustellen. „Wir stehen zu unserem Wort, Haltungswechsel ist bei uns ein Gesetz”, erklärte der Leiter Corporate Responsibility im Bereich Landwirtschaft von Aldi-Süd, Stephan Schoch. Dabei wolle man an der Seite der Landwirte stehen; ab 2024 werde das Unternehmen für die Trinkmilcheigenmarken ausschließlich deutsche Herkünfte verwenden. Sagel versicherte zudem, dass die höheren Erzeugungskosten bei Tierwohlleistungen langfristig honoriert würden. Aldi sei fest überzeugt, dass mehr Tierwohl den Verbraucherwünschen entspreche. Dafür sprächen auch die Absatzzahlen, denn bei Trinkmilch liege der Anteil der Haltungsstufe 3 am Umsatz bereits bei 45 Prozent. Andere Produkte würden sukzessive hinzukommen.