Politik | 25. Mai 2023

Nach der Reform ist vor der Reform

Von AgE/rm
Kaum ist die laufende EU-Agrarreform in Kraft getreten, machen sich Wissenschaftler darüber Gedanken, wie sie ab 2028 neu ausgerichtet werden sollte. Die Berliner Denkfabrik (Think Tank) Agora Agrar fordert Gemeinwohlleistungen statt Basisprämien.
Berliner Agrarökonomen empfehlen bereits, wie die EU-Fördergelder ab 2028 verteilt werden sollen.
In einem Impulspapier sprechen sich die Direktoren des Berliner Think Tanks Agora Agrar, Professor  Harald Grethe und Dr. Christine Chemnitz, für eine ambitionierte Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in der nächsten EU-Förderperiode aus. Die Agrarökonomen plädieren dafür, ab 2028 schrittweise und vollständig aus der Basisprämie der Ersten Säule auszusteigen.
Parallel dazu müssten nach und nach Prämien zur Honorierung von Gemeinwohlleistungen aufgebaut werden. Ratsam sei es, sich dabei am derzeitigen Umsetzungsmodell der GAP mit Öko-Regelungen der Ersten und Maßnahmen der Zweiten Säule zu orientieren. Die künftige GAP müsse Landwirtinnen und Landwirte befähigen, „gesellschaftlich gewünschte Gemeinwohlleistungen im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zu erbringen”.
Grethe und Chemnitz empfehlen der Bundesregierung, sich auf EU-Ebene frühzeitig für eine GAP-Reform in diesem Sinn einzusetzen.
 
Landwirtschaft muss damit Geld verdienen
Mit einem Ausbau der Öko-Regelungen und einer weitergehenden Umschichtung von der Ersten in die Zweite Säule in der laufenden Förderperiode könne Deutschland seinen Argumenten zusätzliche Glaubwürdigkeit verleihen und gleichzeitig die heimischen Betriebe auf die weitreichenden Änderungen vorbereiten, die ab 2028 auf sie zukommen könnten. Grethe wies darauf hin, dass bereits 2025 der mehrjährige EU-Finanzrahmen verhandelt werde, mit dem wesentliche Weichen für die GAP gestellt würden. Zudem arbeiteten schon jetzt erste EU Mitgliedstaaten an ihren Zukunftsperspektiven für die GAP.
Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft werden aus Sicht des Wissenschaftlers gebraucht, um die gesetzten Klima-, Biodiversitäts-, Umwelt- und Tierschutzziele zu erreichen. Zum anderen könne die Landwirtschaft diese Leistungen nicht einfach so erbringen, „sondern sie muss damit auch Geld verdienen können”. Schließlich könne die GAP nur erhalten werden, wenn der Einsatz öffentlicher Mittel mit ihrem Beitrag zu gesellschaftlichen Zielen begründet werde.
Grethe verteidigt auch den Vorschlag, die GAP innerhalb des bestehenden Umsetzungsmodells zu reformieren. Zwar werde alternativ über ganz neue Konzepte für die Verwendung der Mittel der GAP im Rahmen der Umwelt-, Ernährungs- oder Landnutzungspolitik nachgedacht. Mit einem grundsätzlichen Neuentwurf gingen jedoch erhebliche Reibungsverluste einher, gibt der Agora-Direktor zu bedenken. Zudem achteten die Mitgliedstaaten darauf, dass ihnen ein neues Politikmodell möglichst wenig Änderungen abverlange. „Im Prinzip ist das gegenwärtige Umsetzungsmodell geeignet für eine vollständige Ausrichtung auf Nachhaltigkeitsziele”, sagt Grethe.