Politik | 16. Mai 2024

Neue Aufregung um den Mindestlohn

Von AgE/red
Der Mindestlohnvorschlag des Bundeskanzlers löst in der Agrarbranche schärfste Kritik aus. DBV-Präsident Rukwied warnt vor einer Abwanderung des Sonderkulturanbaus in andere EU-Staaten und Drittländer. Arbeitgeberpräsident Wichert wirft dem Kanzler Wortbruch vor.
Die SPD hatte 12 Euro Mindestlohn zu einem wichtigen Thema im vorigen Bundestagswahlkampf gemacht. Als Bundeskanzler hat Olaf Scholz jetzt einen Vorstoß für 15 Euro gestartet.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat vorgeschlagen, den gesetzlichen Mindestlohn in zwei Schritten zunächst auf 14 Euro und dann auf 15 Euro anzuheben. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, warnte daraufhin vor einem Kahlschlag für den heimischen Anbau von Sonderkulturen wie Obst, Gemüse und Wein. „Dieser Vorschlag verdrängt landwirtschaftliche Erzeugung ins Ausland”, erklärte Rukwied. Die deutschen Bauern könnten nicht im europäischen Wettbewerb bestehen, wenn in vielen Nachbarländern ein deutlich geringerer Mindestlohn gelte.
Wortbruch vorgeworfen
Der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA), Hans-Benno Wichert, warf dem Bundeskanzler Wortbruch vor: „Der Kanzler hat noch im vergangenen Jahr zugesagt, nicht mehr in die Arbeit der Mindestlohnkommission einzugreifen.” Nach Einschätzung des Arbeitgeberpäsidenten würde eine willkürliche Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro die ohnehin schon unter massivem Druck stehende Obst- und Gemüseproduktion in Deutschland noch stärker gefährden und zu einer Verdrängung des Anbaus in europäische und nichteuropäische Regionen mit deutlich niedrigeren Löhnen und Sozialstandards führen. Wichert erinnerte daran, dass die SPD bereits 2022 ihr bei Einführung des gesetzlichen Mindestlohns gegebenes Versprechen gebrochen habe, die Entwicklung des Mindestlohns mit der Mindestlohnkommission allein in die Hände der Sozialpartner zu legen.
Auch Baden-Württembergs Wirtschafts- und Arbeitsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut kritisierte gegenüber der Presse das Vorgehen von Olaf Scholz.   „Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit sind gerade in der Politik ein hohes Gut. Dazu zählt zweifelsohne, sich an Versprechen zu halten. Insofern rate ich dem Bundeskanzler, sich an sein Versprechen nach der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro zu erinnern: sich nicht mehr in die Arbeit der Mindestlohnkommission einzumischen”, sagte sie.
Branchenlösung unabdingbar
Über den Mindestlohn entscheiden im Normalfall die Tarifpartner. In diesem Fall  die mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch besetzte Mindestlohnkommission. Für GLFA-Präsident Hans-Benno Wichert ist indes klar: Sollte der Mindestlohn politisch auf 15 Euro angehoben werden, müsse es für die Landwirtschaft eine Branchenlösung geben, die eine Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns gestattet. Anderenfalls werde deutsches Obst und Gemüse von ausländischer Ware verdrängt.
Der Bundestag hatte am 1.Oktober 2022 den Mindestlohn mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP per Gesetz auf 12Euro angehoben. Die Initiative dazu war von den Sozialdemokraten ausgegangen, die im Wahlkampf mit dem Thema intensiv geworben hatten. Der Kanzler begründete seine Forderung nach einer Erhöhung auf 15 Euro auch damit, dass sich alle Warnungen vor Jobverlusten im Zusammenhang mit der damaligen Anhebung auf 12 Euro als haltlos erwiesen hätten.