Im Zentrum eines Praktikertages, den die Bioland-Beratung in Freiburg durchführte, stand die regionale Vermarktung. In Fachvorträgen wurden Verkaufsautomaten sowie die Belieferung von Kantinen, Gastronomie und Lebensmitteleinzelhandel thematisiert.
Lisa Handel, beim
Bioland-Verband für die Zusammenarbeit mit dem Handel zuständig, legte den Zuhörern dar, wie sich Bio-Produkte in den letzten Jahren über den Naturkostfachhandel hinaus den Einzelhandel und sogar die Discounter als zusätzliche Kanäle erobert haben. Intensive Bio-Käufer suchen nach wie vor den Naturkostfachhandel auf, während jene Kunden, die nur gelegentlich zu Bio-Produkten greifen, sich eher im Einzelhandel oder im Discounter bedienen. Nach wie vor ist eine steigende Nachfrage nach Bio-Produkten zu beobachten – die jährlichen Wachstumsraten im Naturkosthandel bewegen sich im einstelligen Bereich, in Einzelhandel und Discounter sogar im zweistelligen Bereich.
Brandneu in den Regalen der LIDL-Märkte befinden sich seit November dieses Jahres erste Bioland-Äpfel und -Kräuter; 2019 soll eine breitere Produktpalette mit dem Label „BioOrganic” in die Regale des Discounters einziehen. Die Kooperation des Bio-Anbauverbandes mit dem Discounter wurde sowohl verbandsintern wie auch unter den Teilnehmern kontrovers diskutiert.
Erfahrungsaustausch und Vernetzung sind wichtig: Bioland-
Berater Matthias Becker moderierte den Praktikertag.
Zusammenarbeit mit Einzelhandels-Filialen
Für landwirtschaftliche Erzeuger bietet die direkte Belieferung einzelner Einzelhandelsfilialen einen interessanten Mittelweg zwischen dem Absatz an Großhändler und Einzelhandelszentralen einerseits und der klassischen Direktvermarktung andererseits. Lisa Handel fasst die Vor- und Nachteile dieses Vermarktungsweges wie folgt zusammen:
Chancen:
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in der Regel höheres Preisniveau als beim Großhandel
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der Erzeuger profitiert von den Marketing-Aktivitäten des Einzelhandels – zum Beispiel Vorstellung des Betriebs in einer Kundenzeitschrift, Werbeaktionen, Sonderangebote ...
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Der Handel ist stets auf der Suche nach Produkten, die ihn attraktiv machen, und ein Alleinstellungsmerkmal bieten; insbesondere Nischenprodukte vom Erzeuger können hier punkten.
Herausforderungen:
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Filialleiter und Personal zeigen nicht alle im gleichen Maß Fachkenntnis und Engagement für Bio-Produkte.
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Die Belieferung einer Filiale ist erst ab einer gewissen Mindestmenge für beide Seiten rentabel und interessant.
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Eine regelmäßige Belieferung in zuverlässiger Qualität ist gefordert; mitunter kommen auch spezifische Qualitätsmanagementsysteme zum Tragen (HACCP u. ä.).
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Der organisatorische Aufwand ist in die Preiskalkulation einzubeziehen.
Beispiele für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Erzeuger und Handel bilden Eigenmarken, die von Seiten der Erzeuger oder auch von Seiten des Handels kreiert werden. Erwähnt sei die „
Vier Jahreszeiten Milch”: Drei Betriebe südlich von Hamburg vermarkten ihre schonend pasteurisierte und nicht homogenisierte Milch an mittlerweile über 100 Einzelhandelsfilialen. Den regionalen Rahmen hat dieses Erfolgsmodell bereits gesprengt.
Standort-Analyse
Stefan Rettner, freier Berater und Buchautor, gab einen Überblick über verschiedene Optionen in der Direktvermarktung: Selbsternte, SB-Stände und Automaten, Hofläden am Betrieb oder in der Stadt, Märkte, Online-Shops und Lieferservice sind die gängigen Kanäle, über die Produkte vom Erzeuger direkt zum Endkunden gelangen.
Er betonte die Wichtigkeit einer gründlichen Standortanalyse – nur ein Vermarktungsweg, der zum Standort und zur eigenen Produktauswahl passt, kann zum gewünschten Erfolg führen. Weitere Erfolgsfaktoren in der Direktvermarktung seien eine ansprechende, mit der Betriebsphilosophie in Einklang stehende Kundenkommunikation sowie eine angemessene Preiskalkulation.
Lohnt sich ein Verkaufsautomat? Dieser Frage ging der Referent in einer einfachen Rechnung auf den Grund. Er nahm für einen Verkaufsautomaten jährliche Kosten von 6550 Euro an (1800 Euro Abschreibung, 1000 Euro Strom, Versicherung und Ersatzteile sowie 3750 Euro Arbeitskosten). Geht man nun davon aus, dass die zugekauften oder eigenen Produkte mit einem durchschnittlichen Aufschlag von 35 Prozent auf den Einkaufspreis im Automaten angeboten werden, ist ein Jahresumsatz von 6550 Euro geteilt durch 0,35 = 18714 Euro erforderlich, um die Summe der jährlichen Kosten durch den Rohertrag zu decken. Wöchentlich entspricht dies etwa einem Umsatz von 360 Euro. Nur wenn dies am anvisierten Standort realistischerweise erzielbar ist, macht die Investition in einen Verkaufsautomaten Sinn.
Wolfgang Wenzel, Geschäftsführer der
Kornkreis Erzeugergemeinschaft GmbH, stellte verschiedene erfolgreich installierte Verkaufsautomaten vor. Die Einrichtung rustikaler und liebevoll dekorierter Sitzgelegenheiten, wo die Produkte aus dem Automaten vor Ort verzehrt werden können, inspirierte die Zuhörer.
Bio-Musterregion
Im Anschluss an die Vorträge kamen Händler, Erzeuger und Berater ins Gespräch. Es zeigte sich: Eine stärkere Vernetzung der regionalen Vermarktung – dies trifft wohl auf biologische und konventionelle Produkte gleichermaßen zu – würde den Erzeugern und den Händlern zugute kommen. Denn die freien Kapazitäten von Erzeugern und Händlern sind gleichermaßen begrenzt.
Ein großer Schritt in Richtung Vernetzung ist die Bewerbung als Bio-Musterregion, welche die Stadt Freiburg gemeinsam mit den Landkreisen Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald auf den Weg gebracht hat. Das Verfahren läuft; wenn die Bewerbung erfolgreich ist, dann gibt es in Bälde eine öffentliche Förderung für ein regionales Vermarktungs-Gesamtkonzept.