Milchmarkt und FFH-Flächen sorgen für Frust
Auch Wolfgang Reimer sieht die Milchwirtschaft in einer schwierigen Lage: „Wir werden bei der Milch einen Strukturbruch bekommen”, prophezeite der Ministerialdirektor im Stuttgarter Landwirtschaftsministerium. Er sprach von einem Auseinanderklaffen bei der Entwicklung der Betriebe: Während Baden-Württemberg 3000 Betriebe mit weniger als 20 Kühen und nur 2500 mit mehr als 50 Kühen habe, sei es in Norddeutschland fast normal, wenn Erzeuger von 80 auf 200 oder von 150 auf 300 Kühe erweitern.
Nach Reimers Eindruck will die EU-Kommission die Drittlandsexporte ausweiten, ebenso wie man auch im Bundeslandwirtschaftsministerium auf den freien Markt setze. In Süddeutschland lobte er die Gestaltungskraft einiger Molkereien, denen es gelungen sei, die Marktchancen im Biobereich für sich zu nutzen. Die weitere Aufnahmekapazität in diesem Segment aber schätzt Reimer nicht als so umfangreich ein, wie sie eigentlich nötig wäre.
Auch BLHV-Präsident Werner Räpple sprach von „beginnenden Diskussionen” über mehr Flexibilität bei der Lieferbeziehung zur Molkerei. Der Winzer aus Oberrotweil erinnerte an den Weinsektor, wo man einen „Deckel drauf macht”, wenn es zu Überangeboten kommt.
Reimer benutzte den Ausdruck „freiwillig” auch, als es um die Anbindehaltung ging, und warnte davor, dass der Lebensmitteleinzelhandel eigene Standards setzen könnte, indem er Milch aus Anbindehaltung nicht mehr akzeptiert. Trotz der Marktlage appellierte Reimer, gegebenenfalls in den Stallbau zu investieren. Das AFP-Programm biete dafür einen Zuschuss von 20%. Mit dem Standard „tiergerecht” gibt es 30%.
Nicht zur Rubrik „freiwillig” gehört dagegen das Weidetagebuch: Laut Reimer dient es der Verwaltung als Nachweis, dass sich die Kühe tatsächlich auf der Weide befinden. Deswegen müsse es tagesaktuell geführt werden. Das werde stichprobenartig überprüft, zumal es für Milchkühe eine Weideprämie gibt.
In Frankreich wurden große, zusammenhängende Gebiete als FFH-Flächen ausgewiesen, auf denen ein „potenzielles Vorkommen” von wertvollen Pflanzengesellschaften angenommen wird. Eine Kartierung fand dort bisher noch nicht statt. Die darin einbezogenen Landwirte erfüllen die Auflagen des Naturschutzes auf freiwilliger Basis.
Laut Hubert God, BLHV-Referent für Umwelt und Natur, liegt die Verantwortlichkeit für den ökologischen Zustand der Gebiete beim Staat. Damit besteht ein erheblicher Kontrast gegenüber der FFH-Umsetzung in Deutschland, wo die Einzelparzellen mit ihrem ökologischen Bestand längst kartiert wurden und wo die Verantwortlichkeit für die Erhaltung des ökologischen Zustandes und seiner Qualität beim Bewirtschafter liegt.
Das wird spätestens bei der Nachkartierung ein Thema, die regelmäßig nach zwölf Jahren vorgenommen wird und bei der die Daten über den Aufwuchs
in einen ökologischen Quali-
tätsvergleich mit der vorangegangenen Kartierung kommen. Für Baden-Württemberg hat das naturschutzrechtliche Verschlechterungsverbot eine besondere Bedeutung: Laut
God kann daraus für den betroffenen Landwirt ein sogenannter Rückholungszwang entwickelt werden.
Andererseits haben die nach Brüssel gemeldeten FFH-Flächen durch ihre Kartierung einen ökologischen Bestandsschutz erhalten. Durch die häufig aufgetretenen Veränderungen droht der Landesverwaltung laut Reimer ein Vertragsverletzungsverfahren der EU. In Fischerbach räumte Reimer ein, dass die Weiterleitung der kartierten Flächendaten nach Brüssel ein Fehler war – der von der Vorgängerregierung zu verantworten sei.