Politik | 19. November 2015

Neue Hofabgabeklausel ohne Gegenstimmen beschlossen

Von AgE
Der Bundestag hat die Neuregelung der Hofabgabeklausel beschlossen. Kernpunkte sind deutlich erweiterte Spielräume für die Hofabgabe unter Ehegatten, eine Erhöhung der rentenunschädlichen Rückbehaltsfläche, die Gewährung von Zuschlägen bei späterem Rentenbezug sowie verbesserte Möglichkeiten der Abgabe in ein Gemeinschaftsunternehmen.
Die Neuregelung der Hofabgabeklausel steht: Der Bundesrat wird aller Voraussicht nach am 18. Dezember dem Gesetz zustimmen, so dass die Novelle wie geplant am 1. Januar 2016 in Kraft treten kann.
Der Bundestagsbeschluss über die  Neuregelung der Hofabgabeklausel in der Alterssicherung der Landwirte (AdL) fiel am 12. November mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von Union und SPD bei Enthaltung der Linken und der Grünen. Der Bundesrat wird aller Voraussicht nach am 18. Dezember dem Gesetz zustimmen, so dass die Novelle wie geplant am 1. Januar 2016 in Kraft treten kann.
Union: Fair und flexibel
Die zuständige Berichterstatterin der Unionsfraktion, Marlene  Mortler, begrüßte die Reform als „fairen Interessenausgleich zwischen Jung und Alt”. Daneben gehe es darum, das bestehende System flexibler zu machen und unnötige Härten zu vermeiden. Aus Sicht der SPD bringt die Novellierung deutliche Verbesserungen, insbesondere für die eigenständige Absicherung der Bäuerinnen. Für Agrarsprecher Wilhelm  Priesmeier  steht dennoch außer Frage, dass seine Partei an ihrem Ziel festhalte, die Hofabgabeverpflichtung vollständig abzuschaffen. Auch Linke und Grüne sprechen sich weiter für eine Streichung aus.
Nur noch ein Fünftel unverändert betroffen
Unterdessen zeigt eine Analyse des stellvertretenden Leiters vom Thünen-Institut für Ländliche Räume, Dr. Peter  Mehl, dass gerade die erweiterte Abgabemöglichkeit zwischen Ehegatten gravierende Folgen haben wird. Aus seiner Stellungnahme im Vorfeld der Parlamentsentscheidung geht hervor, dass mit Inkrafttreten der Neuregelung zum Jahresanfang 2016 für nahezu zwei Drittel der Betriebe das Hofabgabeerfordernis faktisch abgeschafft werde, nachdem es bislang noch für gut 60 Prozent der Betriebe relevant gewesen sei. Die Streichung der bisherigen zeitlichen Befristung der sogenannten Abgabefiktion eröffne einer großen Anzahl von Landwirten die Möglichkeit, das Abgabeerfordernis zu erfüllen und Rente zu beziehen, ohne dass sich an der tatsächlichen Bewirtschaftung der Betriebe etwas ändere.
Unverändert voll vom Abgabeerfordernis betroffen bleiben laut Mehl künftig nur noch alleinstehende, AdL-versicherte Landwirte. Deren Anteil beziffert er auf gut ein Fünftel der Landwirte. Sie müssten in Zukunft ihre Betriebe abgeben, um rentenberechtigt zu werden. Ehepaare, bei denen beide Partner AdL-versichert seien, würden nach der Neuregelung noch teilweise betroffen sein, weil bei Nichtabgabe nur einer von beiden Partnern Rente beziehen könne; dies seien 15 Prozent der Betriebe.
Insgesamt sei damit lediglich noch etwas mehr als ein Drittel der Betriebe weiterhin voll oder teilweise vom Hofabgabeerfordernis betroffen. Sie könnten allerdings die weiteren Elemente der Neugestaltung nutzen, im Einzelnen den erhöhten Rückbehalt, die Anhebung der Rentenanwartschaften bei verspäteter Inanspruchnahme der Rente sowie die erweiterte Möglichkeit der Abgabe in ein Gemeinschaftsunternehmen.
Keine Regelung zur Teilerwerbsminderung
Nicht mehr berücksichtigt wurde die Forderung nach einer Einbeziehung der Fälle von Teilerwerbsminderung in die Erweiterung der Abgabemöglichkeiten unter Ehegatten. Man habe davon abgesehen, weil die neue Option der Gesellschaftsgründung die meisten Fälle erfasse und man zudem keine darüber hinausgehende Missbrauchsgefahr habe entstehen lassen wollen, so Mortler in ihrem Debattenbeitrag. Dem Vernehmen nach hatte offenbar die Bundesregierung vor erheblichen Kosten gewarnt, die mit einer Regelung zur Teilerwerbsminderung auf den Bundeshaushalt zukommen könnten und die im Agrarhaushalt gegenfinanziert werden müssten. Die Rede ist von mindestens 50 Millionen Euro im Jahr.
„Echte Errungenschaft für die Frauen”
„Wir haben die Hofabgabe flexibilisiert und den Rückbehalt, letztlich also das Nebeneinkommen, gestärkt”, so die CSU-Politikerin Marlene Mortler. Die Anhebung des rentenunschädlichen Rückbehalts auf 99 Prozent der sozialversicherungsrechtlichen Mindestgröße bedeute konkret, dass rund acht Hektar  Ackerland, zwei Hektar Obstflächen und 75 Hektar Wald weiter bewirtschaftet werden könnten.
Mit dem Rentenzuschlag von 0,5 Prozent pro Monat für diejenigen, die über die Regelaltersgrenze hinaus weiter wirtschafteten, werde der Renteneintritt flexibilisiert. Entscheidend ist jedoch auch für die CSU-Abgeordnete die vollständige Verwirklichung der eigenständigen Ehegattenrente. Die Rente der Ehegatten werde künftig voneinander unabhängig. Dies sei „eine echte Errungenschaft für die Frauen in der Landwirtschaft”.
Ähnlich äußerten sich die zuständigen Berichterstatterinnen der SPD-Bundestagsfraktion, Ursula  Schulte  und Waltraud  Wolff: „Wir haben durchgesetzt, dass Rentenansprüche auch dann erhalten bleiben, wenn der Betrieb über das 65. Lebensjahr hinaus vom Ehepartner weiterbewirtschaftet wird”, so die Abgeordneten. Somit könne man endlich „von einer eigenständigen Absicherung der Bäuerinnen sprechen”. Auch in den anderen Punkten habe die SPD ihre Anliegen durchgesetzt.
Zwar sei die Novellierung der Hofabgabeverpflichtung eine „eindeutige Verbesserung” im Vergleich zur bisherigen Situation, betonte SPD-Agrarsprecher Priesmeier. Seine Partei werde aber an ihrem Ziel festhalten, die Hofabgabeverpflichtung vollständig abzuschaffen, nachdem dies mit dem Koalitionspartner nicht zu machen gewesen sei. „Wir haben einen Kompromiss erarbeitet, nicht mehr und nicht weniger”, stellte der SPD-Politiker fest.
„Auslaufmodell”
Die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion,  Kirsten  Tackmann, räumte ein, dass mit dem Gesetz wichtige Korrekturen vorgenommen würden.  Dessen ungeachtet bleibe die Hofabgabeklausel aber ein „Auslaufmodell”. Sie bezeichnete eine Diskriminierung von Unverheirateten und Alleinstehenden, wie sie sich nun abzeichne, als inakzeptabel. Ähnlich äußerte sich Grünen-Kollege Friedrich  Ostendorff.  Für den Grünen-Politiker ist der Gesetzentwurf „der komplizierte Versuch, die Hofabgabeklausel beizubehalten und gleichzeitig wirkungslos zu machen”, anstatt sie ersatzlos aus dem Gesetz zu streichen, wie dies von Bündnis 90/Die Grünen schon lange gefordert werde.
Bauernverband, Landfrauen und Landjugend bewerten das Ergebnis
Für den Deutschen Bauernverband (DBV) ist wichtig, dass die Hofabgaberegelung grundsätzlich erhalten bleibt. Die beschlossenen Änderungen stellten einen insgesamt gelungenen Konsens zwischen den unterschiedlichen Interessenlagen dar. Der DBV wies zugleich darauf hin, dass die neugestaltete Hofabgaberegelung in jedem Fall eine intensive Beratung der Praxis erfordere, damit keine steuerlichen und sozialrechtlichen Nachteile entstünden.
Zufrieden zeigte sich auch der Deutsche Landfrauenverband (dlv). Die Novellierung stärke insbesondere die eigenständigen Rentenansprüche der Ehegatten. „Wir begrüßen, dass die Rentenrechte der Frauen gestärkt wurden und nicht mehr in Abhängigkeit zum Mann stehen”, erklärte Verbandspräsidentin Brigitte  Scherb. Der Landfrauenverband geht nach den Worten seiner Präsidentin nunmehr davon aus, dass mit den Änderungen die Hofabgabeklausel als „ein langfristiges und planbares Element für die Generationsfrage” auf den Höfen erhalten bleibe. „Für uns Junglandwirte ist die Hofabgabeklausel unverzichtbar”, bekräftigte der Bund der Deutschen Landjugend (BDL). Jede Aufweichung der Regelung verzögere die Übergabe landwirtschaftlicher Betriebe an die nachfolgenden Generationen, warnte der BDL-Bundesvorsitzende Matthias Daun.