Land und Leute | 07. Mai 2015

Nachbau statt Einweg-Karotte

Von Sabine Köllner
War früher das Vermehren von Gartengemüse durch selbst gewonnenes Saatgut gang und gäbe, haben Hybrid-Sorten diese Handhabung ersetzt. Sie sind leistungsstark, tadellos in Aussehen und Wuchs – doch Vielfalt, regionale Anpassung und vor allem der Geschmack bleiben meist auf der Strecke.
Nach Einschätzung der Welternährungsorganisation FAO gingen in den letzten 100 Jahren gut  drei Viertel der noch um 1900 verfügbaren Sortenvielfalt verloren. Vor allem beim Gemüsesaatgut ist dieser Rückgang besonders drastisch. Manche Sorten wie Blumenkohl, Broccoli, Rettich, extra-süßer Zuckermais, Kohlrabi oder Chinakohl sind fast nur  noch als Hybride auf dem Markt. Bei vielen anderen gängigen Gemüsearten liegt der Anteil der Hybridsorten bei mehr als  70 Prozent. Die Sortenvielfalt unter den Nutzpflanzen – sie schwindet zunehmend zugunsten weniger Hybrid-Formen.  Werden samenfeste Nutzpflanzen angebaut, so entwickeln sich in jeder Region  über längere Anbauzeiträume sogenannte Lokalsorten, mit standorttypischen Eigenschaften und einer optimalen Standortanpassung und hohen Widerstandskräften.
Am 9. Mai findet der 3. ProSpecieRara Setzlingsmarkt auf dem Freiburger Mundenhof von 10–15 Uhr statt. Hier gibt es einige regionale Anbieter mit samenfesten und speziellen ProSpecieRara-Sorten.
 
 
Lokale Vielfalt wahren
Für den Gärtner bedeutet dies Arbeit, denn anders als beim Kauf eines Samentütchens mit Hybrid-Saatgut muss er, will er seine Landsorte vermehren, jährlich Saatgut gewinnen und aufbereiten. Bei der Aussaat  muss er selbst ein Auge darauf haben, von welchen Pflanzen er wiederum Saatgut gewinnen möchte.  Es ist der Kreislauf der  traditionellen Samengewinnung. Obendrein kostengünstig, denn das Saatgut stammt aus der eigenen Ernte. Alte Sorten wie das Kinzigtäler Kehlkrut, Guter Heinrich, Melde, Baumspinat, Löffelkresse oder Spargelsalat haben so in Gärten, in denen sie immer schon aus Tradition angebaut wurden, überlebt. Doch nicht jeder hat Anbauflächen, nicht jeder ist bereit, sich diesem Einsatz  zu widmen. Und auch nicht jede alte Sorte bringt einen lohnenswerten Ertrag.  Wer  Gemüse anbaut und auf ertragreiche F1-Sorten wie schmackhafte Landsorten nicht verzichten will, kann gut samenfeste Sorten und Hybride nebeneinander anbauen. Samenfeste Kerbelrüben neben Hybrid-Möhren? Warum nicht! Es gibt inzwischen Saatgutanbieter für kleine Mengen an samenfestem Saatgut oder von Jungpflanzen, ein guter Anfang. „Nicht jede samenfeste Sorte macht die Erhaltung für den Laien leicht. Was bei Erbsensorten, als strenge Selbstbefruchter, die sich nicht untereinander verkreuzen, eher leicht zu bewerkstelligen ist, verlangt bei der Vermehrung von Karotten und Kürbis schon einiges mehr an Erfahrung und Hintergrundwissen”, weiß Walburga Schillinger, Bauerngärtnerin aus Schiltach.
Sortenerhalter gesucht!
Ihr Garten ist inzwischen anerkannter Erhaltungsgarten für spezielle ProSpecieRara-Gemüsesorten (Näheres zu ProSpecieRara siehe Seite 5).  Wer wie Schillinger selbst alte Sorten  durch ihren Anbau und ihre Vermehrung  erhalten möchte, gerne  gärtnert und über den nötigen Platz verfügt,  kann einfach mal loslegen und es mit einem Gemüse, zum Beispiel  Erbsen, oder mit Salat versuchen, so Iris Förster von ProSpecieRara. Zum Start kann man Saatgut über den Onlineshop des  Vereins Dreschflegel, eine Vermarktungs- gemeinschaft von 14 Biohöfen, beziehen (www.dreschflegel-shop.de). Jungpflanzen gibt es in den Gärtnereien Querbeet in Eichstetten und Witt in Emmendingen. Jungpflanzen können Sie aber auf Nachfrage  auch oft aus dem Bauerngarten geschenkt bekommen oder Sie besuchen Setzlingsmärkte.
Fachkundige Hilfe in allen Fragen der Vermehrung und der Erhaltung von alten Sorten sowie Saatgut gibt es bei ProSpecieRara in Freiburg (www.prospecierara.de) oder beim Bauerngarten-Netzwerk www.kräuter-regio.de. Hier gibt es auch Auskunft, wenn Interesse besteht, selbst ProSpecieRara-Sortenerhaltungsgarten zu werden.
Was sind Hybrid-Pflanzen?
Bei den nicht samenfesten Hybrid-Züchtungen (F1) handelt es sich um die Kreuzung zweier Sorten mit sortenreinen, genetisch verarmten Eltern, bei denen bestimmte Eigenschaften besonders hervortreten. Die  erste Tochtergeneration (F1) ist dann sehr gleichförmig und wuchskräftig. Vermehrt man diese Pflanzen, tritt bei Folgegenerationen eine Aufspaltung mit verschiedensten, oft unerwünschten, Eigenschaften auf.
Iris Förster/ProSpecieRara