Pflanzenbau | 01. Juni 2023

Silizium – der vergessene Bodennährstoff

Von ZALF/BBZ-Redaktion
Die Düngung mit amorphem Silikat kann Weizenerträge deutlich steigern und zugleich die Menge an Kohlenstoff und Wasser im Boden erhöhen.
Dr. Jörg Schaller erforscht amorphes Silikat als Bodendünger.
Die Wirksamkeit von Silizium als Dünger für den Boden hat eine Studie nachgewiesen, die unter Leitung des Wissenschaftlers Dr. Jörg Schaller vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) durchgeführt wurde. Amorphes Silikat steigert die Fähigkeit des Bodens, Wasser zu speichern, und wirkt sich positiv auf die Verfügbarkeit von Nährstoffen aus. 
Ertragssteigerung
 Die Untersuchung, die kürzlich in der Fachzeitschrift „Science of the Total Environment” vorgestellt wurde, basiert auf einem Feldexperiment mit Silizium-dünger und Weizen auf Grenzertragsböden in Brandenburg. In der Studie stieg der Weizenertrag der Flächen, auf denen der Gehalt an Silikaten in den oberen 20 cm Bodenschicht  um ein Prozent erhöht worden war,  um über 80 % im Vergleich zum Kontrollbestand. Zudem erhöhte sich das pflanzenverfügbare Wasser um etwa 40 %. Der Grund dafür ist laut Schaller, dass amorphes Silikat Wassermoleküle anzieht, die sich in einer Gelhülle um den Silikatkern anlagern.
Oben: trockenes Silikat, unten: gewässertes Silikat.
Das „Wundermittel” des Biogeochemikers ist sogenanntes „amorphes Silikat” – ein Sammelbegriff für viele verschiedene Verbindungen, deren Kern aber immer Silizium ist. Neben Sauerstoff ist Silizium das zweithäufigste Element innerhalb der Erdhülle. Aus der Industrie ist es besonders durch die Herstellung von Solarzellen bekannt. Während Solarsilizium aufwendig aufbereitet werden muss, sind Schallers Forschungsobjekte natürlich vorkommende amorphe Silikate im Boden. Die mikrometergroßen Komplexe aus Silizium, Sauerstoff und Wassermolekülen haben in der Forschung bisher wenig Beachtung gefunden.
„Natürliche, wenig beeinflusste Böden enthalten sechs bis sieben Prozent amorphes Silikat”, erklärt Schaller. Pflanzen reichern diese hochreaktiven Siliziumverbindungen, die aus der Verwitterung von Gestein entstehen, als sogenannte Pflanzenopale in ihren Stängeln und Blättern an. Diesen verleihen sie Stabilität und wehren auch Fraßfeinde ab. „Wenn Sie sich schon einmal an einem Grasblatt geschnitten haben, wissen Sie, was ich meine”, sagt Schaller. In natürlichen Systemen gehen die Verbindungen wieder in den Boden über, sobald die Pflanze abstirbt und verrottet.
Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ist dieser Kreislauf unterbrochen. Vor allem Getreide nimmt große Mengen Kieselsäure über die Wurzeln aus dem Boden auf und lagert diese als amorphe Silikate in der Biomasse ein. Mit der Ernte verschwindet ein Teil davon aus dem Kreislauf und dem Boden – jedes Jahr ein kleines bisschen. Agrarböden, die seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten genutzt werden, verarmten allmählich. Heute besitzen sie nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Gehalts an amorphem Silikat – meist weniger als ein Prozent.
Freisetzung von Nährstoffen
In seinen Labor- und Freilandversuchen konnte der Forscher zunächst nachweisen, dass amorphes Silikat im Boden einen wichtigen Pflanzennährstoff mobilisieren kann: Phosphor wird jedes Jahr tonnenweise auf die Felder gebracht. Ein großer Teil des Nährstoffs bindet aber fest an Bodenpartikel und ist damit für die Pflanzen nicht erreichbar. Amorphes Silikat löst den Stoff aus seiner festen Bindung – und macht ihn damit für Pflanzen verfügbar.
Wie der ZALF-Wissenschaftler berichtete, nahm dadurch die Pflanzenbiomasse um etwa 50 % zu, wodurch auch mehr organischer Kohlenstoff in Form von Stroh in den Boden gelangte. Die Siliziumdüngung wäre den Beteiligten zufolge eine „einmalige Maßnahme”, um die Bodenvorräte wieder aufzustocken.  Einmal in den Boden gebracht, sollten die Effekte der Düngung einige Jahrzehnte andauern. Jörg Schaller schätzt das Potenzial dieses Effekts als enorm ein: Die Phosphordüngung könnte damit für Jahrzehnte überflüssig werden. „Gerade in eisenreichen Böden sind unheimlich große Phosphormengen gespeichert”, betont der Forscher. Angesichts weltweit schwindender Phosphorvorkommen könnte die Silikatdüngung eine wirkungsvolle Alternative zur bisherigen Praxis sein. Für seine Versuche hat Schaller es als feines Pulver eingekauft. Da es in der Industrie ein Basisstoff für Lacke oder Farben ist, stellenweise sogar als Abfallprodukt anfällt, ist es leicht zu beschaffen. 
Forschungsbedarf
Auf einem Versuchsfeld wird das Silikat in den Boden eingearbeitet.
Einen Haken gibt es aber dennoch. Wird zu viel amorphes Silikat aufs Feld gebracht, könnten große Mengen Nährstoff in kurzer Zeit freigesetzt werden. Im ungünstigsten Fall werden die Nährstoffe ausgewaschen. „Hier brauchen wir noch viel Forschung, welche Mengen bei welchen Bodenarten und Pflanzen sinnvoll sind”, sagt Jörg Schaller, der noch die richtige Balance in diesem System sucht.