Einen Durchbruch bei der angestrebten Beendigung des Tötens männlicher Küken hat das Bundeslandwirtschaftsministerium gemeldet. Die Geflügelwirtschaft wirft Ministerin Julia Klöckner indes vorschnelles Handeln vor.
Seleggt-Geschäftsführer Dr. Ludger Breloh kündigte an, den Brütereien die Geschlechtsbestimmung als Dienstleistung kostenneutral zur Verfügung stellen zu wollen.
Mit dem von der Rewe-Tochter Seleggt und der Universität Leipzig entwickelten Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Brutei werde Deutschland zum „Vorreiter und Treiber” beim Tierwohl in Europa, sagte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner am 8. November vor Journalisten in Berlin.
Sie räumte zugleich ein, dass zwar die Marktreife, nicht jedoch die Serienreife des neu entwickelten Verfahrens für eine nicht-invasive Geschlechtsbestimmung im Ei erreicht sei. Sobald allen Brütereien die Methode zur Verfügung stehe, gebe es aber keine Rechtfertigung mehr für das Kükentöten, so Klöckner.
Für die hiesigen Brütereien bietet das Verfahren der Ministerin zufolge eine Chance im Wettbewerb. Den Unternehmen werde ermöglicht, weiterhin in Deutschland zu produzieren und gleichzeitig mehr für das Tierwohl zu tun. Ihr Haus habe die Entwicklung von Verfahren zur Geschlechtsbestimmung beim Ei bislang mit fünf Millionen Euro gefördert. Unabhängig davon will Klöckner auch das Zweinutzungshuhn weiter fördern. Die Züchtung brauche aber noch Zeit.
Lizenzgebühren vom Endverkäufer
Seleggt-Geschäftsführer Dr. Ludger Breloh kündigte an,
den Brütereien die Geschlechtsbestimmung als Dienstleistung
kostenneutral zur Verfügung stellen zu wollen. Für die Refinanzierung
werde man eine Lizenzgebühr vom Endverkäufer einfordern. Für den
Verbraucher sei mit einem Zuschlag für entsprechend gekennzeichnete Eier
zu rechnen. Breloh bezifferte die Kosten für die Geschlechtsbestimmung
auf rund 1 Cent pro Stück.
Die REWE Group bietet nach den Worten ihres stellvertretenden
Vorstandsvorsitzenden Jan Kunath diese Eier seit vergangener Woche in
ihren Rewe- und Penny-Märkten in Berlin an. Im Laufe des nächsten Jahres
soll das Angebot nach und nach auf Märkte in ganz Deutschland
ausgedehnt werden. Ab 2020 soll auch ersten Brütereien das
patentrechtlich geschützte Verfahren zur Nutzung angeboten werden.
Breloh zeigte sich optimistisch, dass die Kapazitäten ausreichten, um
den täglichen Bedarf an Bruteiern sukzessive in den nächsten Jahren
abdecken zu können.
Beim Seleggt-Verfahren wird den Angaben zufolge am neunten Bruttag in
die Schale des Bruteies mithilfe eines Lasers ein maximal 0,3 mm kleines
Loch gebrannt. Über dieses wird nichtinvasiv eine sehr geringe Menge
der sogenannten Allantoisflüssigkeit entnommen. Ein Marker zeigt dann
durch Farbumschlag an, ob sich in dem Brutei das geschlechtsspezifische
Hormon Östronsulfat nachweisen lässt. Ist dies der Fall, entwickelt sich
in dem Brutei ein weibliches Küken. Nach der Geschlechtsbestimmung muss
das Brutei nicht verschlossen werden, da sich die innere Eimembran
selbstständig zusammenzieht. Durch die Entwicklung sensiblerer Marker
soll die Bestimmung künftig auch noch früher stattfinden können. Als
Zielmarke nannte Breloh den vierten Bruttag. Außerdem soll der
Verfahrensablauf effizienter werden, damit mehr Eier pro Stunde getestet
werden können.
Rund 100000 Eier pro Tag erforderlich
Für eine Praxistauglichkeit ist laut ZDG-Präsident
Friedrich-Otto Ripke eine Sortierkapazität von rund 100.000 Eiern pro Tag
erforderlich, was derzeit noch nicht gegeben sei. Zudem müsse es
lieferfähige Hersteller geben, die diese Technik zu angemessenen Preisen
flächendeckend für den bundesweiten Einsatz anbieten könnten. „Voreilig
von einer Praxisreife zu sprechen, verkennt die tatsächlichen
Gegebenheiten in der Wirtschaft”, warnte Ripke. Derzeit sei von 3500
Eiern pro Stunde die Rede.
Die Branche sei in höchstem Maße besorgt, dass die Veterinärbehörden
mit der voreiligen Feststellung des Ministeriums das Töten der
Hahnenküken als unbegründet bewerteten, so der ZDG-Präsident. Eine
vorschnelle Äußerung sei damit geeignet, ganze Existenzen der hiesigen
Brütereien aufs Spiel zu setzen.
Der ZDG-Präsident verwies auch auf die ethische Dimension, die mit dem
Verfahren verbunden sei. „Eine Methode, die am dritten Tag misst, wenn
noch kein Embryo erkennbar ist, dürfte mehr Akzeptanz finden als eine,
die am neunten Bruttag detektiert”, so Ripke. Das sei für das künftige
Image der Geflügelwirtschaft nicht ohne Belang. Gerade in einer Phase
schneller Weiterentwicklungen dürfe man nicht auf einen zeitlichen
Wettlauf in Monaten schauen, sondern müsse sich für das am Ende beste
Verfahren entscheiden. Ripke empfiehlt daher, vielversprechenden
Hinweisen aus Kanada und von der Universität Leipzig zur möglichen
spektroskopischen Geschlechtsbestimmung am geschlossenen unversehrten Ei
weiter nachzugehen.