Politik | 11. August 2022

Özdemir lenkt bei der Pflicht zur Flächenstilllegung ein

Von AgE
Der Bundeslandwirtschaftsminister hat am vergangenen Wochenende den Ländern vorgeschlagen, im kommenden Jahr sowohl die verpflichtende Flächenstilllegung als auch die Fruchtfolgeregelung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU auszusetzen.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium geht davon aus, dass durch den einmaligen Wegfall der Stilllegungspflicht etwa 600000 bis eine Million Tonnen Getreide zusätzlich produziert werden können.
Das Einlenken von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir bei Stilllegung und Fruchtwechsel ist erwartungsgemäß gemischt aufgenommen worden.
„Überfällig und in letzter Minute”
Während der Deutsche Bauernverband (DBV) die Entscheidung des Ministers begrüßte und „überfällig” nannte, warfen Umweltverbände wie Greenpeace Özdemir vor, mit der Freigabe von Brachflächen zum Brotgetreideanbau dem Druck der „Agrarlobby” nachgegeben zu haben.
Nach den Worten von DBV-Präsident Joachim Rukwied kam die Entscheidung Özdemirs „in letzter Minute”. Er wies darauf hin, dass die Bauern bereits mit der Anbauplanung für das kommende Jahr begonnen hätten und Planungssicherheit brauchten. Eine Aussetzung für nur ein Jahr hält Rukwied deshalb für „sicherlich nicht ausreichend”. Um weiterhin eine sichere Lebensmittelversorgung gewährleisten und in Krisenzeiten reagieren zu können, müssten die Bauern alle Flächen nutzen können, auf denen es landwirtschaftlich sinnvoll sei. „Die Bundesländer müssen dies jetzt zügig bestätigen”, forderte der DBV-Präsident.
Matthias Lambrecht, Landwirtschaftsreferent  von Greenpeace, monierte hingegen, dass die ohnehin viel zu geringen Flächen zum Schutz der Artenvielfalt in der Landwirtschaft wirtschaftlichen Interessen geopfert werden sollen. Nach seiner Auffassung ist die Ernährungssicherung in Kriegszeiten nur ein Vorwand, um wertvolle Biotope unterzupflügen. Dort angebauter Weizen werde erst im nächsten Jahr und zudem in nicht ausreichender Menge zur Verfügung stehen, um der akuten globalen Hungerkrise wirkungsvoll zu begegnen. Sinnvoller wäre Lambrecht zufolge ein konsequenter Ausstieg aus der Produktion von Biosprit.
„Es ist gut, dass Cem Özdemir letztlich erkannt hat, wie ernst die globale Hungerkrise ist und dass Landwirten jetzt ermöglicht werden soll, mehr Getreide anzubauen”, konstatierte hingegen die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Carina Konrad. Nun müssten die Regelungen schnell und rechtssicher umgesetzt werden, denn auf den Äckern stehe die Aussaat unmittelbar bevor, mahnte Konrad.
Mais und Soja sollen ausgeschlossen bleiben
Özdemir hatte den Ländern am Wochenende vorgeschlagen, die erstmalige verpflichtende Flächenstilllegung im kommenden Jahr auszusetzen. Stattdessen soll weiterhin ein landwirtschaftlicher Anbau möglich sein, allerdings nur von Halmgetreide, Sonnenblumen und Hülsenfrüchten. Ausgeschlossen bleiben sollen Mais und Soja. Zudem soll die Regelung nur für solche Flächen gelten, die nicht bereits 2021 und 2022 als brachliegendes Ackerland ausgewiesen waren.
Der Minister geht unter diesen Voraussetzungen davon aus, dass damit etwa 100000  bis 180000 Hektar Acker weiterhin für die Getreideproduktion zur Verfügung stehen. Damit könnten etwa 600000  bis eine Million Tonnen Getreide zusätzlich produziert werden. Zugleich würden die bestehenden Artenvielfaltsflächen weiterhin geschützt und könnten ihre Leistung für den Natur- und Artenschutz sowie eine nachhaltige Landwirtschaft erbringen.
Auch die Regelung zum Fruchtwechsel soll laut dem Minister einmalig ausgesetzt werden. Damit könnten die Landwirte in Deutschland auch im Jahr 2023 Weizen nach Weizen anbauen. In den Vorjahren war dies auf etwa 380000 Hektar der Fall gewesen. Dies würde die zusätzliche Erzeugung von bis zu 3,4 Millionen Tonnen Weizen ermöglichen.