Tierhaltung | 08. Januar 2015

Mit Rundholz unkonventionell gebaut

Von Dr. Michael Götz, Eggersriet/ Schweiz
Ställe aus Rundholz sind selten. Sie können sich gut in die Umgebung einpassen und erlauben Eigenleistung, aber das Bauen setzt handwerkliches Können voraus. Stützen, Firsthölzer und Rückwand des im Folgenden vorgestellten Mutterkuhstalles bestehen aus geschälten Baumstämmen.
Christian und Brigitte Enderlin haben vor drei Jahren in  Lengwil im schweizerischen Kanton Thurgau einen Offenfrontstall für ihre Mutterkühe gebaut. Der Stall ist entlang der Fressachse ganz und an beiden Querseiten zum großen Teil offen. Gegen Westen ist er im Tierbereich geschlossen, um den Liegeplatz vor Regen und vor Wind zu schützen.
Blick auf die schmale Seite des Stalles.

Der Stall, das heißt die betonierte Fläche, ist 40 m lang und 16 m breit. Auch in der Höhe hat der Landwirt nicht gespart. Vorne ist das Pultdach sechs Meter hoch, hinten fünf Meter. „Je offener der Stall ist, desto weniger Zugluft gibt es”, erklärt Enderlin. Dank des großen Luftvolumens verflüchtigt sich die Feuchtigkeit, die die Tiere abgeben. Nur selten bildet sich  am nicht beschichteten Trapezblechdach Kondenswasser, das zum großen Teil das Blech entlang abläuft. Ein nachträglich auf der offenen Ostseite im oberen Bereich angebrachtes Windschutznetz soll das Tiefstreubett vor allem vor Schnee schützen.
Die Tiere haben es schön in dem offenen Stall. „Nur der Nebel ist ein Problem”, sagt Enderlin. Dann wird es feucht im Stall und es braucht viel Stroh. Damit muss der Landwirt leben bei einem Offenstall, der vor allem von Herbst bis Frühjahr belegt ist. Im Sommer sind die Mutterkühe mit ihren Kälbern auf einer Alp im Engadin. Dann steht der Stall leer. Im Herbst sind alle Tiere auf der Weide, solange das Wetter es zulässt
Der Fressplatz ist nicht überdacht. Auf der Ostseite ist der Stall auf der ganzen Länge offen.

Tiefstreu ist die billigste Variante
Wichtig ist dem Landwirt, dass die Kälber, welche alle im Herbst nach der Alpung zur Welt kommen, über eine geschützte Nische verfügen. Deshalb hat er im Stall eine Querwand aus Strohballen eingezogen und darüber die Strohbühne angebracht. So muss er auch die Einstreu nicht weit transportieren. „Die Tiefstreu ist die billigste Variante”, sagt Enderlin. Dank Tiefstreu konnte er beim Neubau ein zusätzliches Güllelager einsparen. Das Stroh stammt fast zur Hälfte von den eigenen Feldern. Als Biobauern schätzen Enderlins außerdem  den  Tiefstreumist als wertvollen Dünger, der den Humus fördert.
„Je offener der Stall ist, desto weniger Zugluft gibt es”, so Enderlin.

Ein Vorteil eines Stalles mit Tiefstreu gegenüber einem mit Liegeboxen ist, dass die Liegefläche offen ist und sich der Stall leicht mittels Panels unterteilen lässt. Das Fundament der Liegefläche liegt 50 cm unter dem Fressplatzboden. Für die Tiere ist der Höhenunterschied kein Problem. Um genügend Raum für die im Winter wachsende Tiefstreu zu haben, müsste der Boden der Liegefläche allerdings noch tiefer sein und es bräuchte eine zusätzliche Stufe. Damit die Tiefstreu nicht zu hoch wächst, entfernt der Landwirt etwa alle sechs Wochen mit dem Hoflader die vorderen zwei Meter der Tiefstreu. Dieses Verfahren ist eine Art Kombination von Tiefstreu und Tretmist. 
In Harmonie mit der Umgebung
Stützen sowie  Firsthölzer und Rückwand des Stalles bestehen aus geschälten Baumstämmen. „Holz und Bäume sind meine zweite Berufung”, sagt Christian Enderlin, der neben seinem Beruf als Landwirt auch als Baumpfleger arbeitet. Außerdem gehört zum Betrieb Wald, dessen Holz Enderlin als Baumaterial nutzen wollte. Das erlaubte ihm, wie er sagt, ein natürliches Baumaterial zu verwenden und Eigenleistung zu erbringen. Der Rundholzstall passt zu den Hochstammbäumen, die ihn umgeben. „Der Stall ist in Harmonie mit der Umgebung”, drückt es Enderlin aus. Die Betonarbeiten übergab er einem lokalen Baugeschäft und arbeitete im Lohn mit. Als stabile Verbindung zum Fundament ließ er H-Träger einbetonieren, welche die Baumstämme fixieren. Zum Einführen der Stämme verwendete er einen Holzrückewagen.
Eine abgetrennte Bucht mit Tiefstreu und Strohbühne.

Einfach ist die Arbeit mit Rundholz nicht. Oft muss man einen Stamm anpassen, bis er richtig sitzt. Eine Herausforderung war das Aussägen der Rundungen oben an den Dachstützen als Auflage für das First- bzw. Traufholz. Dafür verwendete der Bauherr Schablonen entsprechend dem Maß der sich verjüngenden Fichtenstämme. Er arbeitete von einem „Hydraladder”  – einer hydraulischen Arbeitsbühne  –  aus, wie man ihn im Hochstammobstbau verwendet. Hier waren nicht nur die Geschicklichkeit des Handwerkers gefragt, sondern auch gute Ideen.
 „Alleine hätte ich es nicht gekonnt. Meine Frau hat mir beim Bauen geholfen”, hält der Landwirt fest. Brigitte Enderlin ist gelernte Floristin und betreut die Direktvermarktung der Hofprodukte. „Alles hat gepasst. Es gab keinen Unfall. Das Vertrauen zu den Handwerkern muss da sein”, fasst Enderlin  das Wichtigste zusammen.
Auch finanziell hat sich die einfache Bauweise gelohnt. Der Mutterkuhplatz kam auf etwa 7500 Euro. Man muss sich dabei bewusst sein, dass keine neue Güllegrube und kein neues Futterlager nötig waren. Betonarbeiten sind meistens das Teuerste beim Stallbau.
Ohne Schieber geht es kaum
Der Stall bietet Platz für 26 Mutterkühe mit ihren Kälbern. Der fünf Meter breite Lauf- und Fressplatz wird durchgehend von einem Schieber gereinigt. „Ohne Schieber geht es kaum”, sagt der Landwirt. Er schiebt das Kot-Harn-Gemisch in einen Querkanal am Ende des Stalles, von wo es in die Güllegrube geleitet wird. Ein Spülstutzen und eine Staunase sind Voraussetzung, dass der Abfluss gut funktioniert.
Mit Panels unterteilbarer Liegebereich. Hinten die Nische für die Kälber.

Wenn es im Winter schneit, dürfe er den Schieber auf keinen Fall laufen lassen, betont der Landwirt, der schon in zwei Wintern Erfahrungen gesammelt hat. Denn dann gefriere der Schnee im Querkanal zu einem „Klotz” und der Ablauf werde verstopft. Da ist es angebracht, ein paar Tage zu warten, bis der Schnee geschmolzen ist. Der Stall befindet sich nahe dem Bodensee auf 500 m ü. M., wo der Schnee meistens nicht lange liegen bleibt.
Nicht überdachter Fressplatz
Nicht nur die Baukonstruktion ist unkonventionell, sondern auch der nicht überdachte Fressplatz. Ein Dach über dem Futter sei bei Mutterkühen nicht notwendig, da die Futterration nur aus Heu und Grassilage bestehe, führt der Landwirt aus. Wenn es regnet, füttere er die Tiere eher mit Silage und bei trockenem Wetter eher mit Heu.
Die Stützen mussten entsprechend der Stärke des Firstholzes ausgesägt werden.

Die Metallstützen, welche er vorsorglich als Dachträger angebracht hatte, verwendet er zur Aufhängung des Kälberschlupfgitters am Fressplatz. So steht den Kälbern ein separater Fressplatz zur Verfügung. Die Kühe kann der Landwirt an einem Selbstfangfressgitter einsperren, um Behandlungen durchzuführen. Was  in seinem Stall noch fehle, sei ein Pflegestand. Der Landwirt hat den idealen, festen Standort dafür noch nicht gefunden. 
H-Eisenträger fixieren die Rundhölzer.