Die Europäische Kommission ist offenbar bereit, ihre Vorschläge zur Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes zu entschärfen. Das legt zumindest ein inoffizielles Diskussionspapier der Behörde nahe, das in der vergangenen Woche bekannt geworden ist.
Die EU-Kommission will jetzt offenbar in sensiblen Gebieten anstelle eines Totalverbotes biologische Mittel und solche mit niedrigem Risiko erlauben.
Wie daraus hervorgeht, ist der Verordnungsvorschlag zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln nach Einschätzung der Mitgliedstaaten zu ambitioniert und sollte insbesondere bei den Anwendungsverboten und bei den betroffenen Gebieten nachgebessert werden. Aus Sicht der Kommission kann diesen Bedenken Rechnung getragen werden, ohne die Integrität des Vorhabens zu schwächen.
Brüssel will biologische Mittel erlauben
In Bezug auf die Anwendung in
sensiblen Gebieten wird vorgeschlagen, anstelle eines Totalverbotes
biologische Mittel und solche mit niedrigem Risiko zu erlauben; nicht
zuletzt soll damit auch die Verbreitung dieser Alternativen angekurbelt
werden. Auch die Vorgaben für den Pflanzenschutz im Ökolandbau könnten
nach den Vorstellungen der Kommission auf die sensiblen Gebiete
angewandt werden, nicht gelten soll das allerdings für
Notfallzulassungen.
Mögliche Lösungen werden den Mitgliedstaaten auch hinsichtlich der über
die Gemeinsame Datenbank ausgewiesenen Schutzgebiete sowie der die
Wasserrahmen- und die Trinkwasserrichtlinie einschließenden sensiblen
Gebiete in Aussicht gestellt.
Auch bei den vorgesehenen Ausnahmen zur Bekämpfung von
Quarantäneschädlingen und invasiven Arten besteht
Kompromissbereitschaft.
Parallele Verhandlungsebene
Nach Angaben des agrarpolitischen Sprechers der Grünen
im Europaparlament, Martin Häusling, wurde das Diskussionspapier
offiziell nur dem Rat zugestellt. Das sei ein „einmaliger und
irritierender Vorgang”, kritisierte Häusling. Auf diese Weise werde eine
inoffizielle parallele Verhandlungsebene eröffnet. Rat und Parlament
hätten somit verschiedene Verlautbarungen der Kommission, an denen sich
die Verhandlungen orientierten − das sei „völlig inakzeptabel”. Fragen
wirft aus Sicht des Grünen-Politikers auch der Inhalt des
Diskussionspapiers auf. Die Kommission komme den Kritikern im Rat derart
entgegen, dass kaum noch ambitionierte Ziele für den Umgang mit
Pflanzenschutzmitteln in sensiblen Gebieten übrigblieben.
DBV: Von Anfang an falscher Ansatz
Derweil sieht sich der Deutsche Bauernverband (DBV) in
seiner massiven Kritik an dem EU-Naturschutzpaket bestätigt, weil die
Kommission ihren eigenen Vorschlag zum Komplettverbot von
Pflanzenschutzmitteln in „sensiblen Gebieten” zur Disposition stellt.
„Der Bauernverband steht grundsätzlich zum Ziel, die Menge und das
Risiko des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Das
Vorschlagspapier der EU-Kommission an den Europäischen Rat zeigt, dass
die Kommission mit ihrem Vorschlag zur Sustainable Use Regulation (SUR)
über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln deutlich über das Ziel
hinausgeschossen ist und die Unverhältnismäßigkeit des eigenen
Vorschlags einsieht”, so DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. Der
Ansatz, pauschale Verbote in Schutzgebieten zu verhängen, sei von Anfang
an falsch, unterstrich Krüsken. Gleiches gelte für pauschale
Reduktionsziele ohne vorhandene Alternativen.
Statt jetzt Flickschusterei zu betreiben, sollte die EU-Kommission den
Vorschlag komplett zurückziehen und neu aufsetzen. Eine wirkungsvolle
Umsetzung könne nur in Kooperation mit der Landwirtschaft gelingen.
Baden-Württemberg und Niedersachsen hätten gezeigt, wie das
funktioniere, erklärte der DBV-Generalseketär.
Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) warnte hingegen
davor, die Pläne zur Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes zu
verwässern. Sollte die Anwendung in Schutzgebieten erlaubt werden, wäre
das ein „fatales Signal zu Lasten von Biodiversität und
naturverträglicher Landwirtschaft”, erklärte DNR-Geschäftsführer Florian
Schöne.