Die Agrarminister der Länder drängen darauf, dass die Bauern weniger Milch produzieren. Zunächst geben sie freiwilligen Maßnahmen mit Bonuszahlungen den Vorzug. Wenn das nichts hilft, plädieren sie für eine Verpflichtung zur Mengendrosselung ohne Entschädigung.
Die Milchbeschlüsse der Agrarminister werden in der Branche sehr unterschiedlich bewertet.
Die deutsche Agrarpolitik bewegt sich in Richtung einer staatlichen Regulierung des Milchmarkts. Zwar haben sich die Agrarminister der Länder auf ihrer Frühjahrskonferenz am vergangenen Freitag in Göhren-Lebbin (Mecklenburg-Vorpommern) darauf verständigt, zunächst freiwilligen Maßnahmen zur Reduzierung des Milchangebots den Vorrang zu geben. Dabei sollen Molkereien und Erzeuger, die sich daran beteiligen, mit staatlichen Bonuszahlungen unterstützt werden.
Sollte innerhalb der nächsten Monate damit keine nennenswerte Marktentlastung erreicht werden, plädieren die Länder für eine verpflichtende Regelung. Dann soll der Bund auf europäischer Ebene die Möglichkeiten für eine zeitlich befristete, entschädigungslose Mengenbegrenzung und die sich daraus ergebenden Sanktionsmöglichkeiten prüfen lassen und umsetzen. Eine Rückkehr zur Quotenregelung schließen die Minister aber aus.
Zweites EU-Hilfspaket gefordert
Zur Sicherung der Liquidität fordern die
Ressortchefs ein zweites, ausreichend ausgestattetes EU-Hilfspaket.
Künftige Liquiditätshilfen sollten ihrer Auffassung nach mit dem Ziel
einer Mengenreduzierung verbunden werden.
Der Bund wird von den Ländern aufgefordert, weitere Maßnahmen zur
Unterstützung der Betriebe auf den Weg zu bringen. Dazu zählten eigene
Haushaltsmittel für Liquiditätshilfen. Der Bundeszuschuss für die
landwirtschaftliche Unfallversicherung soll für die kommenden Jahre
mindestens auf dem Niveau von 2016 verstetigt werden.
Der Milchbeschluss wurde von grüner Seite als Erfolg gewertet.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt räumte ein, dass er
über einige der Vorschläge in Richtung einer Mengenregulierung nicht
glücklich sei. Er werde die gestellten Prüfaufträge aber sorgfältig
abarbeiten, versicherte der CSU-Politiker. Mecklenburg-Vorpommerns
Landwirtschaftsminister Till Backhaus zeigte sich als Gastgeber
zufrieden, dass ein Beschluss zustandegekommen sei, nachdem es
zwischenzeitlich nicht danach ausgesehen habe. „Ich hoffe, die Botschaft
kommt in der Branche an”, sagte der SPD-Politiker. Die Marktbeteiligten
bekämen letztmalig die Chance, die Milchmenge eigenverantwortlich zu
reduzieren.
Für Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner trägt das Ergebnis insgesamt die „bayerische Handschrift”. Brunner sprach von einem
wichtigen Signal an die Bauern. Nordrhein-Westfalens
Landwirtschaftsminister Johannes Remmel wies darauf hin, dass sich die
vorgeschlagenen Maßnahmen mit den Vorstellungen der EU-Kommission
deckten. Der Grünen-Politiker rief Bundesminister Schmidt auf, seine
ablehnende Haltung gegenüber der milchpolitischen Position seines
französischen Kollegen Stéphane Le Foll aufzugeben. Der Deutsche
Bauernverband (DBV) kritisierte die Entscheidung der Minister zur
Eindämmung der Milchmenge scharf, während der
Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) sie begrüßte (siehe unten). Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) wertete
das Votum der Agrarminister als „großen Fortschritt”.
In ihrem Beschluss verweisen die Agrarminister auf die von der
Kommission eingeräumten neuen Möglichkeiten zur Mengenplanung zwischen
den Marktpartnern. Schmidt kündigte an, deren Umsetzung zügig
voranzutreiben.
Möglichkeiten nicht genutzt
Die Länderressortchefs werfen der Milchbranche vor, ihrer
gemeinsamen Verantwortung für ein marktkonformes Lieferverhalten
bislang nicht gerecht zu werden. Verbindliche Vereinbarungen zu Menge,
Preis und Laufzeiten könnten die Position der Milcherzeuger im Markt
stärken, ließen sich jedoch offenbar nicht durchsetzen. Vor diesem
Hintergrund wird der Bund gebeten, sich für eine Anpassung der
entsprechenden Rechtsvorschriften in der Gemeinsamen Marktordnung
einzusetzen, um dies durchzusetzen. Für unerlässlich hält die
Agrarministerkonferenz ein zweites, ausreichend ausgestattetes
EU-Hilfspaket, das aus dem Bundeshaushalt aufgestockt werden müsste.
Zu dem von der AMK vorgeschlagenen Hilfspaket zählen ferner eine
zeitlich befristete Übernahme des Arbeitgeberanteils bei
Sozialversicherungen, ein Erlass der Restschuld aus öffentlichen
Darlehen, die in den Neunzigerjahren für Investitionen in die
Tierhaltung gewährt wurden, die Ausdehnung der steuerlichen
Gewinnglättung von derzeit zwei auf vier Jahre sowie die Einführung
einer steuerlichen Risikoausgleichsrücklage.
Der Bund wird aufgefordert, sich in Brüssel für spontane
Herauskaufaktionen zur kurzfristigen Entlastung des Milchmarkts, die
Verwendung von EU-Lebensmitteln für Nahrungsmittelhilfen in
Krisenregionen sowie neue Instrumente wie Versicherungslösungen zur
Stabilisierung landwirtschaftlicher Einkommen einzusetzen.
Schließlich halten die Minister eine Entlastung der Betriebe bei den
Sozialabgaben und im steuerlichen Bereich für geboten und treten für
eine unbefristete Verlängerung und Verschärfung des Verkaufsverbots für
Lebensmittel unter Einstandspreis ein.
DBV: „Beschlüsse sind populistisch und helfen nicht”
Udo Folgart, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, kritisierte scharf den Beschluss der Agrarminister der Bundesländer, die Milchproduktion in Deutschland notfalls mit gesetzlichen Eingriffen zu reduzieren. „Wiederholte Diskussionen über nationale Begrenzung der Milchproduktion sind im EU-Binnenmarkt völlig wirkungslos. Sie wecken darüber hinaus Hoffnungen, die nicht erfüllt werden können… Dementsprechend sind die gefassten Beschlüsse, mit denen sich für das staatliche Eingreifen in den Milchmarkt ausgesprochen wird, nur populistisch und helfen nicht!”
Die Umsetzung der Beschlüsse würde ferner die Verlässlichkeit der europäischen Agrarpolitik unterlaufen. „Der Kurs der zunehmenden Marktorientierung der Agrarpolitik wurde in den vergangenen Jahrzehnten von Politikern aller Couleur mitgestaltet und -getragen. Die Androhung einer entschädigungslosen Mengenbegrenzung widerspricht diesem Kurs eklatant”, so Folgart weiter. Angesichts der wirtschaftlichen Probleme zahlreicher landwirtschaftlicher Betriebe sollte die Bundesregierung nach Ansicht des DBV diejenigen Beschlüsse der Agrarministerkonferenz umsetzen, die tatsächlich zur kurzfristigen finanziellen Entlastung der Betriebe beitragen. Hierzu gehören laut DBV ein erhöhter Bundeszuschuss zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung, die Nutzung nationaler Beihilfen für ein Liquiditätsprogramm oder auch Entlastungen bei den Sozialabgaben und im Steuerbereich. Mittelfristig würden steuerliche Anreize zur einzelbetrieblichen Risikovorsorge sowie die Verbesserung der wettbewerbs- und kartellrechtlichen Instrumente von hoher Bedeutung nicht nur für die deutschen Milchbauern sein, so der DBV.
Handlungsbedarf sieht der Verband ebenfalls bei der künftigen Gestaltung der Lieferbeziehungen zwischen den Erzeugern und ihren Molkereien. Es bedarf hierbei einer besseren Abstimmung zu den Anlieferungsmengen sowie Elementen zur preislichen Absicherung. Staatliche Vorgaben können jedoch nicht zu befriedigenden Lösungen führen.
BDM: Beschlüsse richtungsweisend
Als richtungsweisend wertet der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) gegenüber der Presse die Beschlüsse der Agrarministerkonferenz (AMK) in Göhren-Lebbin zur Reduzierung der Milchmenge. Der BDM-Vorsitzende Romuald Schaber zeigte sich erleichtert: „Die Beschlüsse zeigen Marktvernunft der AMK-Teilnehmer.” Eine Schlüsselrolle, wie zügig und engagiert die Beschlüsse der AMK umgesetzt werden, komme einmal mehr Bundesminister Christian Schmidt und seinem Ministerium zu. Auch die Verbände der Molkereiwirtschaft und der Bauernverband seien gefordert, alle Vorbehalte hintanzustellen und sachorientiert an schnellen Wegen aus der Krise aktiv mitzuarbeiten.