Politik | 26. Juli 2018

Premiere für die Presse auf dem Acker

Von Christa Maier
Landwirte sind nun einmal vom Wetter abhängig, und das haben viele in diesem Jahr wieder recht hart zu spüren bekommen: eines der Themen beim Erntegespräch des BLHV am Dienstag. Erstmals fand es auf freiem Feld statt. Stefan Leichenauer aus Tengen-Uttenhofen bot die Bühne.
Demonstration vor Ort: Die Blühfläche wird von Peter Graf, Ferdinand Nutz, Klaus Mastel, Stefan Leichenauer, Benjamin Fiebig und Werner Räpple (von links) inspiziert und erklärt.
Wo Niederschlag ausblieb, mussten die Ackerbauern massive Ernteverluste hinnehmen. Hohe Temperaturen und trockener Wind dörrten zusätzlich die Böden aus, was zu sichtbarem Trockenstress in den Ackerkulturen führte. Dies und noch einiges mehr konnte die Presse beim Erntegespräch mit BLHV-Präsident Werner Räpple, Hauptgeschäftsführer Benjamin Fiebig, Landwirtschaftsdirektor Klaus Mastel vom Regierungspräsidium Freiburg sowie dem Konstanzer BLHV-Kreisvorsitzenden Peter Graf und dem Tengener BLHV-Ortsvereinsvorsitzenden Ferdinand Nutz in Erfahrung bringen.
Erstmals wurde das Erntegespräch als Open-Air-Veranstaltung auf einem Feld mit Blühstreifen von Ackerbauer und BLHV-Vorstandsmitglied Stefan Leichenauer in Tengen-Uttenhofen ausgerichtet. Das wurde  nicht nur angesichts des Bilderbuchwetters und des lauen Lüftchens in einer Höhe von 800 Metern begrüßt:  Man war direkt „am Ort des Geschehens” und fast mitten in der Arbeit, wie die beiden startbereiten Traktoren neben dem reifen Getreide verdeutlichten.
Landwirt Stefan Leichenauer aus Tengen-Uttenhofen (im Bild seine Mutter Lioba) hat auf insgesamt 6,7 Hektar Blühflächen angelegt. Er ist Mitinitiator der berufsständischen Aktion „Wir machen, dass es summt und brummt”. Passanten können auf dem Schild Näheres darüber erfahren.
Dass es auf einer angrenzenden Fläche summt und brummt und manchmal auch wie im Duftwarenladen riecht, kommt nicht von ungefähr: Es ist eine von mehreren Blühflächen des Betriebs, der in diesem Jahr den Bienen und Insekten einen Blütentisch auf insgesamt 6,7 Hektar gedeckt hat. „Zehn Prozent der Blühfläche sollten immer blühen”, verweist Klaus Mastel auf das erklärte Ziel der FAKT-Maßnahme.
Gut aufgestellter Betrieb
Einen „Crash-Kurs” in Sachen Landbau gab der Tengener Landwirt, der seinen  Familienbetrieb mit 1,5 Arbeitskräften (Betriebsleiter und dessen Mutter) konventionell bewirtschaftet. Von der 160 Hektar  großen Nutzfläche sind 105 Hektar Ackerland und 52 Hektar Grünland, der Rest ist Wald und Hoffläche. Die Wintergerste verfüttert er an seine 55 Mastbullen, alles andere Getreide vermarktet er als Qualitätsgetreide.
Bäcker Knöpfle aus Blumberg nimmt ihm in diesem Jahr 80 Prozent des Weizens ab, im kommenden Jahr sogar den ganzen Weizen. Dinkel liefert er an die Teigwarenfabrik Albgold nach Trochtelfingen. Die Blattert-Mühle in Bonndorf-Wellendingen übernimmt das Mahlen. „Ziel ist es, unser ganzes Getreide in eigenen Silos zu lagern und zu vermarkten, auch wenn dies mit riesigen Investitionen verbunden ist”, sagt Leichenauer.
Seine Schlepper sind inzwischen mit GPS-Systemen ausgestattet, was ihm eine effiziente und punktgenaue Ausbringung von Dünge- und Spritzmitteln erlaubt. So könnten beispielsweise 30 Prozent Düngemittel eingespart werden, eine Überdüngung oder Überlappung sei nicht mehr möglich.  „Das senkt die Kosten”, zeigt er sich von der neuen Technik begeistert. Durch das Spritzen von Spurennährstoffen wie Schwefel, Bittersalz, Magnesium oder Mangan  reduziert er den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, mit der Ausbringung von Biokompost und mit Blühflächen hält er den Humusgehalt auf seinen Flächen  stabil.
Große Spannbreite
„Die Landwirte sind am Puls der Zeit”, zeigte sich Werner Räpple beeindruckt vom Unternehmergeist und der Offenheit gegenüber der Technik von Leichenauer. Die Digitalisierung sieht er auch als Perspektive für die Landwirte, schon im Hinblick auf noch umweltverträglichere Tierbeobachtung und -betreuung. Sein Resümee zur Getreideernte 2018: Trockenheit und ein sehr früher Erntetermin prägten das Jahr.
Die Getreideerträge waren durch die Qualität der Böden und die Niederschlagssituation bestimmt. Wo Regen ausblieb, mussten massive Ernteverluste hingenommen werden. „Die Spannbreite reichte von guten Erträgen bis absolut unbefriedigend”, sagte er.  Insgesamt betrachtet dürften zehn  bis 15 Prozent geringere Erträge erzielt worden sein.
Hoffnungsträger Soja
„Leider spüren die Erzeuger keine auftreibenden Preise”, bedauerte er. Schön sei es, wenn Landwirte wie Stefan Leichenauer Nischen fänden, um die Regionalität nach vorne zu bringen. Der Großteil  müsse jedoch im globalen Markt mit ungeschützten Grenzen mithalten. Klaus Mastel lieferte allgemeine Informationen zum Ackerbau im Land. Den Maiswurzelbohrer stufte er als großes Thema ein. Über die Fruchtfolge solle der Schädling bekämpft werden. So werde die  Sojabohne im Oberrheingraben als Alternative zum Mais angebaut. Vorteil sei, dass gentechnikfreies Soja weg vom Weltmarktpreis über Tofu-Herstellung und Kraftfutter vermarktet werden könne. Beim Gespräch wurde die Situation weiterer Kulturen erörtert.
  • Grünland: Der erste und zweite Schnitt war in den meisten Regionen in Ordnung, wenn genug Regen vorhanden war. Der dritte Aufwuchs falle wegen fehlender Niederschläge weitestgehend aus. Für Weidetiere müsse zusätzliches Futter bereitgestellt werden.
  • Sonderkulturen: Bei den Reben bezeichnete BLHV-Präsident Werner Räpple, selbst Winzer, die Ertragserwartungen als gut.  Es  komme auf den weiteren Witterungsverlauf an. 2018 bezeichnete er als ein starkes Obstjahr in der Menge, jedoch bestehe ein unheimlicher Preisdruck. Als absolut unbefriedigend bezeichnete er das lange Angebot großer Ketten an ausländischen Produkten und den späten Einstieg in die Vermarktung der deutschen Waren: „Dadurch ist viel Ware auf den Feldern kaputtgegangen.” Die Suche nach Saisonarbeitskräften mache die Sache nicht einfacher.
Der geschützte Anbau durch Netze beim Obst oder Dächer bei den Kirschen werde angesichts zunehmender Trockenheit und Starkregenereignissen immer wichtiger, treibe aber auch die Kosten in die Höhe. Eine Risikoversicherung sei notwendig, doch wer diese finanziere, stehe auf einem anderen Blatt. 
Ein  weiteres Thema war die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) mit den aktuellen Reformvorbereitungen. Die Direktzahlungen wurden dabei übereinstimmend von allen Anwesenden als existenziell wichtige Einkommensbestandteile für die landwirtschaftlichen Betriebe eingestuft.