Politik | 04. März 2021

Quo vadis Landwirtschaft: Mehr Markt oder mehr Eingriffe?

Von Agnes Michel-Berger
Die Agrarpolitiker im Landtag hatten bei der BLHV-Onlinediskussion zur Landtagswahl die Möglichkeit, ihre Visionen für die Zukunft der Landwirtschaft aufzuzeigen. Die BBZ hat die wichtigsten Aussagen zur Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Landwirtschaft und zur Zukunftsfähigkeit der Tierhaltung zusammengefasst.
Coronabedingt fand die Diskussion zur Landtagswahl mit den agrarpolitischen Experten der im Landtag vertretenen Parteien per Videokonferenz statt.
Kennen Sie das? Sie wollen Rindfleisch kaufen und der Verkäufer im Supermarkt empfiehlt Ware aus Argentinien als „super Fleisch”, das noch dazu die Hälfte eines heimischen Produktes kostet. Mit dieser persönlichen Erfahrung brachte BLHV-Präsident Werner Räpple das Problem vieler heimischer Landwirte in einer Online-Diskussionsrunde des BLHV am 1. März auf den Punkt.
Die Ansätze der Parteien
Martin Hahn, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, sieht die Lösung in einem Gesellschaftsvertrag, der klarstellt, was alle Seiten von den Landwirten erwarten – und was diese leisten können. Außerdem spricht er sich für eine klare Herkunfts- und Qualitätskennzeichnung bei Lebensmitteln aus. Hahn sagt: „Wir müssen unsere baden-württembergischen Produkte am Markt noch stärker aufwerten. Aber die Bäuerinnen und Bauern müssen davon auch profitieren.”
Patrick Rapp (CDU), Vorsitzender des Arbeitskreises Ländlicher Raum und Verbraucherschutz seiner Fraktion, sieht die Notwendigkeit für Eingriffe in den Markt. Er sagt: „Wir brauchen garantierte Mindestpreise für unsere Lebensmittel, die dann wieder in die Landwirtschaft fließen.” Um Tierwohl und die Ansprüche der Verbraucher unter einen Hut zu bringen, brauche es zudem eine andere Wahrnehmung des Wertes von Lebensmitteln. Dazu gehöre auch, weniger Fleisch, aber von höherer Qualität zu essen.
Klaus Hoher (FDP), Landwirt und stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss Ländlicher Raum und Verbraucherschutz, traut Mindestpreisen nicht, warnt vor „Kommunismus” und sagt: „Ein Mindestpreis für Fleisch nützt gar nichts, wenn er beim Landwirt nicht ankommt.” Am wichtigsten sei für die Landwirte Entbürokratisierung. Die Betriebe müssten wieder in die Lage versetzt werden, von ihrer Arbeit zu leben.
Jonas Weber (SPD), Vorsitzender des Arbeitskreises Ländlicher Raum sowie Verbraucher- und Tierschutzpolitischer Sprecher seiner Fraktion, will, „dass die Verantwortung der Gesellschaft nicht bei den Bauern abgeladen wird” und sich für eine faire Entlohnung für deren Arbeit einsetzen. Mehr Wertschöpfung und Wertschätzung könne es nur geben, wenn auch den vier großen Lebensmittelhändlern in Deutschland Grenzen aufgezeigt würden.
Um das Höfesterben zu beenden, will Udo Stein, agrarpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, in der Gemeinsamen Agrarpolitik mehr Mittel in Baden-Württemberg halten, anstatt sie nach Brüssel zu geben. Er will mehr vor Ort entscheiden und kleineren und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben mehr Förderung gewähren als großen.
Räpple benennt „Entweder – oder”
Deutliche Worte und klare Forderungen an die Politik von BLHV-Präsident Räpple (rechts). Als Moderator der Diskussion mit den Landespolitikern fungierte Benjamin Fiebig, Hauptgeschäftsführer des BLHV (im Bild links).
Werner Räpple forderte in der Diskussion klare Perspektiven von den Politikern ein. Die Gesellschaft müsse sich entscheiden: „Entweder wir gehen den marktwirtschaftlichen Weg. Dann müssen die Auflagen weg und wir hören auf zu sagen, wir würden kleine Betriebe fördern. Oder wir gehen einen anderen Weg, dann kann man die Kleinen aber nicht ungeschützt im Weltmarkt stehen lassen.”
Die viel diskutierte Borchert-Kommission mit ihren Vorschlägen für die zukünftige Tierhaltung ist für Räpple zwar nicht „das Nonplusultra, aber ein sehr interessanter Ansatz”: Hier werde das Dilemma nationaler Auflagen bei internationalen Märkten aufgegriffen. Wenn die Produktion in Deutschland verteuert würde, dann sinke automatisch die Wettbewerbsfähigkeit. Daher müsse auch Importfleisch mit Abgaben belegt werden. „Und da bin ich gespannt, wie die Politik zum Schluss entscheidet”, erklärt der BLHV-Präsident.
Insgesamt fordert er mehr gemeinsame Anstrengungen von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und der regionalen Landwirtschaft. Der BLHV betreibe Dialog mit allen Seiten und bringen eigene Ideen ein. Räpple betont: „Nur so können wir Zielkonflikte lösen.”
Auf der Website, Facebook und Twitter hat der BLHV das Wichtigste  veröffentlicht.