Politik | 09. Juni 2016

Milch aus dem Land zur Marke machen

Von Walter Eberenz und René Bossert
Der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk hat zum Auftakt seiner zweiten Amtszeit als Minister gleich das Thema Milchkrise zu beackern. Wie ist seine Haltung dazu und was kann das Land tun, wollte die BBZ in einem Gespräch in Freiburg von ihm wissen.
Peter Hauk war bereits von 2005 bis 2010 baden-württembergischer Landwirtschaftsminister. Auch damals gab es schon eine Milchkrise, in deren Zuge Hauk bei der damaligen Breisgaumilch in Freiburg „freundlich mit Mist begrüßt wurde”, wie er sich im Gespräch mit der BBZ zurückerinnert.
Das Echo auf den Milchgipfel Ihres Kollegen auf Bundesebene, Christian Schmidt, ist in der vergangenen Woche sehr unterschiedlich gewesen. Wie fällt Ihre Beurteilung aus?
 
Ich finde positiv, dass Soforthilfen beschlossen wurden. Die brauchen die Landwirte zwingend – vor allem diejenigen, die vor noch nicht allzu langer Zeit investiert haben. Auch die steuerliche Glättung halte ich für ein sinnvolles Instrument.
Aber wir können dabei nicht stehenbleiben. Der zweite Schritt ist das Thema Mengensteuerung. Die EU hat ja für die Krisenzeit wettbewerbsrechtliche Lockerungen beschlossen. Ich halte es für richtig, dass die Marktpartner sich in der Krise bei den Mengen absprechen mit dem Ziel, die Mengen zu reduzieren. Wir müssen jetzt noch im Sommer das Agrarmarktstrukturgesetz verabschieden. Dieses ist zustimmungspflichtig, das heißt, auch der Bundesrat muss zustimmen.
Und in einer dritten Stufe müsste man über weitere Direkthilfen nachdenken, sollte das Agrarmarktstrukturgesetz nicht ausreichen. Dann müsste der Bund nochmals Geld zur Verfügung stellen.

Nach welchen Kriterien würde dieses Geld verteilt?

Weder über die Höhe noch über die Verteilung gibt es zum jetzigen Zeitpunkt Vorstellungen. Wir müssen versuchen, mit den Marktpartnern Lösungen zu finden, die langfristig tragen. 

Alle Marktpartner sind gefordert, Lösungen zu finden, die Politik kann nur Rahmenbedingungen schaffen, betonte Peter Hauk (Mitte) im Gespräch mit den BBZ-Redakteuren Walter Eberenz (links) und René Bossert.
Was kann Baden-Württemberg für die Milchbauern tun?

Wir investieren in der Zweiten Säule wie kein anderes Bundesland in die Grünlandstandorte, und zwar laufend. Wir fördern zweitens die Risikostreuung,  beispielsweise über Urlaub auf dem Bauernhof.
Was man zusätzlich machen kann, das ist das Thema Vermarktung und dort, wo es sich anbietet, das Thema Umstellungshilfen von konventionell auf Bio. Die Schwarzwaldmilch agiert ja im Bereich Bio vorbildlich.
Die Edeka Südwest hat sich zumindest bei den regionalen Markenprodukten und ihrer Eigenmarke „Unsere Heimat” der Preisabwärtsspirale entzogen. Der Absatz ist nicht eingebrochen. Man sieht also, es geht. Wenn wir das Marketing für regionale Produkte noch ein Stück weit verstärken, dann haben wir schon viel gewonnen.
Ansonsten dürfen wir keine Direktbeihilfen geben, weil es beihilferechtlich verboten ist. Falls im Rahmen des EU-Krisenregimes weiteres Geld fließen sollte, dann wäre Baden-Württemberg das letzte Land, dass sich weigern würde, mitzumachen. Aber es geht doch jetzt in erster Linie darum, die Menge zu reduzieren. Lebensmittel-Einzelhandel,  Molkereien und Erzeuger sind hier gefragt.
Wieviel seid ihr bereit zu reduzieren, wenn ihr sowieso nichts mehr verdient – das ist doch die Frage, die jetzt an die Bauern geht! Und die habe ich auch im Rahmen des Milchgesprächs in Baden-Württemberg gestellt.

Wer war dazu alles eingeladen und wie beurteilen Sie die Ergebnisse?

Eingeladen waren die Bauernverbände, der BDM, die Genossenschaften, die Arbeitsgemeinschaft Ökologische Landwirtschaft, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft sowie Ehrenamtliche und Hauptamtliche der Molkereien.
Alle waren sich einig, dass die Milchmenge zu hoch ist. Aber über Möglichkeiten der Regulierung waren wir uns nicht einig, weil die Molkereien bei einer Mengenreduzierung fürchten, dass die Konkurrenz aus dem Ausland profitieren würde. An dieser Stelle muss aber weiter gesprochen werden.
Nötig ist eine gemeinsame Vermarktungsstrategie im Land. Wir brauchen dazu den Dialog mit dem Einzelhandel und eine Verstärkung des Marketings für die Qualitätsprogramme des Landes – wie das Qualitätszeichen Baden-Württemberg (QZ) oder das Bio-Zeichen Baden-Württemberg. Auch für Spezialitäten wie Heumilch müssen wir Märkte weiter erschließen. Und schließlich müssen wir eine langfristige Verbraucherkampagne zur Stärkung regionaler Produkte starten. Prüfen müssen wir, ob wie in der Schweiz eine stärkere Verwendung von Grundfutter aus Grünland gefördert werden kann. 
 
Wie, glauben Sie, kann man die Milchkrise lösen?

Es wird politisch nur über solche Krisensteuerungs-Instrumente gehen und über die Möglichkeit von Liquiditätshilfen. Wir werden den Markt nicht ersetzen können und der Staat wird keinen künstlichen Markt schaffen können.
Ich bin immer noch optimistisch, was den Export angeht. Die gedämpfte Nachfrage in China wird nicht ewig anhalten. Vor acht Jahren hat sich das am Markt gelöst und es wird auch jetzt wieder so sein. Nach einem Tief kommt ein Hoch. Aber man muss jederzeit wieder mit einem Tief rechnen. Man darf nicht zu euphorisch werden. Wie viele Milchbauern haben Rücklagen gebildet, als der Preis hoch war? 
 
Inwieweit deckt sich Ihre Analyse mit der des grünen Koalitionspartners?

Vollständig. Wir sind uns einig, dass das Thema Mengensteuerung in der Krisenzeit notwendig ist. Das ist der zentrale politische Punkt, bei dem wir agieren. Aber nicht staatlich. Und auch nicht, wie der BDM vorschlägt: Wir produzieren weniger, aber der Staat soll das, was wir weniger produzieren, ausgleichen.

Wie läuft eigentlich der Koalitionsalltag zwischen Grün und Schwarz allgemein und landwirtschaftlich?

Man ist neugierig darauf, was man tut. Neugierde kann man am besten befriedigen, indem man vollkommene Transparenz walten lässt. Ich habe mit den Kollegen der grünen Landtagsfraktion – ich nenne hier aus dem landwirtschaftlichen Bereich Martina Braun und Martin Hahn – ein gutes Auskommen. Es findet ein regelmäßiger Austausch statt, das ist wichtig.