Politik | 24. November 2022

Signale der Abkehr vom harten Kurs

Von AgE
Die Europäische Kommission ist offenbar bereit, ihre Vorschläge zur Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes zu entschärfen. Das legt zumindest ein inoffizielles Diskussionspapier der Behörde nahe, das in der vergangenen Woche bekannt geworden ist.
Die EU-Kommission will jetzt offenbar in sensiblen Gebieten anstelle eines Totalverbotes biologische Mittel und solche mit niedrigem Risiko erlauben.
Wie daraus hervorgeht, ist der Verordnungsvorschlag zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln nach Einschätzung der Mitgliedstaaten zu ambitioniert und sollte insbesondere bei den Anwendungsverboten und bei den  betroffenen Gebieten nachgebessert werden. Aus Sicht der Kommission kann diesen Bedenken Rechnung getragen werden, ohne die Integrität des Vorhabens zu schwächen.
Brüssel will biologische Mittel erlauben
In Bezug auf die Anwendung in sensiblen Gebieten wird vorgeschlagen, anstelle eines Totalverbotes biologische Mittel und solche mit niedrigem Risiko zu erlauben; nicht zuletzt soll damit auch die Verbreitung dieser Alternativen angekurbelt werden. Auch die Vorgaben für den Pflanzenschutz im Ökolandbau könnten nach den Vorstellungen der Kommission auf die sensiblen Gebiete angewandt werden, nicht gelten soll das allerdings für Notfallzulassungen.
Mögliche Lösungen werden den Mitgliedstaaten auch hinsichtlich der über die Gemeinsame Datenbank ausgewiesenen Schutzgebiete  sowie der die Wasserrahmen- und die Trinkwasserrichtlinie einschließenden sensiblen Gebiete in Aussicht gestellt.
Auch  bei den vorgesehenen Ausnahmen zur Bekämpfung von Quarantäneschädlingen und invasiven Arten besteht Kompromissbereitschaft.
Parallele Verhandlungsebene
Nach Angaben des agrarpolitischen Sprechers der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, wurde das Diskussionspapier offiziell nur dem Rat zugestellt. Das sei ein „einmaliger und irritierender Vorgang”, kritisierte Häusling. Auf diese Weise werde eine inoffizielle parallele Verhandlungsebene eröffnet. Rat und Parlament hätten somit verschiedene Verlautbarungen der Kommission, an denen sich die Verhandlungen orientierten − das sei „völlig inakzeptabel”. Fragen wirft aus Sicht des Grünen-Politikers auch der Inhalt des Diskussionspapiers auf. Die Kommission komme den Kritikern im Rat derart entgegen, dass kaum noch ambitionierte Ziele für den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln in sensiblen Gebieten übrigblieben.
DBV: Von Anfang an falscher Ansatz
Derweil sieht sich der Deutsche Bauernverband (DBV) in seiner massiven Kritik an dem EU-Naturschutzpaket bestätigt, weil die Kommission ihren eigenen Vorschlag zum Komplettverbot von Pflanzenschutzmitteln in „sensiblen Gebieten” zur Disposition stellt. „Der Bauernverband steht grundsätzlich zum Ziel, die Menge und das Risiko des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Das Vorschlagspapier der EU-Kommission an den Europäischen Rat zeigt, dass die Kommission mit ihrem Vorschlag zur Sustainable Use Regulation (SUR) über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln deutlich über das Ziel hinausgeschossen ist und die Unverhältnismäßigkeit des eigenen Vorschlags einsieht”, so DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. Der Ansatz, pauschale Verbote in Schutzgebieten zu verhängen, sei von Anfang an falsch, unterstrich Krüsken. Gleiches gelte für pauschale Reduktionsziele ohne vorhandene Alternativen.
Statt jetzt Flickschusterei zu betreiben, sollte die EU-Kommission den Vorschlag komplett zurückziehen und neu aufsetzen. Eine wirkungsvolle Umsetzung könne nur in Kooperation mit der Landwirtschaft gelingen. Baden-Württemberg und Niedersachsen hätten gezeigt, wie das funktioniere, erklärte der DBV-Generalseketär.
Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) warnte hingegen davor, die Pläne zur Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes zu verwässern. Sollte die Anwendung in Schutzgebieten erlaubt werden, wäre das ein „fatales Signal zu Lasten von Biodiversität und naturverträglicher Landwirtschaft”, erklärte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne.