Politik | 19. Juni 2019

Ministerien schicken gemeinsamen Dünge-Vorschlag nach Brüssel

Von AgE
Das Bundesumwelt- und das Bundeslandwirtschaftsministerium präsentieren der EU-Kommission einen gemeinsamen Vorschlag für schärfere Düngeregeln in Deutschland.
Eine Herbstdüngung von Raps soll möglich sein, wenn mit einer Bodenprobe nachgewiesen wird, dass der verfügbare Stickstoffgehalt im Boden unter 45 kg je Hektar liegt.
Wie erwartet haben die Ressorts die letzten noch offenen Fragen in der vergangenen Woche geklärt. Extensiv wirtschaftende Betriebe und Ökobetriebe, die durchschnittlich weniger als 160 kg Stickstoff je Hektar und Jahr und davon maximal 80 kg mineralisch düngen, sollen von der vorgesehenen 20-prozentigen Unterdüngung in den roten Gebieten ausgenommen werden.
Eine Herbstdüngung von Raps soll möglich sein, wenn mit einer Bodenprobe nachgewiesen wird, dass der verfügbare Stickstoffgehalt im Boden unter 45 kg je Hektar liegt. Bleiben soll es dabei, dass auf Dauergrünland die Düngung nicht reduziert werden muss.
Schon länger war klar, dass beide Ministerien an der Reduzierung der Düngung in den sogenannten roten Gebieten um 20 Prozent im Betriebsdurchschnitt festhalten. Zusätzlich soll es eine Mengenobergrenze in Höhe von 170 kg Stickstoff je Hektar und Jahr pro Schlag geben.
Kritische Haltung von DBV und DRV
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bezeichnete die vorgelegten Maßnahmen als fairen Kompromiss zwischen den strengen Grenzwerten der Nitratrichtlinie und den Anforderungen an eine nachhaltige Pflanzenproduktion. Der Deutsche Bauernverband (DBV) bekräftigte seine grundsätzliche Kritik an der Abkehr von einer bedarfsgerechten Düngung. Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) warnte vor negativen Folgen einer weiteren Düngerechtsverschärfung für die Veredelungsstandorte. Umweltverbänden gehen die geplanten Änderungen der Düngeverordnung hingegen nicht weit genug.
Ein Stück weit tragen die Ressorts der vorgebrachten Kritik an der pauschalen Unterdüngung in den roten Gebieten Rechnung. Neben den angeführten Ausnahmen sollen Betriebe flexibel entscheiden können, welche Kulturen weiter nach maximalem Bedarf gedüngt werden. Im Gegenzug soll allerdings auf anderen Flächen in den besonders belasteten Gebieten weniger gedüngt werden, um die Mengenobergrenzen einzuhalten. Auf diese Weise will man den betriebs- und anbauspezifischen Besonderheiten Rechnung tragen.
Sperrzeiten verlängern in den roten Gebieten
Verlängert werden sollen die Sperrzeiten in den roten Gebieten. Dort sollen Festmist und Kompost künftig nicht vom 1. Dezember bis zum 31. Januar ausgebracht werden dürfen. In den übrigen Gebieten soll es beim Zeitraum 15. Dezember bis 15. Januar bleiben. Die Sperrfrist für die Düngung von Grünland soll in den mit Nitrat belasteten Gebieten um zwei Wochen verlängert werden und damit vom 15. Oktober bis zum 31. Januar gelten. Flächendeckend soll eine Begrenzung der Düngung aus flüssigen organischen und flüssigen organisch-mineralischen Düngemitteln einschließlich flüssiger Wirtschaftsdünger auf Grünland im Herbst vom 1. September bis zum Beginn der Sperrfrist in Höhe von 80 kg Gesamtstickstoff je Hektar eingeführt werden.
Strengere Regeln für Hangflächen
Auf stark geneigten Flächen, die innerhalb eines Abstands von 30 m zur Böschungskante eines oberirdischen Gewässers eine Hangneigung von mindestens 15 Prozent aufweisen, sollen künftig stickstoff- oder phosphathaltige Düngemittel innerhalb eines Abstands von 10 m nicht aufgebracht werden dürfen. Bisher gilt hier ein Abstand von 5 m. Zusätzlich sollen bei Ackerland auf diesen Flächen die ausgebrachten Düngemittel auf der gesamten Fläche eingearbeitet werden müssen, wenn kein hinreichend entwickelter Pflanzenbestand vorhanden ist. Damit soll das Abschwemmen von Stickstoff in angrenzende Gewässer verhindert werden.Auf Flächen, die innerhalb eines Abstands von 20 m zur Böschungskante eines oberirdischen Gewässers eine Hangneigung von mindestens fünf Prozent bis unter zehn Prozent aufweisen, soll ein Mindestabstand bei der Ausbringung stickstoff- oder phosphathaltiger Düngemittel von 2 m zur Böschungskante dieses Gewässers einzuhalten sein. Auf allen Flächen, die innerhalb eines Abstands von 20 m zur Böschungskante eines oberirdischen Gewässers eine Hangneigung von mindestens 10 Prozent aufweisen, sollen stickstoffhaltige Düngemittel bei einem ermittelten Düngebedarf von mehr als 80 kg Gesamtstickstoff je Hektar nur in Teilgaben aufgebracht werden dürfen.
Klöckner und Schulze reisen nach Brüssel
Noch im Juni wollen Ministerin Klöckner und ihre Kabinettskollegin Svenja Schulze nach Brüssel reisen und die Vorschläge mit Umweltkommissar Karmenu Vella diskutieren. Ihren Willen zur Umsetzung eines strengeren Düngerechts will die Bundesregierung zudem mit einem Kabinettsbeschluss voraussichtlich noch vor der Sommerpause unterstreichen. Darin sollen Eckwerte der geplanten Änderung der Düngeverordnung festgelegt werden. Die Novelle der Düngeverordnung soll bis Frühjahr 2020 vom Bundesrat beschlossen worden sein.
Die Bundesregierung hofft, eine zweite Klage der Europäischen Kommission gegen Deutschland wegen Nichteinhaltung der EU-Nitratrichtlinie und damit drohende empfindliche Strafzahlungen abwenden zu können.
Nur mühsam konnten die Agrarier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ihren Unmut verbergen. „Wir hätten uns andere Vorschläge gewünscht”, erklärten die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann, Agrarsprecher Albert Stegemann sowie die CSU-Agrarpolitikerin Marlene Mortler. Aus ihrer Sicht hätte es Spielraum für Optionen gegeben, „die die Betriebe nicht so stark belasten und dennoch zu wirkungsgleichen Ergebnissen führen”. „Wir sehen Gesprächsbedarf”, betonten die Unionspolitiker. Klöckner unterstrich den Handlungsbedarf im Düngerecht, machte aber  deutlich, dass sie sich von der EU-Kommission mehr Zeit gewünscht hätte, um die mit der Novelle der Düngeverordnung von 2017 beschlossenen Maßnahmen zunächst wirken zu lassen.
DBV-Präsident Joachim Rukwied räumte ein, dass wichtige Änderungen gegenüber den ursprünglichen Düngeplänen der Bundesregierung vorgenommen worden seien, und nannte beispielhaft die Ausnahmeregelung für Dauergrünland in den roten Gebieten. Nicht nachzuvollziehen ist für ihn jedoch das Festhalten an der pauschalen Kürzung der Düngung um 20 Prozent, die weder fachlich zu begründen noch von der EU-Kommission gefordert worden sei. „Diese weitreichenden Vorgaben  setzen betriebliche Existenzen aufs Spiel”, warnte Rukwied.