Pflanzenbau | 09. Juli 2015

Mit Schlupfwespen gegen Kornkäfer & Co.

Von Solene Juillet und Sylvia Melchior, AMW Nützlinge
Nicht nur bis zur Ernte, sondern auch im Lager droht dem Getreide Gefahr. Verluste durch Lagerschädlinge können ebenso hoch sein wie durch Feldschädlinge, Krankheiten, Unkräuter oder ungünstiges Druschwetter. Die Freisetzung von parasitären Insekten beugt Käfern und Motten vor.
Gegen die Larven von Vorratsschädlingen wie dem Korn- und anderen Käfern, die sich im Innern von Körnern und anderen Vorräten entwickeln, können Lagererzwespen eingesetzt werden.
Die Mehrzahl der Schädlinge, die trockene pflanzliche Vorräte befallen, entwickelt sich in Mitteleuropa nur im Innern von Gebäuden. Deshalb gibt es Erstbefall nur durch Schädlinge, die aus anderen Lagern zuwandern oder durch bereits befallene Ware eingeschleppt werden.
Lagerhygiene wichtig
Sauberkeit im Lager ist ganz wichtig
Aber häufig haben sich die Schädlinge über Jahre im Lager etabliert. Sie überleben an Produktresten, die in schwer zu reinigenden Bereichen liegen bleiben, oder überdauern als Ruhestadien. Selbst an geringen Getreidemengen können sich kleine Schädlingspopulationen erhalten,  bei Gelegenheit massenhaft vermehren und neue Lagerware befallen. Deshalb sollten geräumte Lager mit größter Sorgfalt gereinigt werden, um neuem Befall vorzubeugen.
Darüber hinaus ist zur gezielten Bekämpfung der Einsatz natürlicher Feinde der Vorratsschädlinge hilfreich. Sie spüren diese aktiv in ihren Verstecken auf, parasitieren sie und stoppen damit deren Vermehrung. Im Gegensatz zu chemischen Bekämpfungsmaßnahmen müssen hier keine Warte- oder Sperrzeiten eingehalten werden.
Die Nützlinge kommen in geringer Stückzahl auch natürlich vor. Es sind aber meist zu wenige für eine effektive Bekämpfung der Vorratsschädlinge. Deshalb werden die Tiere speziell gezüchtet, vermehrt und in gefährdeten Lagerräumen freigesetzt.
Bewährt hat sich dabei die sogenannte Überschwemmungsmethode. Bei dieser Strategie werden die Nützlinge zu bestimmten Zeitpunkten in großer Anzahl freigelassen. Als Folge verschiebt sich das Verhältnis von Schädlingen und Nützlingen zugunsten der Nützlinge und die  Schädlingspopulation bricht zusammen.
Der Einsatz nützlicher Insekten ist ab einer Temperatur von 15 °C möglich. Die Tiere überleben aber auch wesentlich niedrigere Temperaturen und können im Einzelfall im ungeheizten Lager überwintern, allerdings parasitieren sie dann nicht mehr. 
Schädliche Käfer
Gegen Käferlarven, wie die des Kornkäfers, die sich im Inneren von Getreidekörnern, Leguminosen, Pellets und ähnlichem entwickeln, können derzeit zwei verschiedene Nützlinge aus der Familie der Erzwespen eingesetzt werden. Es handelt sich um die Lagererzwespe (Lariophagus distinguendus; Bild oben) und die Maiskäfer-Erzwespe (Anisopteromalus calandrae). Beide Arten sind in Mitteleuropa heimisch. Sie parasitieren die späten Larvenstadien und Puppen der Kornkäfer.
Beide Nützlinge besitzen die Fähigkeit, die im Innern der Körner verborgenen Schädlingslarven  aufzuspüren. Sie können befallene von unbefallenen Körnern eindeutig unterscheiden. Versuche mit Lagererzwespen haben bewiesen, dass sie in einem Silo einzelne befallene Körner zwischen 230000 unbefallenen Körnern fanden. Dabei orientieren sie sich an flüchtigen Geruchsstoffen, die vom Kot der Käferlarven abgegeben werden.
Für die Leerraumbehandlung werden beide Arten in Kombination eingesetzt. Sind Vorräte oder Betriebsanlagen im Lager vorhanden, muss die Ausbringungsmenge erhöht werden. Die Einsatztemperatur muss mindestens 15 bis 18 °C betragen, sonst sind die Insekten nicht genügend aktiv. In ihrem etwa zweiwöchigen Leben parasitieren die Erzwespenweibchen bis zu 70 Larven. Sie sollten zur  Behandlung leerer Getreidelager mindestens zwei bis drei Wochen vor der Neubeschickung freigesetzt werden. Die Bekämpfung wird danach noch einen bis zwei Monate weitergeführt, um auch das neue Getreide zu schützen.  
Neben dem Kornkäfer ist der Getreideplattkäfer (Oryzaephilus surinamensis) wirtschaftlich am wichtigsten. Er folgt dem Kornkäfer; seine Larven leben im geschütteten Getreide außerhalb der Körner. Er kommt aber auch regelmäßig in verarbeitenden Betrieben vor, zum Beispiel an Haferflocken. Die Larven des Getreideplattkäfers werden von den Weibchen des einheimischen Getreideplattkäfer-Ameisenwespchens (Cephalonomia tarsalis) durch einen Einstich gelähmt, dann folgt die Eiablage. Ein Nützling parasitiert im Mittel etwa 100 Larven. Bei 21 °C entwickelt sich das Ameisenwespchen in 26 Tagen vom Ei bis zum Vollinsekt. Auch hier werden für die Entwicklung Temperaturen über 15 °C benötigt. Trotz der geringen Größe sind die Ameisenwespchen sehr langlebig, bei 21 °C rund 80 Tage.
Gegen Motten
Pheromonfalle für das Schädlingsmonitoring im Getreidelager
Die Schlupfwespe Trichogramma evanescens parasitiert die Eier verschiedener Mottenarten wie der Dörrobst-, Speicher- und Mehlmotten. Die Nützlinge sind mit 0,3 mm winzig klein, erreichen dadurch aber Motteneier in allen Schlupfwinkeln.  
Die Larven der schädlichen Motten können mit Brackwespen (Bracon hebetor) bekämpft werden. Die Motten vollenden ihre Entwicklung im Herbst oft nicht und  überwintern im letzten Larvenstadium bis zum Frühjahr. Diese Diapause-Larven sind schwer zu erreichen, da sie aus dem Getreide auswandern und sich in Mauerritzen, Holzabtrennungen und anderem verkriechen. Sobald die Temperaturen im Frühjahr ansteigen, vollenden sie ihre Entwicklung und die ersten Falter beginnen zu fliegen.
Die Brackwespen leben bis zu zwei Wochen und die Weibchen legen nach dem Einstich – der die Mottenlarve sofort lähmt – Eier an dem Schädling ab. Während ihrer Entwicklung saugt die Nützlingslarve die Mottenlarve aus, es bleibt nur deren Hülle übrig.
Die Nützlinge können sich so lange weiter vermehren, wie sie Eier oder Larven ihrer Zielschädlinge finden. Sind keine Wirte mehr zu finden, dann sterben auch die Nützlinge aus.    Der Einsatz von Nützlingen ist am wirksamsten, wenn vorbeugend gearbeitet wird.
Mit dem Einsatz der Trichogramma-Schlupfwespen sollte in der Regel im Frühling begonnen werden, wenn die ersten Falter auftreten. Die biologische Bekämpfung wirkt in der Regel langsamer als eine chemische Maßnahme, da nur bestimmte Entwicklungsstadien der Schädlinge erfasst werden. Außerdem wirken Nützlinge ganz spezifisch nur gegen bestimmte Schädlinge, mitunter nur gegen eine Art wie beim Getreideplattkäferwespchen. Deshalb ist es für den Erfolg wichtig, die Schädlinge genau zu bestimmen.
Außerdem sollten die Lagerräume nach der Reinigung kontinuierlich im Rahmen eines Monitoringprogrammes mit Pheromonfallen überwacht werden. Bei der biologischen Bekämpfung steht die Vorbeugung mehr im Vordergrund als die Bekämpfung einer Massenvermehrung von Schädlingen. Hier geht es also eher darum, bereits Anfänge eines Befalls zu erkennen und bei Bedarf unverzüglich eingreifen zu können.  
Nützlinge reagieren sehr empfindlich auf alle chemischen Substanzen. Eine Kombination mit chemischen Bekämpfungsmaßnahmen ist daher nicht möglich. Auch Kieselgur tötet die Nützlinge ab, daher soll es nur mit deutlichem zeitlichen Abstand zu einer Freilassung von Nützlingen  zum Einsatz kommen.