Tierhaltung | 19. April 2018

Mutterkühen mehr Aufmerksamkeit schenken

Von Tierärztin Kathia Gillandt und Prof. Nicole Kemper, Tierärztliche Hochschule Hannover
Gesunde und fitte Mutterkühe sind die Grundvoraussetzung dafür, dass sich der Betriebszweig rechnet. Doch hier liegt noch so manches im Argen. Das haben Untersuchungen der Tierärztlichen Hochschule Hannover an fünf Angusherden an vier repräsentativen Standorten in Deutschland gezeigt.
Gesunde, naturnah gehaltene Tiere sind in einer Gesellschaft, in der die tiergerechte Haltung eine immer größere Rolle spielt, ein klarer Marktvorteil.
In Deutschland werden rund 5,4 Prozent der Kühe in Mutterkuhhaltung gehalten, wobei sich die Tiere oft – vornehmlich bei extensiven Rassen – ganzjährig auf Grünland befinden. Eines der wichtigsten Gesundheitsprobleme bei der Haltung von Rindern auf Grünland, und gerade auch bei der ganzjährigen Freilandhaltung, stellt der Befall mit Weideparasiten dar. Parasitosen sind in der Mutterkuhhaltung ein häufiger Befund mit großer wirtschaftlicher Bedeutung aufgrund verringerter Zunahmen. Der Besatzdichte sowie der Weidehygiene, insbesondere dem Wassermanagement und der Mahd, kommt dabei besondere Bedeutung zu.
Parasitäre Erkrankungen
Allgemein bekannt sind negative Auswirkungen auf die Tiergesundheit bei Beweidung von Feucht- und Nasswiesen. In der Untersuchung im Rahmen des Projektes „MuKuGreen” (siehe Kasten unten) waren Kokzidien und Magen-Darm-Würmer in allen Betrieben in großer Zahl zu finden. In Bezug auf das Vorkommen von Leberegeleiern wurden regionale Unterschiede deutlich, wobei bei den in Süddeutschland gelegenen Betrieben weniger Nachweise vorkamen als in den nördlichen. Die Weiden dieser Region waren stets von Trockenheit gekennzeichnet. In Anbetracht des obligat feuchteliebenden Zwischenwirtes dieses Parasiten, der Kleinen Sumpfschnecke, ist die geringe Erkrankungsrate durch das Fehlen von Zwischen- und Endwirtkontakten erklärbar. Zudem waren die beiden Betriebe aus dem süddeutschen Raum die einzigen, deren Weiden nicht an einem Gewässer lagen. Der Trend, Feuchtwiesen durch Mutterkühe beweiden zu lassen, führt zwangsläufig zu einem gehäuften Aufeinandertreffen von Zwischen- und Endwirt. Ebenfalls häufig wurden die Larven des Großen Lungenwurms nachgewiesen, insbesondere auf Standweiden. Auch Bandwurmeier und andere Magen-Darm-Würmer waren gelegentlich zu finden.
 Die Ergebnisse des Projekts zeigen, dass das Wissen vieler Landwirte auf diesem Gebiet noch recht gering zu sein scheint, so dass Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen hier hilfreich wären. Empfehlenswert ist es, dass das Behandlungsregime, das heißt die Behandlung mit Entwurmungsmitteln, nach entsprechender Diagnostik unter Berücksichtigung der vorkommenden Parasitenspezies an den Bedarf der Herde angepasst wird. Um Resistenzbildungen zu vermeiden, ist ein regelmäßiger Wechsel der Präparate zu empfehlen. Auch stellt bei Weiderindern die bei Schafen teilweise praktizierte Methode des „Targeted selective Treatment”, der gezielten Behandlungen nach Nachweis im Kot, eine Möglichkeit dar. Bei Aufgusspräparaten ist die korrekte Anwendung und Dosierung der Präparate aufgrund des dichten Felles bei Mutterkühen oft erschwert und birgt das Risiko einer reellen Unterdosierung des Wirkstoffes pro Kilo Körpergewicht des Tieres.
 Neben der Behandlung infizierter Tiere kann über das Weidemanagement eine Minimierung des Infektionsrisikos erreicht werden. Die besonders empfindlichen Jungtiere können beim Absetzen auf eine trockene Weide verbracht werden, die im Vorjahr als Mähfläche diente und somit eine geringere Belastung mit infektiösen Parasitenstadien aufweisen sollte als eine Standweide oder mehrfach genutzte Umtriebsweide. Portionsweidesysteme mit kurzer Verweildauer der Tiere auf einem Standort und langen Ruhephasen der einzelnen Parzellen zwischen den Beweidungsintervallen minimieren den Kontakt zwischen infektiösen Parasitenstadien und ihren Wirtstieren, sind aber sehr arbeitsintensiv. Auf lange Sicht stellen diese Systeme aber eine gute Möglichkeit dar, den Medikamenteneinsatz zu minimieren und Resistenzbildung entgegenzuwirken.
Versorgung mit Mineralstoffen
Die Blutuntersuchungen zeigten eine deutliche Mangelsituation bei einem  Großteil der  Tiere  vor allem im Bereich der Versorgung mit Selen, Kupfer und Zink trotz permanenter  Bereitstellung von Mineralfutter.  Deutschland ist als Selenmangelgebiet bekannt und der überwiegende Teil der untersuchten Tiere wies einen gravierenden Mangel dieses Nährstoffes auf. Während die Versorgung mit Calcium und Magnesium überwiegend im Normalbereich lag, waren bei Eisen, Mangan und Molybdän sowohl über- als auch unterversorgte Tiere zu finden. Klinische Auffälligkeiten, die auf Mineralstoffmangel zurückzuführen sind,  wie zum Beispiel ein verminderter Saugreflex bei den Kälbern infolge eines Selenmangels, ließen sich allerdings in dieser Studie nicht beobachten. Dabei ist zu beachten, dass spezifische Symptome eines Mangels erst bei massiver, nicht kompensierbarer Unterversorgung zustande kommen. Generell spiegeln sich Unterversorgungen eher in suboptimalen Zunahmen der Nachkommen wider und können somit wirtschaftlich relevant sein, ohne klinische Symptome hervorzurufen.
 In einem Betrieb war die verhältnismäßig gute Versorgung der Tiere mit Selen auffällig. Hier erfolgte die Anmischung und Verfütterung eines Mineralfutters mit einem erhöhten Selenanteil. Allgemein konnte trotz des Anbietens von Mineralfutter in den anderen Herden keine adäquate Versorgung der Tiere gewährleistet werden. Die den Tieren angebotenen Mineralfuttermischungen reichen in den meisten Fällen nicht aus, um Defizite auszugleichen. Hier besteht noch weiterer Forschungsbedarf. Momentan ist die Mineralstoffversorgung der Tiere nicht optimal an ihre  Bedürfnisse  angepasst, wobei dies eine logische Folge der Tatsache ist, dass die Untersuchung von Blutproben bei Mutterkühen eher selten durchgeführt wird. Eine Sensibilisierung für eine routinemäßige Überprüfung des Herdenstatus, um die bedarfsgerechte Versorgung entsprechend angleichen zu können, könnte zu einer Verbesserung der Situation führen. Um diesen Bedarf zu ermitteln, ist die Beprobung und Blutanalyse bei einer Stichprobe von Tieren ein- bis zweimal im Jahr zu empfehlen.
Klauengesundheit
Die Dokumentation von Befunden (hier: Weiße-Linie-Defekt) bei der regelmäßigen Klauenpflege ist elementar, um langfristig einen Zuchtfortschritt zu erreichen.
Die zusammengefassten Befunde zur Klauengesundheit zeigen, dass über 40 Prozent der untersuchten Tiere Klauenprobleme aufwiesen. Die Situation der Klauengesundheit bei Mutterkühen stellt sich anders dar als bei Milchkühen: Infektiöse Erkrankungen spielen eine eher untergeordnete Rolle, während die Laminitis-assoziierten Erkrankungen wie Weiße-Linie-Defekte in allen Betrieben einen wichtigen Schwerpunkt in der Abweichung von Normalbefunden darstellen.
 Die Ursachenforschung sollte hier weiter vorangetrieben werden. Das Entstehen dieser Erkrankungen ist nicht eindeutig geklärt, es wird aber von vielfachen Einflussfaktoren ausgegangen. Eine ursächliche Beteiligung eines bestehenden Mineralstoffmangels kann nicht ausgeschlossen werden. So könnte der  festgestellte Mangel an Selen und Kupfer  eine Rolle spielen. Wichtig ist langfristig, dass durch eine gute Dokumentation im Rahmen der regulären Klauenpflege und entsprechende Selektion auch ein züchterischer Fortschritt hinsichtlich der Klauengesundheit erzielt werden kann.
Fazit
Allgemein lässt sich festhalten, dass auch in der Mutterkuhhaltung eine höchstmögliche Tiergesundheit anzustreben ist, welche sich durch eine Berücksichtigung der genannten Punkte und eine Anpassung an die betriebsindividuellen Gegebenheiten erreichen lässt.
Diverse Aspekte der Mutterkuhhaltung beleuchtet
Mutterkühe und ihr Nachwuchs sollten sich dank der naturnahen Haltung besonders wohlfühlen sowie robust und gesund sein. So die landläufige Meinung.  Hierzu wurden bisher jedoch nur wenige Untersuchungen  durchgeführt –  vor allem nicht in Deutschland. Das vom  Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft geförderte Forschungsprojekt „MuKuGreen: Analyse und Optimierung der Beziehung zwischen Grünland, Tiergesundheit und Tierzucht bei Mutterkühen” sollte dies ändern. Ziel war,  potenzielle Risikofaktoren in Bezug auf Management und Erkrankungen von Mutterkühen zu identifizieren.  Dadurch sollte eine  Basis geschaffen werden für eine höchstmögliche Tiergesundheit und ein optimales Tierwohl unter Berücksichtigung der Qualität sowie der nachhaltigen Nutzung des regional oft stark differierenden Dauergrünlandes.
 Das Projekt wurde in zwei Schwerpunkte gegliedert. Der veterinärmedizinische Teil wurde am Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie (ITTN) der Tierärztlichen Hochschule Hannover bearbeitet und 2017  beendet. Der zweite Schwerpunkt, die züchterische Analyse der erhobenen Daten, wird von der Hochschule  Osnabrück, Fakultät Argarwissenschaften und Landschaftsarchitektur (HS Osnabrück), durchgeführt und ist noch nicht beendet.
 Ein Ziel des ersten Teilprojekts war unter anderem die Tiergesundheitsanalyse, vor allem die Erfassung parasitärer Erkrankungen, die Untersuchung des Mineralstoffgehaltes im Blut der Tiere  und die Dokumentation der Klauengesundheit. Hierfür wurden Mutterkühe der Rassen Deutsch bzw. Aberdeen Angus  und ihr Nachwuchs von fünf Herden an vier  repräsentativen Standorten in Deutschland untersucht.  Weitere Informationen unter  http://orgprints.org/32364.