Es werden keine „neuen Bauernregeln” auf Plakaten in 70 Städten prangen. Der Widerstand gegen die umstrittenen Reime aus dem Bundesumweltministerium war am Ende so groß, dass Ministerin Barbara Hendricks die Aktion kurzfristig abblies. Sie will jetzt den Dialog mit den Bauern suchen.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks „durfte” sich nach der Präsentation ihrer „neuen Bauernregeln” Missfallensbekundungen von verschiedenen Seiten anhören, nicht nur von den Bauern. Letztlich gab sie nach und stoppte die Plakataktion mit den umstrittenen Reimen.
Die Gegenreaktionen auf die Reime, die von der allergrößten Mehrheit der deutschen Bauern als diffamierend empfunden wurden, waren nicht mehr zu zählen. Auch der BLHV und der Bund Badischer Landjugend (BBL) wandten sich öffentlich dagegen. BLHV-Präsident Werner Räpple bezeichnete die „neuen Bauernregeln” gegenüber der Presse als „einen öffentlichen Tiefschlag, wie ich ihn in den Jahrzehnten meiner ehrenamtlichen Tätigkeit noch nicht erlebt habe”. Der BBL machte mit einer sehr erfolgreichen Aktion auf Facebook von sich reden.
Am Ende gab es sogar von der Bundestagsfraktion der Grünen für die Reime einen öffentlichen Rüffel. Nur die Umweltverbände hielten treu zur Ministerin.
Nach der Absage der Plakataktion betonte Bundesumweltministerin Hendricks in einem Schreiben an die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion, dass es nie ihre Absicht gewesen sei, einen ganzen Berufsstand pauschal anzugreifen. Sie sei allerdings fest davon überzeugt, „dass wir einen offenen und ehrlichen Dialog über die Zukunft der deutschen Landwirtschaft brauchen”. Man wolle mit den Beteiligten den Dialog über die Zukunft der Landwirtschaft führen.
DBV erkennt Einlenken an
Das Einlenken des Umweltressorts sorgte in Politik und
Verbänden überwiegend für Erleichterung. Der Deutsche Bauernverband
(DBV) erkennt diesen Schritt der Ministerin eigenen Angaben zufolge an
und bekräftigte ebenso wie eine Reihe von Landesbauernverbänden seine
Bereitschaft, den notwendigen Dialog zu führen.
Von den Landesbauernverbänden, darunter dem BLHV, wurde der Stopp der
Bauernregel-Kampagne einhellig begrüßt. Der Deutsche Naturschutzring
(DNR) machte indes ein „rückwärtsgewandtes Agrarkartell aus
Bauernverband und Politik” für den Stopp der Bauernregel-Kampagne
verantwortlich. Der Bundesgeschäftsführer vom Naturschutzbund
Deutschland (NABU), Leif Miller, hielt Hendricks eine „Kapitulation vor
den Lobbyisten” vor.
Fehler im System
In ihrem Schreiben an die
SPD-Abgeordneten bekundet die vom Niederrhein stammende Hendricks ihren
großen Respekt vor den Leistungen und Traditionen der Landwirtschaft,
der aus zahlreichen Gesprächen mit Bäuerinnen und Bauern und ihrer
Herkunft aus einer landwirtschaftlich geprägten Region resultiere.
Gleichwohl dürfe man nicht über „die bestehenden Fehler im System”
hinwegsehen. Notwendig sei eine Agrarwende „hin zu einer gerechten
Landwirtschaft, für die Bauern und die Verbraucher, für den Tierschutz
und die Umwelt”.
Die SPD-Politikerin war wegen ihrer „Bauernregeln” nicht nur von
Unionspolitikern, sondern auch in den eigenen Reihen heftig kritisiert
worden. Auch die Grünen gingen auf Distanz zu Hendricks. So forderte
der agrarpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Friedrich
Ostendorff, einen Stopp der „Bauernregel-Kampagne”. Die Aktion des
Bundesumweltministeriums sei aus seiner Sicht „nichts außer
Wahlkampfgetöse” auf Kosten einer Berufsgruppe und trage in keiner Weise
zur Lösung von Problemen bei.