Tierhaltung | 03. November 2020

Hart, weich, Kunststoff oder Beton?

Von Gisela Ehret
Herbstzeit ist Matschzeit: Spätestens jetzt hinterfragen viele Pferdehalter ihre Böden. Denn in der niederschlagsreichen Zeit zeigen sich die Schwächen eines Bodenbelags. Doch die Suche nach der perfekten Lösung gleicht der nach dem Ei des Kolumbus.
Elastisch und trotzdem leicht zu reinigen: TTE-Kunststoffraster, mit Hackschnitzeln verfüllt.
Eines vorweg: Es gibt sie nicht, die eine Lösung für alles. Dafür sind die Anforderungen zu unterschiedlich. Jede Bodenauswahl ist immer ein Abwägen der Bedürfnisse von Tier und Mensch, und am Ende muss man Prioritäten setzen. So wäre ein ausschließlich gepflasterter Auslauf für den Pferdehalter bestens sauberzuhalten, hygienisch und arbeitswirtschaftlich. Für das Pferd jedoch kann ein ausschließlich harter Boden von Nachteil sein, gerade auf großen Bewegungsflächen. Und ökologisch sinnvoll ist eine solche Versiegelung auch nicht, ganz abgesehen von den hohen Kosten.
Das Beispiel zeigt, dass man Kompromisse eingehen muss und die Suche nach Lösungen langwierig ist, weil viele Faktoren in die Entscheidung einfließen. Neben der Pferdefreundlichkeit und der Arbeitswirtschaft spielt nämlich auch der Geldbeutel eine wesentliche Rolle. Für professionelle Bodenbefestigung greift man tief in die Tasche, egal welche Variante gewählt wird.
Bei der Abwägung an erster Stelle stehen die gesetzlichen Vorgaben. So fordern die aktuellen „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten” einen „morastfreien Boden” für „alle Pferde, die ganzjährig oder über einen längeren Zeitraum ganztägig im Auslauf gehalten werden, unabhängig vom Rang” (3.1.3). Achtung: Alle Pferde müssen gleichzeitig auf der matschfreien Fläche stehen können.
Oberstes Gebot: Matschfreiheit
So geht`s nicht weiter: Verschlammter Laufweg
Das Gebot der Matschfreiheit gilt auch für „die Hauptverkehrswege zu den Versorgungs- und Unterstellplätzen, Ausläufe und Kleinausläufe (Paddocks)”. Ob der Boden befestigt sein muss oder ein Naturboden genügt, schreiben die Leitlinien nicht vor. Es wird aber darauf hingewiesen, dass besonders in strapazierten Bereichen ein künstlicher Bodenaufbau nötig sein kann, um die oben genannten Bedingungen zu erreichen.
Die Tretschicht sollte „staubarm, schnell abtrocknend (keine Staunässe), leicht zu säubern und nicht tiefgründig” sein, so die Vorgaben weiter. Ein harter Boden sollte durch Sandareale zum Wälzen und Liegen ergänzt werden – ein Naturboden sollte ohne Grasbewuchs sein, um Sandkoliken zu verhindern, und „alle verwendeten Materialien müssen frei von Schadstoffen und möglichen Verletzungsursachen sein”.
Im Kapitel 3.2 (Stallboden und Einstreu) wird ergänzt: „Der Bodenbelag im Aufenthaltsbereich der Pferde muss trittsicher und rutschfest sein sowie den hygienischen Anforderungen genügen”. Weitere Aspekte, die man bedenken sollte, sind die Auswirkungen auf Gelenke und den Hufabrieb. 
Dem Wetter trotzen
Lochmatten aus Gummi im Fressbereich
Wichtig dabei ist: Diese Anforderungen gelten zu jeder Zeit, bei jedem Wetter. Ein nicht pferdegerechter oder verletzungsträchtiger Boden ist tierschutzrelevant, und sei er nur für einige Tage so. Das gilt es besonders bei Eis und Schnee zu beachten.
Der Boden im Pferdebereich muss also allwettertauglich sein. Bereiche, die das nicht sind, müssen bei Extremwetterlagen (z. B. Dauerregen, Frost) gesperrt werden. Das dient übrigens nicht nur dem Schutz der Pferde, sondern gegebenenfalls auch dem der Pferdebesitzer, Reitschüler und Angestellten, die auf schwierigem Gelände ebenfalls verunglücken können.
In einem gewinnorientierten Unternehmen wie einem Pferdebetrieb müssen neben der Pferdegesundheit weitere Aspekte betrachtet werden. Wo der private Pferdehalter vielleicht keine Mühe scheut und sich mit der Schubkarre durch den Matsch kämpft, muss ein Stallbetreiber arbeitswirtschaftliche Aspekte mitbedenken. Gerade in Gruppenhaltungen wird häufig maschinell entmistet, zum Beispiel mit einer Kehrmaschine oder einem Gummischieber am Frontlader. Das bedeutet, dass der Boden mit schweren Maschinen befahrbar und leicht zu reinigen sein muss.
Zudem sollte eine Investition in einen guten Boden möglichst von Dauer sein, sodass sie über viele Jahre hinweg abgeschrieben werden kann. Muss man den Belag schon nach drei, vier Jahren ersetzen, hat man nichts gewonnen. 
Funktionsbereiche
Auch wenn viele Anforderungen allgemein gültig sind, gilt: Auslauf ist nicht gleich Auslauf. Es macht einen Unterschied, ob man einen Boden für einen Paddock plant, auf dem die Pferde temporär tagsüber laufen gelassen werden, oder ob man einen Offenstall oder gar einen Bewegungsstall betreibt.
Im Paddock sollen die Pferde ihrem Bewegungsdrang nachkommen, also auch traben und galoppieren können. Man braucht also eine elastische, federnde Tretschicht. Im Bewegungsstall dagegen gibt es verschiedene Funktionsbereiche, in denen sich die Pferde unterschiedlich lange aufhalten und in unterschiedlichen Gangarten bewegen.
Dr. Tanja Romanazzi ist Eigentümerin eines Pensionsstalls mit knapp 90 Einstellern und berät seit vielen Jahren Betriebsleiter bei der Planung von Offenställen. Sie kennt das Sortiment an zur Verfügung stehenden Materialien bestens und berichtet: „Im Paddockbau kommt man um Sand nicht herum. Er ist die Tretschicht schlechthin.” 
Sand und Hackschnitzel
Sand als Tretschicht lädt zum Liegen und Wälzen ein.
Sand ist relativ preisgünstig, nur bei starkem Frost leider nicht mehr nutzbar. Eventuell können auch Hackschnitzel eine Alternative sein, findet Romanazzi: „Sie sind ein bisschen in Verruf geraten, weil sie schnell verrotten. Aber das liegt oft daran, dass der Unterbau nicht gut gemacht ist.”
Hackschnitzel brauchen eine gute Trennschicht und einen guten Wasserablauf, um lange haltbar zu bleiben. Aber ihr großer Vorteil ist, dass sie nicht so schnell gefrieren wie Sand. Auch im Liegebereich bevorzugen Pferde ihrer Erfahrung nach Hackschnitzel gegenüber Sand, sobald es nass oder frostig wird.
Eine ganz andere Ausgangssituation gibt es in einem Bewegungsstall. Hier empfiehlt sich eine Mischung aus unterschiedlichen Böden. Während an den stark frequentierten Stellen höchste Priorität die einfache Sauberhaltung und somit ein ebener Boden ist, gibt es weniger frequentierte Bereiche, in denen man mit Naturboden, lockeren Belägen oder Schotter experimentieren kann. Gerade Bewegungsställe mit Rundläufen, sogenannte Paddock Trails, haben oft viele hundert Meter Laufwege, die nur vereinzelt von Pferden begangen werden, dann aber teils auch in schnelleren Gangarten. 
Nur Hauptlaufwege befestigen
Manchmal reicht es, nur Hauptlaufwege zu befestigen.
Hier ist eine aufwendige, flächige Befestigung oft nicht notwendig. Romanazzi empfiehlt, aus ökologischen und ökonomischen Gründen nicht alles „zuzupflastern”, sondern sich zu überlegen: Was sind die Hauptlaufwege? Wo kann ich auch Sachen unbefestigt lassen? Sie hat gute Erfahrungen mit dem Anlegen von befestigten Pfaden aus Kunststoffrastern gemacht. „Solange der Hauptlaufweg befestigt ist, vermatscht nicht die ganze Fläche. Die Pferde nutzen dann die befestigten Flächen, sobald es nass wird”, berichtet sie.
Der am stärksten frequentierte Bereich ist ohne Zweifel der Fressbereich. Hier verbringen die Pferde einen großen Teil des Tages. Dementsprechend fallen hier auch die meisten Pferdeäpfel an.
Gleichzeitig muss der Bereich häufig mit dem Hoflader oder Traktor befahren werden, um die Heuraufen aufzufüllen. Die Belastung ist also groß und der Verschmutzungsgrad hoch. Außerdem gibt es häufig Rangeleien, die zu schnellen Bewegungen der Pferde führen können. Der Boden muss also belastbar und robust sein, gleichzeitig aber absolut rutschsicher und leicht sauberzuhalten.
Im Fressbereich ebene Oberflächen
Günstige und ohne tragfähigen Unterbau verlegte Raster bilden bei Belastung häufig Spurrillen.
Ebene und eher harte Materialien wie Kunststoffraster oder Betonelemente bieten sich an. Sie können mit einem Schieber oder einer Kehrmaschine gereinigt werden. Romanazzi tendiert eher zu den Kunststoffrastern, die gegenüber dem harten Beton mehr Elastizität bieten. Allerdings sollte man im Fressbereich Raster mit offener Oberfläche verwenden, die im Gegensatz zu den (teil-)geschlossenen nicht so rutschig werden. Denn eine Tretschicht macht hier keinen Sinn: „Die haben Sie innerhalb kürzester Zeit wieder weggeäppelt”, erklärt Romanazzi.
Bei Kunststoffrastern gibt es große Qualitätsunterschiede, die sich besonders in der Stärke der Gitterelemente zeigen. „Bei den dünneren Rastern muss man vermehrt auf einen guten Unterbau achten”, betont Romanazzi. Auch wenn diese Raster seit vielen Jahren im Pferdebereich bewährt sind und es viele Anbieter auf dem Markt gibt, kommt es insbesondere bei falscher Verlegung immer wieder zu schlechten Erfahrungen mit diesen Produkten.
„Das Hauptproblem ist häufig die extreme Belastung grade im Futterbereich. Hier versagen die Raster, wenn der Boden nicht tragfähig genug ist oder der Unterbau nicht ordentlich gemacht wurde. Dann können sich die Raster ungleich absenken und Kuhlen entstehen”, erklärt die Expertin.
Auf die Qualität achten
Ein anderes Problem, das häufig gerade bei oben geschlossenen Rastern auftritt, ist, dass im Laufe der Jahre die Oberfläche zu rutschig wird. „Auch wenn die meisten Raster heutzutage eine Noppenstruktur haben, werden sie unter der starken Belastung doch abgenutzt.”
Bei allen Kunststoffprodukten gilt der Ökologie zuliebe und um der Freisetzung von Schadstoffen vorzubeugen: Nur Produkte nehmen, die ein entsprechendes Zertifikat auf Belastung haben. „Die namhaften Hersteller haben diesen Nachweis und nehmen Recycling-Kunststoff”, weiß Romanazzi.
Varianten aus Gummi
Lochmatten werden mit Feinkies verfüllt.
Neben den Kunststoffgittern bieten manche Hersteller im Pferdebereich auch gelochte Matten aus Vollgummi an. Diese Matten haben ein Noppenprofil und werden mit Sand oder Mineralgemisch verfüllt. Sie sollen mit oder ohne Tretschicht verwendet und auch maschinell abgemistet werden können.
Die Matten werden, anders als die Gitter, nicht miteinander verzahnt, sondern Stoß an Stoß in ein Bett aus Splitt verlegt. Dadurch ergibt sich ein sehr federnder, gelenkschonender Boden.
Wasserdurchlässige Produkte aus Gummigranulat, die es in Puzzleform oder als Pflastersteine gibt, sind für den Fressbereich nicht zu empfehlen. Sie sind nicht befahrbar und auch nicht so gut sauberzuhalten. Romanazzi warnt außerdem: Bei abrupten Bewegungen ist die Haftung am Boden unter Umständen zu stark: Der Körper dreht sich, der Huf kann sich nicht mitdrehen.

Low-Budget-Lösung
Kunstrasen kann in manchen Bereichen eine günstige Alternative sein.
Angesichts der hohen Ausgaben für gute Bodenbefestigung fragen sich viele Pferdehalter: Gibt es nicht auch eine kostengünstige Lösung, die tatsächlich funktioniert? In den letzten Jahren ist gebrauchter Kunstrasen in Mode gekommen. Dieser ist oft günstig zu bekommen.
„Allerdings ist frisch ausgebauter Kunstrasen extrem schwer, weil er besandet ist. Der Transport und das Verlegen sind dann sehr mühsam, dafür liegt er nach dem Verlegen sehr stabil”, berichtet Romanazzi.
Es gebe auch Firmen, die entsandeten Kunstrasen verkaufen. Hier ist das Verlegen viel einfacher. Allerdings bekommt man den Sand hinterher in Eigenregie nicht wieder so gut eingearbeitet wie die Maschinen im Sportplatzbau. „Dieser Rasen wirft eher mal Falten oder kommt hoch.”
Generell funktioniert Kunstrasen Romanazzis Erfahrung nach sehr gut dort, wo nicht so viel Belastung ist, wie auf den Laufwegen eines Paddocktrails oder dem Liegeplatz, weniger jedoch an den Heuraufen. Genau wie Kunststoffraster bildet er bei schlechtem Unterbau gerne mal Kuhlen. Nicht zu empfehlen sind Kunstrasen mit Gummigranulatfüllung. Und auch der nur besandete Kunstrasen wirft ökologische Fragezeichen auf: Wird aus den Halmen Mikroplastik freigesetzt, und nimmt man das in Kauf? Wie wird das Ganze hinterher entsorgt? Mit diesen Fragen muss man sich frühzeitig auseinandersetzen.