Betrieb und Wirtschaft | 05. Februar 2015

Milchquotenende bei belastetem Markt

Von René Bossert
Was passiert am Milchmarkt nach dem 1. April? Dazu und zu den mittelfristigen Marktperspektiven nahmen bei der Hochschwarzwälder BLHV-Kreisversammlung vergangene Woche in Neustadt zwei Milchexperten Stellung.
„Wir haben 2014 in der EU heftig Milch produziert und der Markt ist noch immer überversorgt”, erklärte Schwarzwaldmilch-Geschäftsführer Andreas Schneider. Dazu trage der russische Importstopp ebenso bei wie die inzwischen schwächere Aufnahmefähigkeit des chinesischen Marktes. Neuseeland produziere und exportiere nach wie vor auf hohem Niveau. Aber auch auf Länder, die normalerweise nicht im Zentrum der Milchmarkt-Analysen stehen, machte Schneider aufmerksam: So behindere die anhaltende Krise in Lybien die Exporte dorthin ebenso, wie die Ebola-Epidemie Exporte nach Westafrika belaste. Auch in Syrien und Palästina wirken sich   Kriege und Konflikte negativ auf das Wirtschaftsgeschehen aus. „Die Summe dieser negativen Faktoren macht im Moment das Problem aus”, stellte Schneider fest.
Russlands Bedeutung
Auf den marktbedeutenden Einfluss des Russland-Embargos wies Dr. Hans-Jürgen Seufferlein hin. Der Geschäftsführer des Verbandes der Milcherzeuger Bayern (VMB) sagte, dass ein Drittel der europäischen Käseexporte vormals nach Russland ging. In Richtung Russland sieht Seufferlein auch noch kein Licht am Ende des Tunnels, obwohl auf der Grünen Woche Gespräche im Hinblick auf eine Lockerung geführt wurden.   Er habe Russland für 2015 abgeschrieben. Der schwache Eurokurs nütze insgesamt derzeit beim Export wenig, es  fehle einfach an der Nachfrage, sagte Seufferlein.
Trotz der vielen Probleme in Exportstaaten sieht er aktuell Stabilisierungstendenzen am Markt. „Ich hatte mir den Marktverlauf zwischen Mitte Dezember und Mitte Januar noch schlimmer vorgestellt”, kommentierte er.   Eine Prognose über das erste Quartal hinaus wollte der bayerische Experte aber nicht abgeben. „Erst  einmal wird schon Gas gegeben am 1. April, aber dann wird sich das wieder einpendeln”, meinte er. Die Sorge, dass auf längere Frist die Milch weniger werde, sei bei den privaten Molkereien in Süddeutschland zu spüren, auch wenn sie das nicht zugeben würden: Die Flächen werden knapp, hinzu kommen Programme mit Viehbesatz-Grenzen. 
Freilich müsse man das Thema Einigkeit der Milchbauern in der Vermarktung weiter bearbeiten: „Es darf nicht jeder machen, was er will.” Molkereien seien Geschäftspartner, man dürfe die Brücken zu ihnen nicht komplett abreißen: „Die Molkereien werden auch nicht mehr, bitte keine Feindschaften.”
Neben der reinen Marktbetrachtung sprach  Seufferlein weitere Zukunftsthemen und gesellschaftliche Trends an.  Das Thema Veganismus sollte man nach seiner Ansicht nicht bagatellisieren. Zu erinnern sei auch an   Tierrechtler, welche die Nutztierhaltung abschaffen wollen. Abzuwarten bleibe, wie die Tierschutz-Diskussion weiterlaufe:  Weidehaltung, Enthornen,   die Schlachtung trächtiger Rinder und die Anbindehaltung seien hier  Stichworte.
Molkereistruktur
Zur Molkereistruktur meinte Seufferlein, dass es in Süddeutschland keinen Größenwahn gebe und auch keinen geben müsse. Leistungsfähige Regionalmolkereien hätten eine gute Ausgangsposition: „Nicht-Austauschbarkeit zählt”, sagte der Bayer.
Mit Blick auf die benachteiligten Gebiete warnte er  vor der Vorstellung, ein ordentlicher Milchpreis reiche aus. Ohne Subventionen gehe  in manchen Gegenden Bayerns und Baden-Württembergs die Milcherzeugung nun einmal nicht. „Das können wir vom Staat  zu Recht fordern, weil wir landeskulturelle Werte schaffen”, so  Seufferlein.     Diesen Gedanken griff  BLHV-Vizepräsident Franz Käppeler in seinem Schlusswort auf: BLHV und die Arbeitsgemeinschaft für Höhenlandwirtschaft müssten weiterhin versuchen, das eine oder andere von der Politik herauszukitzeln, um die Milchviehhaltung im Schwarzwald zu sichern, betonte er. 
Wie die Schwarzwaldmilch anders sein will
Andreas Schneider ist ein Mann der klaren Worte und er weiß, wohin er mit der Schwarzwaldmilch will. Das wurde bei seinem Vortrag in Neustadt deutlich.  „Wir wollen anders sein”,  lautet der Kern seiner Strategie: „Was keiner kann, hat Sex.”    Von den Erzeugern forderte er den Willen ein, den Unterschied zu wagen.  Neben der Differenzierung sei die Diversifikation wichtig.  „Auf einem Bein steht sich schlecht.” Das zeige sich vor allem in Abschwungphasen des Marktes.
Dritte Grundüberzeugung des Schwarzwaldmilch-Geschäftsführers: Klasse statt Masse, dies gelte in jedem Teilsegment. Die Milchwirtschaft im Schwarzwald habe exzellente Perspektiven, aber nur, wenn man als Unternehmen hellwach bleibe:  „FAKT ist gut und schön, aber entscheidend ist, was man selber auf die Straße bringt.”
Wie sieht Schneiders Route für die Schwarzwaldmilch konkret aus? Für die Frischeprodukte gehe es um Stärkung der einzelnen Markenlinien – LAC, Biomilch und Weidemilch bei gleichzeitiger Stärkung der Dachmarke. Es gebe wenige Molkereien, die geerdeter, authentischer und
regionaler seien als die Schwarzwaldmilch. Er  will der Dachmarkenkommunikation mit der Werbebotschafterin Anna, einer jungen Milchbäuerin,  ein Gesicht und eine Ausrichtung geben.  Anna sei modern und kommunikativ. Auch über Facebook und
YouTube werde geworben. Schneider ist überrascht, wie viele Reaktionen es darauf  gibt, obwohl die Schwarzwaldmilch ein Unternehmen mit einer ruhigen Marke ist.
  Im zweiten Halbjahr solle die gesamte Milch für die Markenprodukte gentechnikfrei erzeugt werden. Handelsmarken sollen zurückgefahren werden. „Unser Volumen an Biomilch um die Hütte zu vermarkten, kriegen wir nicht hin”, stellte Schneider fest. Ebenso sieht es bei LAC aus: 40 % werden in Baden-Württemberg umgesetzt, der Rest außerhalb. Hier sind fructose- und glucosefreie Produkte in Vorbereitung. Langfristiges Ziel beim Umsatz sei eine Verteilung von 50 % Baden-Württemberg, 25 % im übrigen Deutschland und 25 % im Export. Dieses Ziel gelte für die Molkerei insgesamt.
Beim Bereich Pulver sieht Schneider eine gute Ausgangsposition für die Türme 1 und 2 im Offenburger Werk: auf Turm 1, dem kleinsten, werden saure Pulver hergestellt. Auf Turm 2 werden Nichtmilchprodukte getrocknet, was gut laufe. Weniger klar ist für Schneider die Zukunft für Turm 3,  in dem  Magermilch- und Vollmilchpulver produziert werden.    Hier gehe es um die Themen neue Produkte und Kooperation.
Als weiteres Standbein benannte er  den Bereich Käse. Im Mai soll ein Hartkäse aus Biomilch auf den Markt kommen. Den lässt man produzieren – „eine Käserei würde viele Millionen Euro kosten und und wir haben genügend Baustellen in Freiburg und Offenburg”, stellte Schneider fest. Im Bereich Käse werde man noch einige Dinge mehr machen. Die Stichwörter Weidemilch und Heumilch tauchten auf der Folie auf, wurden von Schneider aber im Vortrag nicht näher erläutert.