Politik | 21. März 2014

Mitgliedstaaten haben Freiräume beim Greening

Von AgE
Die EU-Kommission hat am 11. März ihre Vorschläge für Detailregelungen zur EU-Agrarreform beschlossen. Danach bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, was auf Vorrangflächen angebaut werden darf und wie dies geschehen kann – also mit oder ohne Pflanzenschutzmittel und Mineraldünger.
Allerdings müssen die nationalen Behörden nachweisen, dass der Anbau die Biodiversität erhöht. Dazu sollen sie Listen mit geeigneten Kulturen aufstellen. Beim Anbau von Stickstofffixierern sollen ausdrücklich die Vorschriften der Nitratrichtlinie und der Wasserrahmenrichtlinie berücksichtigt werden, „da bei stickstoffbindenden Pflanzen die Gefahr von Stickstoffauswaschungen im Herbst möglicherweise erhöht ist”, heißt es. Daneben dürfen die Mitgliedstaaten die EU-Vorgaben verschärfen.
Als förderfähige Landschaftselemente gelten unter anderem Hecken, Bäume, bewirtschaftungsfreie Feldränder, traditionelle Steinmauern sowie Teiche, Gräben und Kanäle ohne Kunststoff- oder Betonwände. Hinsichtlich beihilfefähiger Hektarstreifen an Waldrändern können die Mitgliedstaaten beschließen, ob eine landwirtschaftliche Erzeugung zugelassen wird oder ein Anbauverbot gilt. In diesem Fall darf den Betriebsinhabern unter anderem die Option Weidehaltung angeboten werden. Der Deutsche Bauernverband (DBV) befürchtet weitere Lasten für seine Mitglieder, während die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) eine strenge Umsetzung in Deutschland verlangt.
Unterschiedliche Gewichtung
In die Berechnung der ökologischen Vorrangflächen fließt eine Reihe von Gewichtungsfaktoren ein. Beispielsweise soll der Anbau von ein Hektar Stickstofffixierern oder Zwischenfrüchten nur als 0,3 Hektar ökologische Vorrangfläche gewertet werden. Die Fläche einer Hecke oder eines Grabens hingegen würde doppelt verrechnet. Freistehende Bäume, Baumgruppen, Ackerrandstreifen oder Teiche gehen mit dem Faktor 1,5 in die Ermittlung des notwendigen Anteils von fünf Prozent der Ackerfläche ein. Eins zu eins zählen Brachen oder Terrassen.
„Aktiver Landwirt”
Verstöße gegen die Greeningauflagen sollen gestaffelt anlaufen. Missachtet ein Landwirt drei Jahre hintereinander einen Teil der Auflagen, wird nur ein anteiliger Abzug der Greeningprämie fällig. Beispiel: Er hält  die ökologischen Vorrangflächen nicht ein, setzt aber die Anbaudiversifizierung korrekt um. Ab dem vierten Jahr muss er jedoch mit dem Verlust des vollen Betrages rechnen. Bei schwergewichtigen Unregelmäßigkeiten ist ab 2017 mehr als die volle Greeningzahlung in Gefahr.
Gemäß der Agrarreform haben grundsätzlich alle natürlichen und juristischen Personen, die auch tatsächlich einer landwirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, einen Beihilfeanspruch. Sie sind „aktive Landwirte”. Unter Vorbehalt einer Einzelfallprüfung ausgeschlossen sind auf EU-Ebene pauschal Flughäfen, Wasserwerke, dauerhafte Sport- und Freizeitflächen, Eisenbahnen und Immobiliendienstleister. Die Mitgliedstaaten können diese Liste eigenständig erweitern und darüber hinaus zusätzliche Ausschlusskriterien bestimmen, wann eine landwirtschaftliche Aktivität als unwesentlich eingestuft wird. Dazu hat die Kommission jetzt festgelegt, dass landwirtschaftliche Tätigkeiten dann als unwesentlich gelten, wenn sie weniger als ein Drittel zum Gesamteinkommen beitragen. Mitgliedstaaten, die solche zusätzlichen Ausschlusskriterien einführen wollen, können diesen Schwellenwert auch senken – solange gewährt bleibt, dass niemand mit lediglich marginaler landwirtschaftlicher Tätigkeit Direktzahlungen erhält. Von Seiten der Kommission wurde auf Anfrage versichert, dass Bauernhöfe mit Landtourismusangeboten nicht als Immobiliendienstleister, die ihre Förderfähigkeit nachweisen müssen, gewertet werden sollen. Dazu sei ein schriftlicher Auslegungshinweis in Arbeit.
Junglandwirte
Junglandwirte, die den Hof schrittweise von ihren Eltern übernehmen, können die Sonderförderung aus der Ersten Säule in vollem Umfang erhalten, also einen Zuschlag von 25 Prozent auf den normalen Direktbeihilfenanspruch.
Bei der Sonderförderung für Junglandwirte pocht die EU- Kommission darauf, dass die Kinder vom ersten Jahr der An- tragstellung an tatsächlich über die Entscheidungsgewalt im Betrieb verfügen müssen.
Allerdings pocht die Kommission darauf, dass die Kinder vom ersten Jahr der Antragstellung an tatsächlich über die Entscheidungsgewalt im Betrieb verfügen müssen. Eine Beteiligung nur auf dem Papier, während beispielsweise der Sohn Agrarwissenschaften studiert und praktisch der Vater den Hof leitet, gilt als nicht ausreichend. Diese Regelung ist über das traditionelle Eltern-Kind-Band hinaus auch auf andere gemeinschaftlich geführte Betriebe anwendbar.
Rat und Europaparlament haben jetzt vorerst zwei Monate Zeit, die Texte in Augenschein zu nehmen. Verstreicht diese Frist ohne Einspruch, gelten die sogenannten delegierten Rechtsakte als endgültig verabschiedet und werden im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Aber auch dann ist das Paket noch nicht vollständig: Die Kommission wird anschließend im Ausschussverfahren Durchführungsrechtsakte voranbringen, mit denen die einheitliche Umsetzung der Vorschriften in den Mitgliedstaaten erleichtert werden soll. Rat oder Parlament können einen Aufschub von zwei zusätzlichen Monaten verlangen – dies erscheint wegen der nahenden Europawahl im Mai jedoch unwahrscheinlich.
Bürokratiewahn befürchtet
Aus Sicht des DBV bedürfen die Detailregelungen dringend einer Korrektur. Durch den delegierten Rechtsakt werde der GAP-Kompromiss vom Juni 2013 teilweise unterlaufen, monierte der Bauernverband in Berlin. Dessen Präsidium fordert insbesondere Nachbesserungen und Klarstellungen bei den Regelungen zum Status des „aktiven Landwirts” sowie für den Anbau von Zwischenfrüchten und Eiweißpflanzen im Rahmen des Greenings. Der DBV appellierte an die Europaabgeordneten und den Ministerrat, sich dafür einzusetzen.
 Im Hinblick auf die Regelung zum „aktiven Landwirt” befürchtet der Bauernverband einen „Bürokratiewahn” und dass bis zu 100 000 deutsche Betriebe alle außerlandwirtschaftlichen Umsätze im Detail nachweisen müssten. Es mangelt nach Auffassung des DBV-Präsidiums an einer praktikablen Ausgestaltung, um überzogene Prüfungen von Landwirten mit jeglichem Immobilienvermögen, mit Pensionspferdehaltung oder mit anderen Einkommensquellen zu verhindern. Gefordert wird vom Bauernverband, dass zum Nachweis des „aktiven Landwirts” allein die aktive Landbewirtschaftung maßgeblich bleiben müsse.
Der DBV kritisiert außerdem, dass die EU-Kommission Chancen zur Förderung des Eiweißpflanzenanbaus verspiele. Ein Gewichtungsfaktor von lediglich 0,3 zur Anrechnung des Anbaus stickstoffbindender Pflanzen innerhalb der ökologischen Vorrangflächen mache den Anbau dieser Kulturen unattraktiv. Zusätzlich sei die Regelung, wonach künftig die Mitgliedstaaten Beschränkungen der Düngung und des Pflanzenschutzes für Zwischenfrüchte auf ökologischen Vorrangflächen erlassen könnten, nicht akzeptabel, stellte der Bauernverband fest. Eine solche nationale Option öffne Tür und Tor für neuerliche Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten.
Bund muss handeln
Die AbL wies darauf hin, dass die Kommissionsvorschläge den Mitgliedstaaten ausdrücklich gestatteten, eigene spezifische Vorgaben insbesondere für ökologische Vorrangflächen zu erlassen. „Damit bestätigt die EU-Kommission das Recht der Bundesregierung, etwa nur solche Flächen als ökologische Vorrangflächen anzuerkennen, die ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln genutzt werden”, betonte der AbL-Bundesvorsitzende Bernd  Voß.