Pflanzenbau | 23. März 2016

Reisen in die Heimat der Kirschessigfliege

Von Dr. Kirsten Köppler, LTZ Augustenberg
Als Heimat der Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) gilt Asien. Allerdings ist bisher nicht eindeutig geklärt, wo genau das Insekt ursprünglich herkommt und wie es sich von dort ausgebreitet hat oder verfrachtet wurde. Deutsche Fachleute haben sich 2015 in die Heimat des Schädlings aufgemacht.
Um die Bekämpfung der Kirschessigfliege besser zu verstehen, sind deutsche Fachleute des Julius-Kühn-Instituts (JKI), des LTZ Augustenberg und andere nach Japan und China gereist.
 
Um die Bekämpfung der Kirschessigfliege besser zu verstehen, sind deutsche Fachleute des Julius-Kühn-Instituts (JKI), des LTZ Augustenberg und andere  nach Japan und China gereist. Hauptziele beider Reisen waren der fachliche Austausch über die Bedeutung der Kirschessigfliege als Schädling in obstbaulichen Kulturen, über den Stand zur Bekämpfung und über die Forschung sowie die Formulierung von gemeinsamen Zielen in der zukünftigen Zusammenarbeit.
Die erste Expedition ging vom 5. bis 10. April 2015 nach Japan. Stationen waren die Tokyo-University of Agriculture, die regionale Beratungseinrichtung in der Präfektur Chiba, das Yamanashi Ressortforschungsinstitut, die Yamanashi Fruit Tree Experimental Station, das Landwirtschaftsministerium sowie die Universität Hokkaido in Sapporo.
Die zweite Reise ging vom 16. bis 20. Juni nach Peking zu einem Workshop zur Kirschessigfliege und anschließend in die Provinz Yunnan im Südosten Chinas inklusive eines Besuchs der Yunnan Agricultural University.
In Japan tritt die Kirschessigfliege seit den 1990er-Jahren als Hauptschädling in Heidelbeeren und Kirschen auf, wobei sie jedoch nicht als so bedeutend wie in Europa angesehen wird. In anderen Kulturen, wie Tafeltrauben, Erdbeeren – in Japan nur im geschützten Anbau –  oder Pfirsich stellt sie kein Problem dar. 
 
Bekämpfung in Japan
In Japan werden Kirschen vor allem im geschützten Anbau gezogen.
 
Größere Schäden wurden erst 2002 durch einen Befall von Heidelbeeren bekannt. Seitdem wird intensiver an der Bekämpfung des Schädlings gearbeitet. Dabei wurde die Hauptsorte in Heidelbeeren gewechselt, so dass eine frühere Ernteperiode möglich ist, die zeitlich versetzt ist zum Populationsanstieg des Schädlings.
Ergänzend kommen konsequente Hygienemaßnahmen hinzu, vor allem das Entfernen und Entsorgen befallener Früchte aus den Anlagen. Durch einen entsprechenden Schnitt sollen die Bestände offen und licht gehalten werden. Auf diese Weise will man die Lebensbedingungen des Schädlings verschlechtern.
Zur Regulierung der Kirschessigfliege in Heidelbeeren sind in Japan jedoch auch Insektizide wichtig. Hier werden nach einem festen Spritzkalender Mittel der Wirkstoffgruppen Pyrethroide, Neonicotionoide sowie Spinosad eingesetzt. Außer den Heidelbeeren ist auch der Kirschanbau durch den Schädling betroffen. Im Gegensatz zu mitteleuropäischen Verhältnissen werden Kirschen aber in Japan im geschützten Anbau kultiviert (Foto Seite 29). Dort wird zur Regulierung des Schädlings ebenfalls eine konsequente Hygiene empfohlen.
Wie in den Heidelbeeren ist aber auch der Einsatz von Insektiziden nach einem Behandlungskalender Standardmaßnahme. Neben den oben genannten Wirkstoffgruppen stehen für Kirschen noch zusätzlich ein Organophosphat und Diamide zur Verfügung.
Für die Bekämpfung der Kirschessigfliege gibt es in Japan also sehr viel mehr zugelassene Mittel als in der EU und speziell in Deutschland.
Das hat zur Folge, dass die Kirschessigfliege zwar als schädigend in Heidelbeeren und Kirschen, aber nicht als sehr großes Problem angesehen wird. Auch gibt es in den betroffenen Gebieten kein flächendeckendes standardisiertes Monitoring des Schädlings. Lediglich ein Schnelltest zur Befallsermittlung oder Qualitätskontrolle der Früchte wird empfohlen. Dabei stehen die Früchte eine Stunde in Wasser; möglicherweise enthaltene Larven schwimmen auf und werden sichtbar.
Es werden aber auch in Japan zunehmend die Probleme eines intensiven Insektizideinsatzes diskutiert sowie Resistenzvermeidungsstrategien entwickelt. Dazu gehören in den betroffenen Kulturen weitere Untersuchungen zur Sortenwahl, Kulturführung, Hygienemaßnahmen sowie zur Einnetzung.
Biologische Bekämpfungsverfahren spielen bisher in Japan keine Rolle, wurden aber auch noch nicht gezielt erforscht. Auch wenn dort natürliche Gegenspieler der Kirschessigfliege, wie spezifische parasitische Wespen, bekannt und zum Teil häufig sind, ist ihre Bedeutung noch unklar.
Fazit: Weder die Anbaustruktur der Kulturen noch die Anzahl der betroffenen Kulturen noch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sind zwischen Japan und Deutschland vergleichbar. Hinzu kommt noch, dass Obst in Japan einen „Pralinenstatus” besitzt. Die Früchte werden einzeln verpackt zu Preisen angeboten, die insbesondere den hohen Arbeitsaufwand an Hygienemaßnahmen sowie die Vielzahl von Insektizidapplikationen rechtfertigen können.
 
Bekämpfung in China
Die subtropische Obstart Myrica rubra wird in China kultiviert.
Die Delegationsreise in China begann mit einem Workshop mit insgesamt 14 Vorträgen der deutschen und der chinesischen Fachleute in Peking.
Dabei wurde betont, dass die Kirschessigfliege in China in Kirschen und Beerenobst, insbesondere Heidelbeeren, lediglich ein Schädling von geringer Bedeutung ist. Andere Beerenobstkulturen werden in China kaum angebaut. Die Schlussfolgerung aus diesem geringen Schadpotenzial der Kirschessigfliege ist, dass es natürliche Regulierungsmechanismen geben muss, die die Schädlingspopulation in Schach halten. Diese sind gegenwärtig noch nicht hinreichend geklärt und stellen eine der wichtigsten Untersuchungsfragen für die chinesischen Kollegen dar. In Trauben, wobei in China hauptsächlich Tafeltrauben angebaut werden, treten keinerlei Schäden durch die Kirschessigfliege auf.
Eine Ausnahme im Schadpotenzial bildet die Fliege bei der subtropischen obstbaulichen Kultur Myrica rubra in der Provinz Yunnan. Sie gehört zur Pflanzenfamilie der Gagel-
strauchgewächse. In der gemüsebaulich geprägten Region wurde der Anbau von Myrica rubra Ende der 1990er-Jahre stark ausgeweitet. Daraufhin stiegen die Schäden durch die Kirschessigfliege in dieser Kultur enorm an. Anfang der 2000er-Jahre wurden bis zu 40 % Ernteausfall gemeldet und daraufhin die Forschung zur Biologie und Bekämpfung des Schädlings initiiert.
Die wichtigsten Maßnahmen sind nach Professor Chun Xiao:
  • Monitoring zur Populationsüberwachung,
  • Fallen zum Massenfang,
  • enge Ernteintervalle,
  • strenge Hygienemaßnahmen sowie
  • Nacherntebehandlungen mit Insektiziden.
Während der Reifezeit der Früchte werden nach den Angaben der chinesischen Fachleute keinerlei Pflanzenschutzmittel in der Kultur angewendet. Heruntergefallene Früchte werden alle fünf bis sieben Tage aus den Anlagen entfernt.
Falle für den Massenfang von Kirschessigfliegen
Zum Massenfang des Schädlings werden 75 Fallen je Hektar mit einem Wechsel der Fallen alle drei bis vier Tage empfohlen. Mit dem genannten Maßnahmenpaket sollen Befallswerte von nur noch 1 bis 2 % erreicht werden.
Die Zusammensetzung der verwendeten Köderflüssigkeit für Massenfallen ist nicht publiziert. Hauptkomponenten sollen Essig, Zucker und/oder reife Früchte sein. Die Erfahrungen in Deutschland sowie die anderer Kollegen in Europa oder Nordamerika sprechen nicht dafür, dass allein mit diesen Bestandteilen ein Massenfang und ein deutlicher Bekämpfungserfolg gewährleistet werden können.
Die Reisen in die Ursprungsgebiete der Kirschessigfliege haben gezeigt, dass der Schäd-
ling in seinen natürlichen Ökosystemen ein deutlich geringeres Schadpotenzial hat als in Deutschland.