Mortellaro ist und bleibt ein Dauerbrenner
Von Dr. Andrea Fiedler, München
Die Mortellarosche Krankheit, auch Dermatitis digitalis oder Erdbeerkrankheit genannt, ist heute in vielen Milchviehställen die häufigste Klauenerkrankung. Ausgelöst wird sie durch Bakterien. Sind die Erreger erst einmal im Bestand, wird man sie nicht mehr los. Wie kann man sie in Schach halten?
Akute Mortellarosche Krankheit
Sind die Haltungsbedingungen nicht optimal, dann kann insbesondere feuchte Gülle Horn und Haut an den Rinderklauen angreifen (siehe Kasten auf der rechten Seite). Infektiös bedingte Klauenerkrankungen sind die Folge. Als Leitkeime für die Mortellarosche Krankheit gelten Treponemen. Daneben werden regelmäßig auch Staphylokokken, E. coli, Streptokokken, aber auch Porphyromonas levii, Fusobacter-Spezies und Mykoplasmen gefunden. Treponemen sind schraubenförmige, bewegliche Bakterien, die sich nach Vorarbeit der anderen Keime aktiv bis in tiefere Hautschichten einbohren können. Hier sitzen die Treponemen relativ geschützt – auch vor lokalen Behandlungsmethoden – und lösen eine vermutlich lebenslange Infektion aus. Die Krankheit kann auch nach erfolgreicher Behandlung immer wieder aufblühen. Es wurden zwischenzeitlich zahlreiche Unterarten nachgewiesen. Unter ihnen gibt es besonders pathogene Typen, die für die unterschiedlich starke Ausprägung und die verschiedenen Erscheinungsformen der Erkrankung verantwortlich gemacht werden.
Zudem scheinen genetische Faktoren im Spiel zu sein. Eine Veranlagung für diese Erkrankung ist möglich. Sämtliche Probleme mit der körpereigenen Abwehr können die digitale Dermatitis erneut auslösen.
So zeigt sich die Krankheit
Bei der Klauenpflege und -reinigung werden
die krankhaften Hautveränderungen (Läsionen) zweifelsfrei erkannt.
Typisch ist die gerötete Oberfläche, bei der sogenannten erosiven,
also „aufbrechenden”, fast kraterförmigen Form auch der weiße erhabene
Rand und vor allem die abstehenden und langen Haare. Bei der
sogenannten wuchernden Form fallen Wucherungen aus der Läsion heraus ins
Auge. Charakteristisch ist für akute Läsionen der Schmerz.
Unbedingt
muss auch ein Blick in das Hauptreservoire der Erkrankung geworfen
werden. Zwischen den Weichballen verbergen sich oft Verdachtsstadien der
digitalen Dermatitis – kleinste Läsionen, die sich rasch vergrößern
können. Dies ist bedeutsam für die Therapie. Denn neben der akuten,
bereits beschriebenen Form sind diese Verdachtsstadien, aber auch
chronische, vorübergehend ruhende Stadien, gezielt zu
behandeln.
Therapiemöglichkeiten
Zunächst ist es unabdingbar, die
Tiere vor der Behandlung an den Klauen zu beschneiden. Dies ist wichtig
für die Einzeltiertherapie, aber auch beim regelmäßigen Klauenschnitt
der Herde kann die Behandlung danach gezielt erfolgen. Dabei werden die
Klauen so gepflegt, dass der Ballen höchstmöglich erhalten wird. Die
gefährdeten Bereiche am Ballen werden so aus der feuchten und
gülleverschmutzten Umgebung herausgeholt. Schmerzen werden verringert,
da kleinere betroffene Bereiche nicht mehr mit dem Boden in Berührung
kommen. Dabei ist zu bedenken, wie tief die Treponemen in den
Hautschichten nachgewiesen werden können. Dort sind sie vermutlich nicht
allen lokalen Behandlungsmethoden zugänglich, insbesondere bei einer
Spraybehandlung ist die Rückfallgefahr groß. Die Läsionen heilen
zunächst oft ab, kehren aber nach sechs bis acht Wochen wieder zurück.
Antibiotikahaltige Sprays
Bei
kleineren Läsionen und Verdachtsstadien (vor allem Zwischenklauen- und
Zwischenballenbereich) wird gründlich gereinigt, gegebenenfalls
getrocknet und dann ein geeignetes antibiotikahaltiges Spray aufgetragen
(auf die Konzentrationen und Anwendungsempfehlungen im Beipackzettel achten!).
Die Behandlung sollte nach etwa 24 Stunden wiederholt werden. Im
Anschluss an die Behandlung ist eine trockene und saubere Aufstallung
wichtig.
Novaderma-Paste
Die Wartezeit von einem Tag sowie der Umstand, dass ein Verband angelegt und wieder entfernt werden muss,
lässt so manchen Landwirt vor dieser Therapie zurückschrecken. Momentan
erscheint sie aber als die geeignetste Behandlungsmethode.
Mortella Heal
Die
Verwendung einer Polyurethan-Wundauflage in Kombination mit einem
fixierenden Verband ist eine weitere Möglichkeit der Behandlung. Das
„Pflaster” wird dabei auf die Läsion aufgelegt, ein mitgeliefertes
Druckpad soll den vollständigen Kontakt der porösen Oberfläche der
Wundauflage mit der Läsion gewährleisten. Ein gepolsterter Verband
fixiert das Pflaster über einen Zeitraum von zehn Tagen, währenddessen
saugt sich die Auflage mit Wundflüssigkeit voll.
Unter der schützenden Abdeckung setzen die Selbstheilungskräfte sehr gut ein. Neue Haut bedeckt die Wunde nach zehn Tagen.
Systemische Antibiose – Behandlung bei geschwürigen Lederhautveränderungen
Insbesondere
bei Veränderungen innerhalb des Hornschuhes (nicht heilende
Spitzengeschwüre, mit Treponemen infizierte Lederhaut, wuchernde
Lederhaut aus Hornspalten) muss der Tierarzt unter örtlicher Betäubung
das veränderte Gewebe chirurgisch entfernen. Novaderma-Verbände werden
angelegt und regelmäßig gewechselt. Neben der lokalen Behandlung ist
eine systemische Antibiose einzusetzen, Penicillinpräparate sind
hier durchaus wirkungsvoll. Dabei wird die ganze Kuh
mit Antibiotikum „versorgt”, um einen ausreichend hohen
Wirkstoffspiegel zu erreichen, Wartezeiten sind gegebenenfalls zu
beachten.
Bei Infektionen der Lederhaut (auf Geschwüren, an der Sohle, an der Klauenspitze, non healing toe lesions etc.) und bei Infektionen der Euterhaut ist neben
der lokalen Therapie (an der Klaue chirurgisch und Novaderma-Verband)
eine systemische Antibiose über fünf bis sieben Tage anzuraten.
Klauenpflege und Hygienemaßnahmen sind das A und O
Betrachtet man Fußabdrücke von Hinterklauen eines Rindes auf weichem
Boden, fällt auf, dass die Klauen unterschiedlich stark einsinken. Die
hintere Außenklaue, die durch den schwankenden Gang eines Rindes etwas
stärker belastet wird, sinkt auch etwas tiefer in nachgiebigen Boden
ein. So wird die Innenklaue ebenfalls in die Belastung einbezogen, die
Außenklaue kann dem stärkeren Druck ausweichen. Die gesamte Klaue erhält
so bei jedem Schritt einen gleichmäßigen Abrieb, insbesondere die
biomechanisch wichtige Kehlung wird herausgeschilfert. Der
Zwischenklauen- und Ballenbereich wird durch das Durchtreten von Gras
und Boden gereinigt. Kühe sind zudem normalerweise nicht gezwungen, in
ihre eigene Gülle treten zu müssen, auf freien Flächen weichen sie oft
sogar gezielt aus. Im Stall dagegen ist der Aufenthaltsraum begrenzt,
die Tiere treten zwangsläufig immer wieder in Kuhfladen, je nach
Entmistungshäufigkeit bleiben diese auch lange liegen. Beim Einsatz von
Schiebern entstehen oft regelrechte Güllewellen und schwappen über die
Füße der Kühe, die nicht schnell genug ausweichen. Zudem wird
insbesondere die hintere Außenklaue auf harten Böden stärker beansprucht
und reagiert mit stärkerem Hornwachstum. Diesem Hornwachstum muss im
Stall mit regelmäßiger Funktioneller Klauenpflege begegnet werden. Das
Hygieneproblem muss durch entsprechende Entmistungstechniken gelöst
werden. Stehen zudem bequeme Liegeboxen/Liegeflächen zur Verfügung, die
pro Kuh für mindestens zwölf Stunden am Tag genutzt werden, dann kann
die Klaue während dieser Zeit immer wieder ausreichend abtrocknen. Steht
diese Ruhezeit nicht zur Verfügung, greift insbesondere die
feuchte Gülle Horn und Haut an den Füßen an. Rund um die Rinderklaue
entstehen so infektiös bedingte Krankheiten. Um diese Krankheiten als
Problem zu erkennen, ist es notwendig, die Häufigkeit ihres Auftretens
im Bestand zu kennen. Aber auch für das Einzeltier sollten die
Möglichkeiten zur Diagnostik genutzt werden. Ein regelmäßiger Locomotion
Score, also die Lahmheitsbeurteilung durch die Rückenkrümmung und die
Be- bzw. Entlastung von Gliedmaßen, gibt erste Hinweise auf die
Klauengesundheit im Stall. Die Beurteilung sollte von erfahrenen
Personen alle ein bis vier Wochen durchgeführt werden. Für die
komplette Herde ist
Anfangsstadien der Mortellaroschen Krankheit im Zwischenballenbereich
dies am günstigsten zum Beispiel während einer
Melkzeit durchführbar, wenn die Tiere den Melkstand in kleinen Gruppen
verlassen. Einzeltiere werden auf dem Weg in den Klauenstand beurteilt. Immer mehr professionelle Klauenpfleger dokumentieren ihre Klauenbefunde, bei der Klauenpflege durch den Landwirt selbst ist dies
ebenfalls zu empfehlen. Werden computergestützte Herdenprogramme
verwendet, sollten die Daten zur Klauengesundheit auch dort eingetragen
werden.Werden lahmende Tiere entdeckt, muss zwingend im Klauenstand
untersucht werden. Dabei erfolgt eine Klauenpflege, die einen
hervorragenden diagnostischen Wert hat. Gerade bei klauenkranken Tieren
müssen möglichst alle Klauen gepflegt werden, um Überbelastungen der
vermeintlich noch gesunden Partnerklauen zu vermeiden. Während der
Klauenpflege werden neben möglichen Horndefekten auch Hauterkrankungen
erfasst. Dafür müssen der Zwischenklauenspalt und der Ballenbereich
gereinigt und begutachtet werden. Viel Schmutz wird schon bei der
Klauenpflege entfernt. Daneben eignet sich Euter-Einmalpapier
hervorragend zur Reinigung. Gründlich gereinigt werden kann natürlich
auch mit fließendem, möglichst warmem Wasser und einer Bürste. Diese
muss anschließend in einer entsprechenden Lösung desinfiziert werden.
Mit einer Sprengringzange kann der Zwischenklauenspalt vollständig
eingesehen werden. Die Befunde sollten dokumentiert werden, am besten
über ein Computerprogramm vor Ort.
Die Ursachen beseitigen
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass eine
lokale Therapie sinnvoll nur im Klauenstand erfolgen kann und stets der
Zwischenklauenbereich mit beachtet werden muss. Zusätzlich muss den
Ursachen der Erkrankung auf den Grund gegangen werden – Hygiene,
Liegeflächen, Stallklima, Fütterung sind hier nur einige Schlagworte.