Auf kleinen Flächen viel Bewegung
Von Ulrike Amler
Mit der zunehmenden Nachfrage nach verhaltensgerechten Haltungsformen für Pferde haben Pensionspferdebetriebe interessante Lösungen für Bewegungsställe entwickelt. Der Paddock Trail bietet hier höchste Anpassungsfähigkeit und maximalen Tierkomfort auch bei schwierigen Flächenverhältnissen.
Auf dem 740m langen Rundweg haben die Pferde auch steile Anstiege zu bewältigen.
Als Gisela Ehret vor zwei Jahren vor der Entscheidung
stand, den elterlichen Betrieb in Merzhausen am Stadtrand von Freiburg zu
übernehmen und im Nebenerwerb weiterzuführen, war die Agrarwissenschaftlerin
„offen für alles”, wie sie sagt. Lediglich zum Weinbau, den die Eltern
betrieben hatten, habe sie nie Bezug gefunden. Die neue Betriebsausrichtung
musste zur schwierigen betrieblichen Lage des ehemaligen Weinbau- und
Mutterkuhbetriebes passen: Geringe Flächenausstattung von lediglich rund fünf
Hektar Grünland, davon 2 direkt am Hof, eingebettet in Steillagen. Auch ihr
Mann, Bäckermeister und die Stütze in handwerklichen Fragen, sollte sich damit
identifizieren können. Die Entscheidung fiel auf die Pensionspferdehaltung, weil
so die hofnahen, sehr steilen und ökologisch wertvollen Magerrasenflächen
sinnvoll genutzt werden konnten. Gisela Ehret selbst hält seit 17 Jahren Pferde
und in der Nähe zur Großstadt mit sehr gutem Anschluss an den öffentlichen
Nahverkehr liegt eine gute Chance. Nur zehn Autominuten vom Hauptbahnhof
Freiburg und einen Wimpernschlag vom Freiburger Öko-Viertel Vauban entfernt,
liegt der Aussiedlerhof ausgesprochen kundenfreundlich. Das Konzept ziehe
gerade aus diesem alternativen Umfeld Freiburgs Leute an, die Wert auf eine
artgerechte Haltung legen, ist Gisela Ehret überzeugt.
Der Lehhaldehof liegt als Aussiedlerhof am Rand von Freiburg zwischen Rebhängen.
Die Boxenhaltung kam aus Gründen des Tierwohls auch für
die 30jährige gelernte Tierpflegerin nicht in Frage und Paddock-Boxen hätten
sich aufgrund der geringen Hoffläche in extrem schwierigen topografischen
Verhältnissen nur unter erheblichem finanziellen Aufwand realisieren lassen.
Hinzu kam, dass der Hof keinen Platz für einen großen Reitplatz oder eine Halle
bot, wie sie die Kunden solcher Haltungssysteme voraussetzen. Das ist ein
wesentlicher Nachteil im Wettbewerb. Lediglich ein 15 x 30 Meter großer Sandplatz,
Teil des Tracks, dient heute als Reitplatz für die 12 Einsteller. Nur durch
Zufall stieß Ehret bei der Internetrecherche auf das Konzept des Paddock
Trails.
Laufen, laufen, laufen
Pferde legen auf der
Suche nach Futter, Wasser, Schlaf- und Ruheplätzen in freier Wildbahn täglich
viele Kilometer auf Pfaden mit unterschiedlichstem Untergrund zurück. Aus
diesem Lebensrhythmus haben sich die gesundheitlichen Grundbedürfnisse der
Huftiere entwickelt. Gängige Haltungssysteme in Boxen, Paddock-Boxen oder Ein-
und Mehrraumgruppenhaltungen erfüllen diese Bewegungsansprüche nicht, weil den
Tieren alle Funktionsbereiche auf kleinster Fläche angeboten werden und so Bewegungsanreize
fehlen. Seine Beobachtungen von Pferden in freier Wildbahn hat der
amerikanische Hufschmied Jamie Jackson in seinem Buch „Paddock Paradise - a Guide
to Natural Horse Boarding” zusammengefasst. Jackson entwickelte daraus das mittlerweile
urheberrechtlich geschützte Konzept des Paddock Paradise, das hierzulande auch unter
dem Begriff Paddock Trail bekannt ist. Wesentliches Merkmal ist der sogenannte
Track, ein drei bis fünf Meter breiter Laufgang, der um die Weidefläche
herumführt oder diese auch quert. Spitze oder rechtwinklige Kanten des Tracks
werden an der Innenseite flach abgesteckt, so dass die Pferde ihn auch in
schnellen Gangarten gemeinsam passieren können. Am Track liegen in weitem
Abstand voneinander Futterplätze, Tränken, Lecksteine, der Stall oder
Unterstände ausschließlich zum Ruhen sowie Zonen, die Pferde als
Aussichtspunkte zum Sichern der Umgebung nutzen können. Sackgassen darf
Auf dem Weg zur Tränke müssen die Pferde eine Wasserfurt durchqueren.
der
Track allerdings nicht aufweisen. Er besteht aus verschiedenen Untergründen wie
Naturboden, Schotter, Sand, Wasserdurchläufen oder befestigten Bereichen mit
Pflaster, Paddock-Platten oder Kunstrasen. Das fördert die Hufgesundheit,
simuliert den beim Reiten anzutreffenden Untergrund im Gelände und stimuliert
dadurch die angepasste Hufentwicklung von Barhufpferden. Naturnahe Hindernisse
wie Steigungen oder Gefälle, Absätze, Wurzeln in Waldabschnitten oder
Baumstämme, die die Pferde auf ihren täglichen Wanderungen über den Track
bewältigen müssen, trainieren die Körperkoordination, die Trittsicherheit und steigern
die Fitness der Tiere. Damit bietet diese Haltungsform auch ideale Bedingungen
für Jungpferde, Rentner und unreitbare Pferde, sofern der Tierarzt sein O.k.
gibt. Zwischen den Stühlen der Behörden
Für die Agrarwissenschaftlerin Gisela Ehret steht das Pferdewohl an erster Stelle.
Auf die innovativen Ideen und eine intensive Planungsphase, die stets das
Pferdewohl, aber auch Investitionskosten, die Wirtschaftlichkeit und den
Arbeitszeitbedarf im Fokus hatte, folgte mit der Antragstellung auf
Nutzungsänderung bei den zuständigen Behörden eine weitere Herausforderung.
Anspruchsvoll waren vor allem die Einwände der unteren Naturschutzbehörde, die
möglichst geringe Eingriffe im sensiblen Magerrasen am Steilhang sowie am
Waldsaum forderte. Außerdem sollten die Einfriedungen des Tracks sich möglichst
gut in das Landschaftsbild einfügen. Das Veterinäramt hätte dagegen gerne
Holzzäune ohne Strom gesehen, da laut „Leitlinien zur Beurteilung von
Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten” Kleinausläufe nicht
elektrifiziert sein sollen. Bei 740 Metern Paddock-Länge sei das aber gar nicht
finanzierbar, erzählt Ehret. Während die untere Naturschutzbehörde zum
Ausgleich für den Track Ausgleichspflanzungen von Hecken unterhalb der drei
Heuraufen als Sichtschutz forderte, genießen gerade die Passanten auf dem
angrenzenden Fußweg es, die Pferde auf dem Track zu beobachten. Letztlich
konnten jedoch zusammen mit einem Landschaftsplanungsbüro Kompromisse
geschlossen werden, mit denen die Genehmigungsbehörden ebenso leben können wie
die Pensionsstallbetreiberin und vor allem die dort lebenden Pferde. Als
Eingrenzung werden nun grüne und braune Weidezaunbänder verwendet. Zum
Ausgleich für die Eingriffe wandelt Ehret eine ehemalige Rebfläche in eine
Magerwiese um und pflanzte einige Obstbäume.
Die Heuraufen für die ad-libitum-Fütterung konstruierte das Betriebsleiterpaar selbst.
Der Wegebau wurde an eine Gartenbaufirma vergeben und in viel
Eigenleistung haben Gisela und Sebastian Ehret Zäune gezogen, Heuraufen selbst
konstruiert und die Flächen darum mit Paddock-Platten befestigt. Manch
empfindliche und von Erosion bedrohte Stelle auf dem Track wurde aufwendig
geschottert, andere mit ausgebautem Kunstrasen aus dem Sportplatzbau belegt,
wenngleich der grundsätzlich geeignete Belag an stark freuentierten Stellen
Falten wirft. Die Tränke und der Wasserdurchlauf werden von einer Quelle im
Hang gespeist. Den alten Stall aus der Zeit der Mutterkuhhaltung mit rund 150
Quadratmetern überdachter Fläche haben Ehrets zur Liegehalle ausgebaut, die die
Pferde immer wieder gemeinsam zum Ruhen, bei großer Hitze und Schmuddelwetter
aufsuchen. Futter oder Tränkeeinrichtungen in Stallnähe sind bei diesem
Haltungssystem tabu, denn den Pferden würde so der Anreiz zum Laufen genommen
und der führt in Merzhausen vom Bett zum Tisch über Berg und Tal.
Volle Warteliste
Um den Investitionen
von etwa 110000 Euro rasch Einnahmen folgen zu lassen, startete Ehret schon
früh mit dem Marketing. Durch die Homepage des Hofes und eine Facebook-Seite,
auf der sie die Baufortschritte des Vorhabens regelmäßig dokumentierte, hatte
sie rasch um die zwanzig Interessenten auf der Warteliste für die zwölf
genehmigten Stallplätze. Noch in der Bauphase zogen die ersten eiligen
Interessenten, die sich nicht abschrecken ließen, ein. Ab Mai 2015 wurden alle paar
Wochen zwischen einem und drei neuen Pferden gleichzeitig eingegliedert. In
diesem Frühjahr zogen die letzten zwei Pferde ein. Die Warteliste der
Pensionsstallbetreiberin ist seither wegen Überfüllung geschlossen. Ausgezogen
ist seit dem Bezug des Stalles niemand mehr.
Aus dem ehemaligen Kuhstall wurde die Liegehalle.
Mit einem Pensionspreis von 330 €/Monat spielt Ehret durchaus
in der Liga von Pferdebetrieben mit Halle oder großem Außenplatz in der Region.
Doch die kalkulierten 42 Arbeitsstunden kompetenter und
verhaltensgerechter Tierversorgung pro
Pferd und Jahr könnten nicht günstiger sein, nur weil sich die Pferde viel
draußen aufhielten oder die Kundschaft vorwiegend aus Freizeitreitern, aber
weniger Turnierreitern bestünde, so Ehret. Der Aufwand müsse entsprechend
entlohnt sein.Aufwändig ist auch die tägliche Entmistung des
Paddock-Trails. Hier unterstützt ein Pferdeäpfelsammler mit Kehrbürsten (Tow
and Collect Mini 700) im Schlepp eines UTV’s (CFMOTO U-Force 800) die Mutter
einer neun Monate alten Tochter. Das Gespann spart zwar nach Einschätzung von
Gisela Ehret nicht so viel Zeit gegenüber dem manuellen Misten, aber dafür umso
mehr Körperkraft in dem steilen und weitläufigen Gelände. Nur im Winter bei
extremem Schnee oder Matsch kommt das Gespann nur noch auf den befestigten
Wegen voran.
Ehret nimmt aus Rücksicht auf die Pferde nur Stuten und
Wallache mit Herdenerfahrung. Rentnerpferde müssen gesundheitlich noch in der
Lage sein, das anspruchsvolle Gelände im Herdenverband zu bewältigen. Die
Eingliederung erfolgt nur während der Weidesaison zwischen Mai und Oktober,
wenn die neuen Pferde den Trail in Ruhe erkunden können, während die Herde für
ein paar Stunden auf der Weide ist. Außerdem dürfen auf dem Lehhaldehof nur
Pferde ohne Eisen oder mit Kunststoffbeschlag einziehen. „Wegen der
grundsätzlichen Verletzungsgefahr”, meint Ehret. Außerdem sei das ursprüngliche
Ziel dieses vom amerikanischen Hufschmied Jamie Jackson entwickelten
Haltungssystem ja die Entwicklung eines gesunden Barhufes.
Der Waldabschnitt spendet Schatten. Die Wurzeln fördern die Trittsicherheit der Pferde.
Das Bewegungskonzept ist aus Ehrets Sicht aufgegangen. „Die
Dicken stehen natürlich eher an der Raufe und ich bin mir nicht sicher, ob sich
Heu ad libitum langfristig bewährt”, analysiert die Agrarwissenschaftlerin
kritisch. „Aber die Pferde gehen mittlerweile auch mal in kleinen Gruppen oder
alleine wandern. Die Hochblütigen rennen auch gerne mal oder gehen auf den
Reitplatz zum Spielen.” Den besten Beweis für die Vorteile dieser Haltung hat
die Betriebsleiterin an ihrem Haflinger, der unter Arthrose leidet: „Ihn kann
ich seit dem Umzug in den Paddock Trail wieder in allen Gangarten reiten”,
meint die Betriebsleiterin, die nebenher bei der BBZ als Redakteurin arbeitet. „Mir
ist es wichtig, dass es den Pferden gut geht”, betont sie. Den Stall habe sie hauptsächlich
für die Pferde gebaut: „Weil ich finde, dass diese Haltung artgerecht ist.”