Obstkultur im Ländle
Die Landschaft prägt auch den Menschen und seine Kultur. Wo auf guten Böden bei warmem Klima alles fast wie von selbst gedeiht, lässt es sich gut leben und lustig sein. Der Alltag spielt sich im Freien ab und Geselligkeit ist Trumpf. Anders dagegen in rauen Gegenden, wo der Boden mühsam von Steinen befreit werden muss, um etwas anbauen zu können. Wo oft kühle Temperaturen herrschen, sodass erst ein wärmender Ofen Behaglichkeit ausstrahlt, ist es nicht verwunderlich, wenn die Bewohner etwas verschlossener sind und mit ihren Erzeugnissen sparsam umgehen.
Aber generell gilt: Der Most wird in Gesellschaft genossen – da steht er dem Wein in nichts nach. Und gesellige Menschen genießen das Leben.
Mit dem Wirtschaftswunder und steigendem Wohlstand auch auf dem Land übernahm das Bier immer mehr die Rolle des Mostes und seine Mengen gingen zurück. Inzwischen hat sich das Blatt wieder gewendet. Es wird zwar nach wie vor weniger Most als Bier konsumiert, aber das Interesse an der Herstellung eines guten eigenen Saftes oder Mostes steigt.
Man kann die Äpfel und Birnen nicht nur bei Fruchtsaftherstellern abliefern, um sich Geld auszahlen zu lassen oder im Gegenzug ein Saftkontingent gutgeschrieben zu bekommen. Viel Saft wird heute auch in der Mosterei erhitzt und unvergoren in doppelwandige Folienbeutel im Bag-in-Box-Verfahren abgefüllt. Viele kleine Mostereien im Land bieten inzwischen diese Dienstleistung an.
Aus dem Obst lassen sich auch andere delikate Produkte für den eigenen Bedarf herstellen, zum Beispiel knackig-leckere Apfelchips mithilfe eines Apfelschälers und eines Dörrapparates – das geht mit wenig Aufwand. Damit kann die große Obstschwemme in haltbare Formen gebracht und das ganze Jahr über genossen werden.
Haltbar sind auch die hochprozentigen Obstprodukte. Baden-Württemberg ist das Land der Kleinbrenner – die meisten der 29000 deutschen Kleinbrenner sind in Baden-Württemberg beheimatet. Sie sind für den Erhalt der Obstwiesen von entscheidender Bedeutung, verarbeiten sie doch etwa ein Viertel des Obstes zu Industriealkohol oder edlen Spirituosen.
So hat beispielsweise die Vegetationszeit 2018 bei den Äpfeln in den Streuobstwiesen mit einem starken Befall durch Gespinstmotten begonnen. Den gesamten Sommer über war es zu trocken und zeitweise auch zu heiß, sodass nicht nur die Gärten, sondern auch die Streuobstwiesen und Wälder unter Stress litten und bis heute leiden müssen. Den ganzen Sommer über konnten sich die Apfelwickler gut vermehren, regional waren fast alle Äpfel madig – während die Pflaumen so madenfrei waren wie schon lange nicht mehr.
Für die Obstbäume hatte die trockene Witterung aber auch Vorteile. Der Infektionsdruck durch Pilze wie Schorf und Mehltau war gering.
Es ist verwunderlich, dass aufs Ganze gesehen in der Obstsaison 2018 Fruchtgrößen und Saftausbeute zufriedenstellend bis gut ausgefallen sind. Denn in Verbindung mit dem außerordentlich hohen Ertrag hat die trockene Hitze die Bäume an ihre Leistungsgrenze gebracht. Wenn der Wassermangel andauert, besteht die Gefahr, dass die Bäume deutlich geschwächt in den Winter gehen. Kommt es dann im Frühjahr noch zu Spätfrösten, wird es äußerst kritisch. Daher wäre ein nasser Herbst und ein schneereicher Winter wünschenswert – nicht nur für die Bäume, auch für die Grundwasserreserven.
nigen. Der Obstpreis lag aber bereits damals bei 3,10 bis 5,50 Mark pro Zentner, für besonders gesuchte Obstsorten wie die Champagner Bratbirne wurden bis zu 9,50 Mark für 50 Kilogramm ausbezahlt.
Wer heute die Elterngeneration auf ihre Verbindung zum Obstbau anspricht, erhält sehr unterschiedliche Antworten. Manche erinnern sich an beglückende Erlebnisse mit dem Opa, dem seine Obstbäume ganz besonders am Herzen lagen. Man denkt an Goldparmänen, Rosenäpfel und ans Veredeln oder „Zweien”. Aber andere wissen vor allem von mühsamer Arbeit und einem schmerzenden Rücken zu berichten. Anstelle der früher vorherrschenden Ernährungssicherung stehen für Gütlesbesitzer heute oft ganz andere Aspekte im Vordergrund. Manchmal sind die Obstwiesen nur noch zum Feiern von Festen attraktiv. Oder sie dienen der intensiven Beobachtung von Vögeln mit dem Fernglas. Oder man setzt sich einfach nur so unter einen blühenden Baum und schaut den Bienen und Hummeln bei der Arbeit zu.
All das kann von der sonst so hektischen Betriebsamkeit im Alltag der modernen Menschen eine willkommene Abwechslung bieten. Selbst vordergründig anstrengende Arbeiten wie der Baumschnitt oder das Mähen können nach einem anstrengenden Tag als Ausgleich erlebt werden, wenn man die Sache positiv angeht. Selbst das mühsame Auflesen des Obstes kann gemeinsam mit Kindern und Freunden vor einem genüsslichen Picknick zum familiären Erlebnis werden. Obstwiesen bieten auch heute Genuss und Erholung. Für die Zukunft des Streuobstbaus ist es wichtig, dass wir umdenken und unsere Sichtweise ändern. Der dem Menschen angeborene Wunsch nach Kontakt mit der Natur, Bewegung und Begegnung kann eine neue Chance für unsere Obstgärten sein.