Tierhaltung | 05. Februar 2021

Pläne für den Umbau der Schweinehaltung werden konkreter

Von Petra Ast
Ob es die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, die staatliche Tierwohlkennzeichnung oder die Empfehlungen der Borchert-Kommission sind: Ferkelerzeuger und Mäster stehen vor riesigen Herausforderungen. Auf was sich die Betriebe im Südwesten einstellen müssen, darum ging es bei zwei Online-Seminaren.
Nach Ablauf einer Übergangsfrist von 15 Jahren sollen Sauen aufgrund der geänderten Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung nur noch in Bewegungsbuchten gehalten werden dürfen.
Noch sind die im vergangenen Juli und September beschlossenen Änderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) nicht in Kraft getreten. Mit der Einführung wird allerdings schon demnächst gerechnet. Auch das geplante staatliche Tierwohlkennzeichen befindet sich aktuell noch im Entwurfsstadium, sodass die darin gemachten Vorgaben so lange als vorläufig gelten, bis die Verordnung des Bundes veröffentlicht und in Kraft getreten ist. Und auch bei den Empfehlungen der Borchert-Kommission geht es zunächst um eine Machbarkeitsstudie, die im Februar dieses Jahres vorgestellt werden soll. Doch eines zeigten die beiden inhaltsgleichen Online-Veranstaltungen der LSZ Boxberg und German Genetic Anfang Januar, an der rund 150 Personen teilnahmen: Die Pläne für den Umbau der Schweinehaltung werden konkreter.
„Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und Europa sind um das Wohlergehen der Nutztiere besorgt”, machte Hansjörg Schrade, Direktor der LSZ Boxberg, deutlich. Schweine, Rinder und Geflügel sollen tierschutzgerecht, ressourcenschonend und klimaneutral, sprich mit wenigen Emissionen, gehalten werden. Davon zeugen die Diskussionen um eine staatliche Tierwohlkennzeichnung, das mittlerweile eingeführte vierstufige Haltungskennzeichen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) für Mastschweine und die, wie bei der siebten Änderung der TierSchNutztV inzwischen geschehen, angepassten nationalen Rechtsnormen.
Ganz oben auf der Agenda dürften genau diese einschneidenden Änderungen bei der Verordnung stehen, von denen zunächst Ferkelerzeuger betroffen sein werden. So sieht der Zeitplan vor, dass bis 2024 Betriebs- und Umbaukonzepte für das Deckzentrum vorgelegt oder bis dahin der Ausstieg bekannt gegeben werden muss. Zwei Jahre später, 2026, muss ein Bauantrag für das Deckzentrum vorliegen beziehungsweise der Ausstieg aus der Ferkelerzeugung erfolgt sein. Abgeschlossen sein muss der Umbau des Deckzentrums schließlich 2029, also in acht Jahren. Ein Jahr später, 2030, soll dann Stufe eins der staatlichen Tierwohlkennzeichnung laut den Empfehlungen der Borchert-Kommission zum gesetzlichen Mindeststandard werden.
Wiederum drei Jahre später, 2033, sollen Betriebs- und Umbaukonzepte für den Umbau des Abferkelstalles vorliegen und drei Jahre später, 2036, abgeschlossen sein. Schließlich soll in einem letzten Schritt 2040 die Stufe zwei des staatlichen Tierwohlkennzeichens zum gesetzlichen Mindeststandard werden. „Von heute an haben wir 20 Jahre Zeit, die Schweinehaltung umzubauen. Besonders die Ferkelerzeuger sind davon betroffen, da sie bereits in drei Jahren ein Konzept zur Anpassung des Deckzentrums an die Vorgaben der TierSchNutztV vorlegen müssen”, erläuterte Schrade.
Deckzentrum und Abferkelbereich
Um was es bei der siebten Verordnung zur Änderung der TierSchNutztV im Einzelnen geht, darüber informierte Michaela Mohring-Lutz von der LSZ Boxberg. Die wichtigste Änderung betrifft dabei das Deckzentrum. Nach der achtjährigen Übergangsfrist sollen Sauen und Jungsauen dort nicht mehr im Kastenstand, sondern in Gruppen gehalten werden. Die Sauen dürfen künftig nur noch für den Vorgang der Besamung fixiert werden. Nach der Besamung sollen sie unverzüglich in den Wartestall umgestallt werden. Die dortigen Haltungsanforderungen ändern sich nicht. Für die Zeit vom Absetzen bis zur Besamung ist die Gruppenhaltung geplant. Für diese Phase soll es weitreichende Vorgaben geben:
  • Eine uneingeschränkt nutzbare Fläche von 5 m² pro Sau;
  • davon müssen analog zum Wartebereich 1,3 m² mindestens als Liegefläche mit maximal 15 Prozent Schlitzanteil ausgestattet sein;
  • ein weiterer Teil soll als Aktivitätsbereich genutzt werden können.
  • Für die Sauen sollen ausreichend Rückzugsmöglichkeiten geschaffen werden. Nicht anerkannt werden Fress-Liegebuchten oder sonstige Fressplätze. Alternativ könnten Liegekessel und Ausläufe infrage kommen. Konkrete Angaben fehlen bisher allerdings.
Während der Übergangszeit sollen bestehende Kastenstände sowohl hinsichtlich ihrer Breite als auch ihrer Länge weiter genutzt werden können, wenn sich die Sauen in den Kastenständen nicht verletzen können. Jede Sau muss aber in der Übergangszeit im Kastenstand die Gliedmaßen in Seitenlage ausstrecken können, ohne dass dem ein bauliches Hindernis entgegensteht. Das heißt, dass die Kastenstände so gestaltet sein müssen, dass die Sauen auf der Seite liegen und ihre Beine in den Nachbarstand strecken können. „Sie dürfen dabei nicht an einer Wand anstoßen”, erläuterte Mohring-Lutz.
 Die im Vorfeld viel diskutierte freie Abferkelung entfällt. Im Abferkelstall sollen die Sauen jedoch künftig maximal fünf Tage um die Geburt der Ferkel herum fixiert werden können. Hierfür sollen die Muttertiere nach einer Umstellungsfrist von 15 Jahren nur noch in Bewegungsbuchten gehalten werden, die insgesamt mindestens 6,5 m² groß sein müssen. Bei Härtefällen können die Behörden zwei weitere Jahre Zeit geben. In der Zwischenzeit muss sichergestellt sein, dass die Sauen Kopf und Gliedmaßen in Seitenlage ausstrecken können und genug Platz vorhanden ist, um ein ungehindertes Abferkeln und Geburtshilfe zu ermöglichen. 
Für alle schweinehaltenden Betriebe
Neben den Regeln zur Haltung der Sauen bringt die Verordnung zusätzliche Vorgaben, die alle Schweinehalter betreffen und mit der endgültigen Verkündung der Verordnungsnovelle gelten. Hier die wichtigsten Punkte:
  • Das Beschäftigungsmaterial muss organisch und faserreich sein. Darunter fallen insbesondere Stroh, Heu, Sägemehl oder eine Mischung aus diesen Materialien.
  • Bei der Fütterung wird nur noch zwischen „rationiert” und „ad libitum” unterschieden – die bisherige dritte Variante, die „tagesrationierte Fütterung”, entfällt.
  • Im Aufenthaltsbereich der Schweine darf der Ammoniakgehalt je Kubikmeter Luft 20 Kubikzentimeter nicht überschreiten. Beim Kohlendioxidgehalt sollen es nicht mehr als 3000 Kubikzentimeter und beim Schwefelwasserstoffgehalt nicht mehr als fünf Kubikzentimeter pro Kubikmeter Luft sein. 
Staatliches Label in drei Stufen
Mehr Platz, strukturierte Buchten, schmerzfreie oder Verzicht auf die Kastration: So lassen sich die Eckpfeiler der geplanten staatlichen Tierwohlkennzeichnung, von der seit vergangenem August ein Referentenentwurf vorliegt, zusammenfassen. Im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard sollen die Schweine in der ersten Stufe des Tierwohlkennzeichens im Gewichtsbereich von 50 bis 11 kg 20 % mehr Platz, in der zweiten Stufe 47 % und in der dritten Stufe 91 % mehr Platz haben, erläuterte hierzu Hansjörg Schrade. Außerdem soll laut dem Entwurf in der dritten Stufe des Kennzeichens für alle Tiere, die in Gruppen gehalten werden müssen, ein Auslauf bereitgestellt werden. Einzige Ausnahmen: Abferkelstall und Haltungseinrichtungen außerhalb von Ställen. Für unter 30 kg schwere Tiere sind laut dem LSZ-Leiter bisher keine konkreten Auslaufflächen angegeben worden.
Die Anforderungen an die Buchtenstruktur sollen über erhöhte Ebenen, Mikroklimabereiche, weiche Liegeflächen, Scheuereinrichtungen oder Abkühlvorrichtungen sowie unterschiedliche Lichtverhältnisse erreicht werden. Die betäubungslose Ferkelkastration ist vom Tierwohlkennzeichen ausgeschlossen. Zulässig sind für den Erhalt des Labels nur die Kastration mit wirksamer Schmerzausschaltung. Das Schwanzkupieren soll nur noch in der ersten Stufe für maximal drei Jahre erlaubt sein, verbunden mit einer halbjährlichen Risikoanalyse. In Stufe zwei und drei ist das Schwänzekupieren verboten. Vorgaben für die Fixierung von Sauen im Deckzentrum und Abferkelstall gibt es derzeit noch nicht. Sie sollen erst dann in die staatliche Tierwohlkennzeichnung mit aufgenommen werden, wenn die geänderte Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung in Kraft getreten ist. Das Mindestalter der Saugferkel für das Absetzen wird für die erste Stufe des Kennzeichens auf 25 Tage, in den weiteren beiden Stufen auf 28 und 35 Tage erhöht.
Verpflichtend werden sollen zudem eine halbjährliche betriebliche Eigenkontrolle, eine jährliche Stallklimakontrolle durch einen externen Experten, eine Tränkewasserkontrolle durch eine akkreditierte Einrichtung und die Teilnahme an Tierschutz-Fortbildungen. Innerhalb von drei Jahren sollen Zeichennutzer 24 Stunden Weiterbildung nachweisen.
Netzwerk Fokus Tierwohl
Die beiden Online-Seminare sind Teil des bundesweiten Verbundprojektes „Netzwerk Fokus Tierwohl”, das Landwirtinnen und Landwirten Praxiswissen für eine tierwohlgerechte und nachhaltige Nutztierhaltung vermitteln möchte. Die Interessen Baden-Württembergs vertreten die LSZ Boxberg und das Landwirtschaftliche Zentrum (LAZBW) in Aulendorf. Auf der Internetseite des Bildungs- und Wissenszentrums Boxberg gibt es Informationen zu weiteren geplanten Veranstaltungen: www.lsz-bw.de. Zusätzlich kann man sich dort zu einem Newsletter oder Whatsapp-Newsletter anmelden. Ende Februar stehen weitere Online-Seminare auf dem Programm, bei denen unter anderem Beispiele für zukunftsweisende Haltungssysteme gezeigt werden sollen.
Die vollständigen Präsentationen der Referenten können Sie hier kostenlos herunterladen: