Politik | 04. Juni 2020

Nicht alles auf der Landwirtschaft abladen

Von AgE
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner warnt davor, die Agrarpolitik mit umweltpolitischen Forderungen zu überfrachten. Aus aktuellem Anlass zielt sie dabei auch auf Kollegin Svenja Schulze vom Umweltministerium, die mit ihrem „Bericht zur Lage der Natur” erneut Bauern ärgerte.
Schwarz und Rot sind sich in Sachen Landwirtschaft nicht grün: Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat Kritik geübt ...
„Es ist für mich keine Frage, dass sich unsere Landwirte gesellschaftlichen Erwartungen stellen müssen”, sagt Klöckner im Interview mit dem Fachpressedienst Agra-Europe. Sie verlange aber, dass die Aufgaben im Umwelt- und Klimaschutz „auf verschiedene Schultern verteilt und nicht allein auf der Landwirtschaft abgeladen werden”.
Kritisch bewertet die Ministerin insbesondere die derzeitige Diskussion um die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nach 2020. „Reflexartig” würden alle möglichen Forderungen an die Landwirtschaft herangetragen, die sie aus dem begrenzten Agrarhaushalt erfüllen solle. Die GAP könne jedoch kein „Steinbruch für jede einzelne Spielwiese außerhalb der Landwirtschaft” sein.  Zudem bleibe außer acht, dass die Richtung stimme, die die Landwirtschaft seit Jahren eingeschlagen habe. Sie verstehe, dass Landwirte „diesen Dauerbeschuss oft als Kampfansage verstehen”.
Heimische Produktion nicht vernachlässigen
... an ihrer Kabinettskollegin Svenja Schulze (SPD) vom Umweltministerium.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze wirft die CDU-Politikerin vor, sie habe „fast ausschließlich die NGOs im Blick”. Aufgabe der Politik müsse es jedoch sein, „gangbare Wege” aufzuzeigen. Die Corona-Krise habe gelehrt, dass Europa die Eigenversorgung mit Lebensmitteln und die heimische Produktion nicht vernachlässigen dürfe. „Dazu brauchen wir nun einmal ein starkes Agrarbudget, das die Bauern in die Lage versetzt, Ernten sicher einzubringen und zugleich zusätzliche Umweltauflagen erfüllen zu können”, argumentiert Klöckner.
Klarheit über den künftigen EU-Haushalt ist für die Ministerin die Voraussetzung, über Details zur Ausgestaltung der GAP nach 2020 zu verhandeln: „Ich muss erst wissen, wie groß der Kuchen ist, bevor ich ihn verteile.” Eine starke Erste Säule sei jedoch weiterhin unverzichtbar zur Einkommenssicherung sowie zur Abfederung von wirtschaftlichen Risiken. Daneben brauche man auch eine starke Zweite Säule, um Agrarumweltmaßnahmen zu finanzieren und die Entwicklung der ländlichen Räume voranzubringen.
„Auflagen nur gegen Ausgleich”
Keine Veranlassung sieht die Ministerin, den in diesem Jahr geltenden Umschichtungssatz von sechs Prozent nicht auch im nächsten Jahr anzuwenden. Eine Erhöhung mache jetzt keinen Sinn.
Auf Wirtschaftsverträglichkeit will Klöckner bei  gesetzlichen Regelungen zum Insektenschutz pochen. So dürften keinesfalls bestimmte Teile des Obstanbaus oder der Gemüseerzeugung infrage gestellt werden. Zudem will sie am Grundsatz „Auflagen nur gegen Ausgleich” festhalten. Ausdrücklich bekennt sich die Ministerin zu den Vorschlägen der Borchert-Kommission. Für die Finanzierung des notwendigen Umbaus der Tierhaltung erwartet Klöckner einen Mix aus Mitteln, die am Markt erwirtschaftet werden, und einer staatlichen Förderung.
Bauernproteste gegen Schulze
Der „Bericht zur Lage der Natur” von Svenja Schulze hat bundesweit – auch in Südbaden – Protestaktionen der Initiative Land schafft Verbindung ausgelöst.
Mit Demonstrationen und dem Auffahren von Traktoren rund um das Bundesumweltministerium in Bonn und die SPD-Parteizentrale in Berlin haben am 28. Mai Landwirte ihrem Ärger über den   Bericht „Zur Lage der Natur” von Bundesumweltministerin Svenja Schulze Luft gemacht. Auch an vielen anderen Orten in Deutschland kam es zu Protestaktionen von Landwirten. Die Bauern werfen Schulze einseitige Schuldzuweisungen vor. Sie gebe in dem Bericht der Landwirtschaft die Alleinschuld am Verlust der Artenvielfalt und weise ihr die Hauptverantwortung für Fehlentwicklungen in der Natur zu. Forderungen nach einem Rücktritt der Ministerin und ihrem Staatssekretär Jochen Flasbarth wurden laut.  Das Umweltministerium bot einer Delegation der Landwirte in Bonn im Rahmen eines Fachgesprächs  die Möglichkeit, ihre Kritik an der Ministerin und deren Bericht vorzutragen. Vonseiten der Landwirtschaft wurde der Vorwurf erhoben, die Bauern würden mit dem Bericht zu Unrecht diffamiert. Der Rückgang der Biodiversität müsse ganzheitlich betrachtet werden und nicht einseitig. Die Bauernvertreter wiesen ferner darauf hin, dass nicht nur die Landwirtschaft zum Verlust der Artenvielfalt beitrage. Weitere Gründe seien beispielsweise die  Flächenversiegelung, der  Verkehr zu Land und in der Luft und Entwicklungen wie die zunehmende  Anlage von Steingärten. Kritisiert wurde auch, dass bislang kein direkter Dialog mit Schulze beziehungsweise Flasbarth möglich gewesen sei. Beide waren zum Zeitpunkt des Gesprächs wegen einer Sondersitzung der Agrar- und Umweltministerkonferenz in Berlin nicht zugegen