Politik | 21. April 2016

Minister wollen den Milchfluss eindämmen

Von AgE/red
Die Agrarminister der Länder drängen darauf, dass die Bauern weniger Milch produzieren. Zunächst geben sie freiwilligen Maßnahmen mit Bonuszahlungen den Vorzug. Wenn das nichts hilft, plädieren sie für eine Verpflichtung zur Mengendrosselung ohne Entschädigung.
Die Milchbeschlüsse der Agrarminister werden in der Branche sehr unterschiedlich bewertet.
Die deutsche Agrarpolitik bewegt sich in Richtung einer staatlichen Regulierung des Milchmarkts. Zwar haben sich die Agrarminister der Länder auf ihrer Frühjahrskonferenz am vergangenen Freitag in Göhren-Lebbin (Mecklenburg-Vorpommern) darauf verständigt, zunächst freiwilligen Maßnahmen zur Reduzierung des Milchangebots den Vorrang zu geben. Dabei sollen Molkereien und Erzeuger, die sich daran beteiligen, mit staatlichen Bonuszahlungen unterstützt werden.
Sollte innerhalb der nächsten Monate damit keine nennenswerte Marktentlastung erreicht werden, plädieren die Länder für eine verpflichtende Regelung. Dann soll der Bund auf europäischer Ebene die Möglichkeiten für eine zeitlich befristete, entschädigungslose Mengenbegrenzung und die sich daraus ergebenden Sanktionsmöglichkeiten prüfen lassen und umsetzen. Eine Rückkehr zur Quotenregelung schließen die Minister aber aus.
Zweites EU-Hilfspaket gefordert
Zur Sicherung der Liquidität fordern die Ressortchefs ein zweites, ausreichend ausgestattetes EU-Hilfspaket. Künftige Liquiditätshilfen sollten ihrer Auffassung nach  mit dem Ziel einer Mengenreduzierung verbunden werden.
Der Bund wird von den Ländern aufgefordert, weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Betriebe auf den Weg zu bringen. Dazu zählten eigene Haushaltsmittel für Liquiditätshilfen. Der Bundeszuschuss für die landwirtschaftliche Unfallversicherung soll für die kommenden Jahre mindestens auf dem Niveau von 2016 verstetigt werden.
Der Milchbeschluss wurde von grüner Seite als Erfolg gewertet. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt räumte ein, dass er über einige der Vorschläge in Richtung einer Mengenregulierung nicht glücklich sei. Er werde die gestellten Prüfaufträge aber sorgfältig abarbeiten, versicherte der CSU-Politiker. Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus zeigte sich als Gastgeber zufrieden, dass ein Beschluss zustandegekommen sei, nachdem es zwischenzeitlich nicht danach ausgesehen habe. „Ich hoffe, die Botschaft kommt in der Branche an”, sagte der SPD-Politiker. Die Marktbeteiligten bekämen letztmalig die Chance, die Milchmenge eigenverantwortlich zu reduzieren.
Für Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner trägt das Ergebnis insgesamt die „bayerische Handschrift”. Brunner sprach von einem wichtigen Signal an die Bauern. Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsminister Johannes Remmel wies darauf hin, dass sich die vorgeschlagenen Maßnahmen mit den Vorstellungen der EU-Kommission deckten. Der Grünen-Politiker rief Bundesminister Schmidt auf, seine ablehnende Haltung gegenüber der milchpolitischen Position seines französischen Kollegen Stéphane Le Foll aufzugeben. Der Deutsche Bauernverband (DBV) kritisierte die Entscheidung der Minister zur Eindämmung der Milchmenge scharf, während der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) sie begrüßte (siehe unten). Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) wertete das Votum der Agrarminister als „großen Fortschritt”.
In ihrem Beschluss verweisen die Agrarminister auf die von der Kommission eingeräumten neuen Möglichkeiten zur Mengenplanung zwischen den Marktpartnern. Schmidt kündigte an, deren Umsetzung zügig voranzutreiben.
Möglichkeiten nicht genutzt
Die Länderressortchefs werfen der Milchbranche vor, ihrer gemeinsamen Verantwortung für ein marktkonformes Lieferverhalten bislang nicht gerecht zu werden. Verbindliche Vereinbarungen zu Menge, Preis und Laufzeiten könnten die Position der Milcherzeuger im Markt stärken, ließen sich jedoch offenbar nicht durchsetzen. Vor diesem Hintergrund wird der Bund gebeten, sich für eine Anpassung der entsprechenden Rechtsvorschriften in der Gemeinsamen Marktordnung einzusetzen, um dies durchzusetzen. Für unerlässlich hält die Agrarministerkonferenz ein zweites, ausreichend ausgestattetes EU-Hilfspaket, das aus dem Bundeshaushalt aufgestockt werden müsste.
Zu dem von der AMK vorgeschlagenen Hilfspaket zählen ferner eine zeitlich befristete Übernahme des Arbeitgeberanteils bei Sozialversicherungen, ein Erlass der Restschuld aus öffentlichen Darlehen, die in den Neunzigerjahren für Investitionen in die Tierhaltung gewährt wurden, die Ausdehnung der steuerlichen Gewinnglättung von derzeit zwei auf vier Jahre sowie die Einführung einer steuerlichen Risikoausgleichsrücklage.
Der Bund wird aufgefordert, sich in Brüssel für spontane Herauskaufaktionen zur kurzfristigen Entlastung des Milchmarkts, die Verwendung von EU-Lebensmitteln für Nahrungsmittelhilfen in Krisenregionen sowie neue Instrumente wie Versicherungslösungen zur Stabilisierung landwirtschaftlicher Einkommen einzusetzen.
Schließlich halten die Minister eine Entlastung der Betriebe bei den Sozialabgaben und im steuerlichen Bereich für geboten und treten für eine unbefristete Verlängerung und Verschärfung des Verkaufsverbots für Lebensmittel unter Einstandspreis ein.
DBV: „Beschlüsse sind populistisch und helfen nicht”
Udo Folgart, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, kritisierte scharf den Beschluss der Agrarminister der Bundesländer, die Milchproduktion in Deutschland notfalls mit gesetzlichen Eingriffen zu reduzieren. „Wiederholte Diskussionen über nationale Begrenzung der Milchproduktion sind im EU-Binnenmarkt völlig wirkungslos. Sie wecken darüber hinaus Hoffnungen, die nicht erfüllt werden können… Dementsprechend sind die gefassten Beschlüsse, mit denen sich für das staatliche Eingreifen in den Milchmarkt ausgesprochen wird, nur populistisch und helfen nicht!”
Die Umsetzung der Beschlüsse würde ferner die Verlässlichkeit der europäischen Agrarpolitik unterlaufen. „Der Kurs der zunehmenden Marktorientierung der Agrarpolitik wurde in den vergangenen Jahrzehnten von Politikern aller Couleur mitgestaltet und -getragen. Die Androhung einer entschädigungslosen Mengenbegrenzung widerspricht diesem Kurs eklatant”, so Folgart weiter. Angesichts der wirtschaftlichen Probleme zahlreicher landwirtschaftlicher Betriebe sollte die Bundesregierung nach Ansicht des DBV diejenigen Beschlüsse der Agrarministerkonferenz umsetzen, die tatsächlich zur kurzfristigen finanziellen Entlastung der Betriebe beitragen. Hierzu gehören laut DBV ein erhöhter Bundeszuschuss zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung, die Nutzung nationaler Beihilfen für ein Liquiditätsprogramm oder auch Entlastungen bei den Sozialabgaben und im Steuerbereich. Mittelfristig würden steuerliche Anreize zur einzelbetrieblichen Risikovorsorge sowie die Verbesserung der wettbewerbs- und kartellrechtlichen Instrumente von hoher Bedeutung nicht nur für die deutschen Milchbauern sein, so der DBV.
Handlungsbedarf sieht der Verband ebenfalls bei der künftigen Gestaltung der Lieferbeziehungen zwischen den Erzeugern und ihren Molkereien. Es bedarf hierbei einer besseren Abstimmung zu den Anlieferungsmengen sowie Elementen zur preislichen Absicherung. Staatliche Vorgaben können jedoch nicht zu befriedigenden Lösungen führen.
BDM: Beschlüsse richtungsweisend
Als richtungsweisend wertet der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) gegenüber der Presse die Beschlüsse der Agrarministerkonferenz (AMK) in Göhren-Lebbin zur Reduzierung der Milchmenge. Der BDM-Vorsitzende Romuald Schaber zeigte sich erleichtert: „Die Beschlüsse zeigen Marktvernunft der AMK-Teilnehmer.” Eine Schlüsselrolle, wie zügig und engagiert die Beschlüsse der AMK umgesetzt werden, komme einmal mehr Bundesminister Christian Schmidt und seinem Ministerium zu. Auch die Verbände der Molkereiwirtschaft und der Bauernverband seien  gefordert, alle Vorbehalte hintanzustellen und sachorientiert an schnellen Wegen aus der Krise aktiv mitzuarbeiten.