Silizium – der vergessene Bodennährstoff
Das „Wundermittel” des Biogeochemikers ist sogenanntes „amorphes Silikat” – ein Sammelbegriff für viele verschiedene Verbindungen, deren Kern aber immer Silizium ist. Neben Sauerstoff ist Silizium das zweithäufigste Element innerhalb der Erdhülle. Aus der Industrie ist es besonders durch die Herstellung von Solarzellen bekannt. Während Solarsilizium aufwendig aufbereitet werden muss, sind Schallers Forschungsobjekte natürlich vorkommende amorphe Silikate im Boden. Die mikrometergroßen Komplexe aus Silizium, Sauerstoff und Wassermolekülen haben in der Forschung bisher wenig Beachtung gefunden.
„Natürliche, wenig beeinflusste Böden enthalten sechs bis sieben Prozent amorphes Silikat”, erklärt Schaller. Pflanzen reichern diese hochreaktiven Siliziumverbindungen, die aus der Verwitterung von Gestein entstehen, als sogenannte Pflanzenopale in ihren Stängeln und Blättern an. Diesen verleihen sie Stabilität und wehren auch Fraßfeinde ab. „Wenn Sie sich schon einmal an einem Grasblatt geschnitten haben, wissen Sie, was ich meine”, sagt Schaller. In natürlichen Systemen gehen die Verbindungen wieder in den Boden über, sobald die Pflanze abstirbt und verrottet.
Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ist dieser Kreislauf unterbrochen. Vor allem Getreide nimmt große Mengen Kieselsäure über die Wurzeln aus dem Boden auf und lagert diese als amorphe Silikate in der Biomasse ein. Mit der Ernte verschwindet ein Teil davon aus dem Kreislauf und dem Boden – jedes Jahr ein kleines bisschen. Agrarböden, die seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten genutzt werden, verarmten allmählich. Heute besitzen sie nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Gehalts an amorphem Silikat – meist weniger als ein Prozent.
Wie der ZALF-Wissenschaftler berichtete, nahm dadurch die Pflanzenbiomasse um etwa 50 % zu, wodurch auch mehr organischer Kohlenstoff in Form von Stroh in den Boden gelangte. Die Siliziumdüngung wäre den Beteiligten zufolge eine „einmalige Maßnahme”, um die Bodenvorräte wieder aufzustocken. Einmal in den Boden gebracht, sollten die Effekte der Düngung einige Jahrzehnte andauern. Jörg Schaller schätzt das Potenzial dieses Effekts als enorm ein: Die Phosphordüngung könnte damit für Jahrzehnte überflüssig werden. „Gerade in eisenreichen Böden sind unheimlich große Phosphormengen gespeichert”, betont der Forscher. Angesichts weltweit schwindender Phosphorvorkommen könnte die Silikatdüngung eine wirkungsvolle Alternative zur bisherigen Praxis sein. Für seine Versuche hat Schaller es als feines Pulver eingekauft. Da es in der Industrie ein Basisstoff für Lacke oder Farben ist, stellenweise sogar als Abfallprodukt anfällt, ist es leicht zu beschaffen.