Tierhaltung | 13. März 2014

Mortellaro ist und bleibt ein Dauerbrenner

Von Dr. Andrea Fiedler, München
Die Mortellarosche Krankheit, auch Dermatitis digitalis oder Erdbeerkrankheit genannt, ist heute in vielen Milchviehställen die häufigste Klauenerkrankung. Ausgelöst wird sie durch Bakterien. Sind die Erreger erst einmal im Bestand, wird man sie nicht mehr los. Wie kann man sie in Schach halten?
Akute Mortellarosche Krankheit
Sind die Haltungsbedingungen nicht optimal, dann kann insbesondere  feuchte Gülle Horn und Haut an den Rinderklauen angreifen (siehe  Kasten auf der rechten Seite). Infektiös bedingte Klauenerkrankungen  sind die Folge.  Als Leitkeime für die Mortellarosche Krankheit gelten Treponemen. Daneben werden regelmäßig auch Staphylokokken, E. coli, Streptokokken, aber auch Porphyromonas levii, Fusobacter-Spezies und Mykoplasmen gefunden. Treponemen sind schraubenförmige, bewegliche Bakterien, die sich nach Vorarbeit der anderen Keime aktiv bis in tiefere Hautschichten einbohren können. Hier sitzen die Treponemen relativ geschützt – auch vor lokalen Behandlungsmethoden – und lösen  eine vermutlich lebenslange Infektion aus. Die Krankheit kann auch nach erfolgreicher Behandlung immer wieder aufblühen.  Es wurden zwischenzeitlich zahlreiche Unterarten nachgewiesen. Unter ihnen  gibt es besonders pathogene Typen, die für die unterschiedlich starke Ausprägung und die verschiedenen Erscheinungsformen der Erkrankung verantwortlich gemacht werden.
Zudem scheinen genetische Faktoren im Spiel zu sein. Eine  Veranlagung für diese  Erkrankung ist möglich. Sämtliche  Probleme mit der körpereigenen Abwehr können die digitale Dermatitis   erneut auslösen.
So zeigt sich die Krankheit
Bei der Klauenpflege und -reinigung werden die krankhaften Hautveränderungen (Läsionen) zweifelsfrei erkannt. Typisch ist die gerötete Oberfläche,  bei der sogenannten erosiven, also „aufbrechenden”, fast kraterförmigen Form auch der weiße erhabene Rand und vor allem  die  abstehenden und langen Haare. Bei der sogenannten wuchernden Form fallen Wucherungen aus der Läsion heraus ins Auge. Charakteristisch ist für akute Läsionen der Schmerz.
Unbedingt muss auch ein Blick in das Hauptreservoire der Erkrankung geworfen werden. Zwischen den Weichballen verbergen sich oft Verdachtsstadien der digitalen Dermatitis – kleinste Läsionen, die sich rasch vergrößern können. Dies ist bedeutsam für die Therapie. Denn neben der akuten, bereits beschriebenen Form sind diese Verdachtsstadien, aber auch chronische, vorübergehend ruhende Stadien, gezielt zu behandeln.
Therapiemöglichkeiten
Zunächst ist es unabdingbar, die Tiere vor der Behandlung an den Klauen zu beschneiden. Dies ist wichtig für die Einzeltiertherapie, aber auch beim regelmäßigen Klauenschnitt der Herde kann die  Behandlung danach gezielt erfolgen. Dabei werden die Klauen so gepflegt, dass der Ballen höchstmöglich erhalten wird. Die gefährdeten Bereiche am Ballen werden so aus der feuchten und gülleverschmutzten Umgebung herausgeholt. Schmerzen werden verringert, da kleinere betroffene Bereiche nicht mehr mit dem Boden in Berührung kommen. Dabei ist zu bedenken, wie tief die Treponemen in den Hautschichten nachgewiesen werden können. Dort sind sie vermutlich nicht allen lokalen Behandlungsmethoden zugänglich, insbesondere bei einer Spraybehandlung ist die Rückfallgefahr groß. Die Läsionen heilen zunächst oft ab, kehren aber nach sechs bis acht  Wochen wieder zurück.

Antibiotikahaltige Sprays
Bei kleineren Läsionen und Verdachtsstadien (vor allem Zwischenklauen- und Zwischenballenbereich) wird gründlich gereinigt, gegebenenfalls getrocknet und dann ein geeignetes antibiotikahaltiges Spray aufgetragen (auf die Konzentrationen und Anwendungsempfehlungen im Beipackzettel achten!). Die Behandlung sollte nach etwa 24 Stunden  wiederholt werden. Im Anschluss an die Behandlung ist eine trockene und saubere Aufstallung wichtig.

Novaderma-Paste
Die Wartezeit von einem Tag sowie der Umstand, dass ein Verband angelegt und wieder entfernt werden muss, lässt so manchen Landwirt vor dieser Therapie zurückschrecken. Momentan erscheint sie aber als die geeignetste Behandlungsmethode.

Mortella Heal
Die Verwendung einer Polyurethan-Wundauflage in Kombination mit einem fixierenden Verband ist eine weitere Möglichkeit der Behandlung. Das „Pflaster” wird dabei auf die Läsion aufgelegt, ein mitgeliefertes Druckpad soll den vollständigen Kontakt der porösen Oberfläche der Wundauflage mit der Läsion gewährleisten. Ein gepolsterter Verband fixiert das Pflaster über einen Zeitraum von zehn Tagen, währenddessen saugt sich die Auflage mit Wundflüssigkeit voll.
Unter der schützenden Abdeckung setzen die Selbstheilungskräfte sehr gut ein. Neue Haut bedeckt die Wunde nach zehn Tagen. 
 
Systemische Antibiose – Behandlung bei geschwürigen Lederhautveränderungen
Insbesondere bei Veränderungen innerhalb des Hornschuhes (nicht heilende Spitzengeschwüre, mit Treponemen infizierte Lederhaut, wuchernde Lederhaut aus Hornspalten) muss der Tierarzt unter örtlicher Betäubung das veränderte Gewebe chirurgisch entfernen. Novaderma-Verbände werden angelegt und regelmäßig gewechselt. Neben der lokalen Behandlung ist eine systemische Antibiose einzusetzen, Penicillinpräparate sind hier durchaus wirkungsvoll.           Dabei wird die ganze Kuh mit Antibiotikum „versorgt”,  um einen ausreichend hohen Wirkstoffspiegel zu erreichen, Wartezeiten sind gegebenenfalls zu beachten.
Bei Infektionen der Lederhaut (auf Geschwüren, an der Sohle, an der Klauenspitze, non healing toe lesions etc.) und bei Infektionen der Euterhaut ist neben der lokalen Therapie (an der Klaue chirurgisch und Novaderma-Verband) eine systemische Antibiose über fünf bis sieben Tage anzuraten.
Klauenpflege und Hygienemaßnahmen sind das A und O
Betrachtet man Fußabdrücke von Hinterklauen eines Rindes auf weichem Boden, fällt auf, dass die Klauen unterschiedlich stark einsinken. Die hintere Außenklaue, die durch den schwankenden Gang eines Rindes etwas stärker belastet wird, sinkt auch etwas tiefer in nachgiebigen Boden ein. So wird die Innenklaue ebenfalls in die Belastung einbezogen, die Außenklaue kann dem stärkeren Druck ausweichen. Die gesamte Klaue erhält so bei jedem Schritt einen gleichmäßigen Abrieb, insbesondere die biomechanisch wichtige Kehlung wird herausgeschilfert. Der Zwischenklauen- und Ballenbereich wird durch das Durchtreten von Gras und Boden gereinigt. Kühe sind zudem normalerweise nicht gezwungen, in ihre eigene Gülle treten zu müssen, auf freien Flächen weichen sie oft sogar gezielt aus. Im Stall dagegen ist der Aufenthaltsraum begrenzt, die Tiere treten zwangsläufig immer wieder in Kuhfladen, je nach Entmistungshäufigkeit bleiben diese auch lange liegen. Beim Einsatz von Schiebern entstehen oft regelrechte Güllewellen und schwappen über die Füße der Kühe, die nicht schnell genug ausweichen. Zudem wird insbesondere die hintere Außenklaue auf harten Böden stärker beansprucht und reagiert mit stärkerem Hornwachstum. Diesem Hornwachstum muss im Stall mit regelmäßiger Funktioneller Klauenpflege begegnet werden. Das Hygieneproblem muss durch entsprechende Entmistungstechniken gelöst werden. Stehen zudem bequeme Liegeboxen/Liegeflächen zur Verfügung, die pro Kuh für mindestens zwölf Stunden am Tag genutzt werden, dann kann die Klaue während dieser Zeit immer wieder ausreichend abtrocknen. Steht diese Ruhezeit nicht zur Verfügung, greift insbesondere die feuchte Gülle Horn und Haut an den Füßen an. Rund um die Rinderklaue entstehen so infektiös bedingte Krankheiten. Um diese Krankheiten als Problem zu erkennen, ist es notwendig, die Häufigkeit ihres  Auftretens im  Bestand zu kennen. Aber auch für das Einzeltier sollten die Möglichkeiten zur Diagnostik genutzt werden. Ein regelmäßiger Locomotion Score, also die Lahmheitsbeurteilung durch die Rückenkrümmung und die Be- bzw. Entlastung von Gliedmaßen, gibt erste Hinweise auf die Klauengesundheit im Stall. Die Beurteilung sollte von erfahrenen Personen alle ein bis vier Wochen durchgeführt werden. Für die komplette  Herde ist
Anfangsstadien der Mortellaroschen Krankheit im Zwischenballenbereich
dies am günstigsten zum Beispiel  während einer Melkzeit durchführbar, wenn die Tiere den Melkstand in kleinen Gruppen verlassen. Einzeltiere werden auf dem Weg in den Klauenstand beurteilt.  Immer mehr professionelle Klauenpfleger dokumentieren ihre  Klauenbefunde,  bei der Klauenpflege durch den Landwirt selbst ist dies ebenfalls  zu empfehlen. Werden computergestützte Herdenprogramme verwendet, sollten die Daten zur Klauengesundheit auch dort eingetragen werden.Werden lahmende Tiere entdeckt, muss zwingend im Klauenstand untersucht werden. Dabei erfolgt eine Klauenpflege, die einen hervorragenden diagnostischen Wert hat. Gerade bei klauenkranken Tieren müssen möglichst alle Klauen gepflegt werden, um Überbelastungen der vermeintlich noch gesunden Partnerklauen zu vermeiden. Während der Klauenpflege werden neben möglichen Horndefekten auch Hauterkrankungen erfasst. Dafür müssen der Zwischenklauenspalt und der Ballenbereich gereinigt und begutachtet werden. Viel  Schmutz wird schon bei der Klauenpflege entfernt. Daneben eignet sich Euter-Einmalpapier hervorragend zur Reinigung. Gründlich gereinigt werden kann natürlich auch  mit fließendem, möglichst warmem Wasser und einer Bürste. Diese muss anschließend in einer entsprechenden Lösung desinfiziert werden. Mit einer Sprengringzange kann der Zwischenklauenspalt vollständig eingesehen werden. Die Befunde sollten dokumentiert werden, am besten über ein Computerprogramm vor Ort.
Die Ursachen beseitigen
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass eine lokale Therapie sinnvoll nur im Klauenstand erfolgen kann und stets der Zwischenklauenbereich mit beachtet werden muss. Zusätzlich muss den Ursachen der Erkrankung auf den Grund gegangen werden – Hygiene, Liegeflächen, Stallklima, Fütterung sind hier nur einige Schlagworte.
   

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Mortellarosche Krankheit