In der gesamten Wertschöpfungskette Milch ist eine wachsende Verärgerung über die Bundesregierung und insbesondere das Landwirtschaftsministerium zu spüren.
Schwierige Verhältnisse bei Milch: Noch mehr Sorgen als der Markt macht der Branche derzeit die Politik.
In der Kritik standen beim 13.Berliner Milchforum die zunehmenden Auflagen, die unzureichende Gestaltung des Umbaus der Tierhaltung sowie auch die jüngsten Werbeverbotspläne für Kinderprodukte. Gleichzeitig bereiten die immer noch hohen Produktionskosten, die Kaufzurückhaltung der Verbraucher und nachgebende Preise Sorgen.
„Die Milcherzeuger können mit Marktvolatilitäten umgehen. Was uns große Sorgen macht, ist die Politik”, erklärte am 17. März der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Karsten Schmal, bei einer Pressekonferenz in Berlin. Mehr Nachhaltigkeit und Tierwohl seien für die Erzeuger mit höheren Kosten verbunden, da müsse die Politik Wege für die langfristige Zukunft aufzeigen.
Auf den Höfen wird nicht investiert
„Das gestaltet sich in der Ampelregierung wohl
recht schwierig; die Finanzierung ist nicht sichergestellt”, kritisierte
Schmal. Das führe dazu, dass Planungssicherheit fehle und auf den Höfen
nicht in die Zukunft investiert werde. Der Umbau der Tierhaltung könne
nicht gelingen, wenn dieser allein aus einer schlecht gemachten
staatlichen Tierhaltungskennzeichnung bestehe. Zudem fehlten eine
passende Reform des landwirtschaftlichen Baurechts und vor allem eine
tragbare Finanzierung. So, wie die aktuellen Pläne und
Gesetzesvorschläge vorliegen, wird die Transformation der Tierhaltung
laut Schmal zu einem „Rohrkrepierer”.
Der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes (MIV), Peter Stahl,
beklagte die Flut von Auflagen, wie
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, Whistleblower-Richtlinie,
Datenschutzgrundverordnung oder Arbeitszeitgesetz, „die viel Zeit und
Geld kosten”. Sehr kritisch sieht der MIV-Vorsitzende auch das geplante
Werbeverbot für Kinderprodukte. Selbst ein Naturjoghurt mit 3,5 Prozent
Fett dürfte dann gegenüber Kindern nicht mehr beworben werden,
geschweige denn der Milcheisstand im Sommerfreibad eine Eisfahne tragen.
Zudem würden die Molkereien in der Vermarktung eingeschränkt, wenn etwa
alle Käsesorten beim Nutriscore in die Klasse D eingestuft würden. „Da
sind wir unzufrieden mit der Politik, denn es gibt im Moment viel
Gegenwind für die Nutztierhaltung”, so Stahl.
Aldi favorisiert Borchert-Konzept
Kritisch ins Gericht mit der von
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir geplanten
Tierhaltungskennzeichnung ging der Nachhaltigkeitsdirektor bei
Aldi-Nord, Marc Sagel. Der Discounter sei ein Befürworter der
Borchert-Vorschläge und eines staatlichen Tierhaltungskennzeichens.
„Doch so, wie es angekündigt wurde, sind wir nicht zufrieden”, stellte
Sagel klar. Das Siegel beziehe sich nur auf Fleisch von Mastschweinen,
und die Gastronomie sei wieder einmal außen vor. Zudem fehlten
rechtliche Änderungen, etwa im Baurecht. Auch sei es ein Fehler, bei der
finanziellen Unterstützung die Betriebsgröße einzuschränken. So lasse
sich, wie von Aldi angestrebt, „das Tierwohl nicht in der Breite
verwirklichen”, kritisierte Sagel. Er sprach sich zudem dafür aus, die
Initiative Tierwohl (ITW) mit ihren funktionierenden Auditsystemen in
die staatliche Kennzeichnung einzubeziehen. Die Transformation sei eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dafür habe die Borchert-Kommission auch
bei der Finanzierung einen Weg aufgezeigt. „Da muss jetzt auch von der
Politik was kommen”, forderte Sagel.
Haltungswechsel ist Gesetz
Der Discounter Aldi bekräftigte beim Berliner Milchforum
seine Pläne, im Rahmen seines Haltungswechsels sein Sortiment bei den
Eigenmarken der Trinkmilch bis 2030 komplett auf die Haltungsstufen 3
und 4 umzustellen. „Wir stehen zu unserem Wort, Haltungswechsel ist bei
uns ein Gesetz”, erklärte der Leiter Corporate Responsibility im Bereich
Landwirtschaft von Aldi-Süd, Stephan Schoch. Dabei wolle man an der
Seite der Landwirte stehen; ab 2024 werde das Unternehmen für die
Trinkmilcheigenmarken ausschließlich deutsche Herkünfte verwenden. Sagel
versicherte zudem, dass die höheren Erzeugungskosten bei
Tierwohlleistungen langfristig honoriert würden. Aldi sei fest
überzeugt, dass mehr Tierwohl den Verbraucherwünschen entspreche. Dafür
sprächen auch die Absatzzahlen, denn bei Trinkmilch liege der Anteil der
Haltungsstufe 3 am Umsatz bereits bei 45 Prozent. Andere Produkte
würden sukzessive hinzukommen.