Tierhaltung | 25. November 2021

Methan reduzieren und Zeit gewinnen

Von Prof. Maria Müller-Lindenlauf
Methan ist eines der drei wichtigsten Treibhausgase. Allerdings ist es viel kurzlebiger als CO2. Was das für die Klimawirksamkeit und die Emissionsreduktionen bedeutet, darüber ist eine Diskussion entbrannt. Dieser Beitrag möchte etwas Klarheit in die Debatte bringen.
Biogen nennt man das Methan, das Kühe ausstoßen. Im Gegensatz zu fossilem Methan ist es klimaneutral, da es in einen natürlichen Kohlenstoffkreislauf eingebunden ist.
Methanemissionen aus der Landwirtschaft müssen neu bewertet werden. Das fordern einige landwirtschaftliche Branchenverbände vor dem Hintergrund des neuen Bundes-
klimaschutzgesetzes und der Vorschläge der EU-Kommission zum Klimaschutz. Durch Methan aus der Landwirtschaft entstehe demnach kein zusätzlicher Treibhauseffekt, da es zum einen in der Atmosphäre innerhalb weniger Jahre zu CO2 abgebaut werde und zum anderen dieses CO2 zuvor von den Futterpflanzen über Photosynthese aus der Atmosphäre entnommen wurde, also klimaneutral sei.
Ein kurzlebiges Treibhausgas
Dass Methan – anders als CO2 – in der Atmosphäre nicht stabil ist, ist wissenschaftlich unumstritten. Die mittlere Verweildauer von Methan in der Atmosphäre liegt je nach Berechnungsmethode bei 8 bis 12,4 Jahren. Jedes Jahr werden also etwa 10 % des Methans in der Atmosphäre zu CO2 abgebaut. Ebenfalls wissenschaftlich unumstritten ist, dass das CO2 aus dem Abbau des Methans aus der Tierhaltung klimaneutral ist, da es in einen Kohlenstoffkreislauf eingebunden ist. Daher unterscheiden sich auch die für Treibhausgasbilanzen empfohlenen Emissionsfaktoren für biogenes Methan und fossiles Methan – siehe Tabelle.
Das bedeutet: Sind die biogenen Methanemissionen gleichbleibend, stabilisiert sich langfristig auch die Konzentration in der Atmosphäre. Bis diese Situation eintritt, kann es allerdings dauern. Wie lange, hängt vom Verhältnis der Emissionen zur aktuellen Konzentration in der Atmosphäre ab: Erst wenn die Konzentration ein Niveau erreicht hat, bei dem der jährliche Zerfall von etwa 10 % der Gesamtmenge den jährlichen Emissionen entspricht, stellt sich ein Gleichgewicht ein. Die globale Methankonzentration in der Atmosphäre steigt aktuell aber noch jedes Jahr im Schnitt um 0,4 %. Das heißt, auch die Klimawirksamkeit nimmt immer noch deutlich zu. 
Atmosphäre als begrenzter Deponieraum
Auf der Pariser Klimakonferenz vor sechs Jahren hat die Weltgemeinschaft beschlossen, den menschengemachten Treibhauseffekt auf 1,5 bis 2 °C zu begrenzen. Damit das gelingt, darf die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre nur bis zu einem bestimmten Maß von den vorindustriellen Werten abweichen. Dafür wird in der fachlichen Diskussion das Bild des „begrenzten Deponieraums” verwendet. Vereinfacht ausgedrückt: Will man das 2-Grad-Ziel halten, dann darf die „Deponie” nicht überfüllt werden. Ist schon viel Methan in der „Deponie”, ist weniger Platz für CO2. Und auch wenn jährlich Methan aus der „Deponie” entfernt wird: Solange immer genauso viel hinzukommt, bleibt die Menge konstant und damit der Platz, der für CO2 und andere Treibhausgase noch bleibt. Das bedeutet: Wenn die Methanemissionen nicht deutlich gesenkt werden, müssten die CO2-Emissionen noch viel schneller auf Null gesenkt werden, als es die aktuellen politischen Ziele vorsehen. Nur so kann das 1,5- oder 2-Grad-Ziel erreicht werden. Diesen Zusammenhang haben wir hier in einer Grafik veranschaulicht.
Der Weltklimarat hat in seinem Sonderbericht von 2018 Emissionsreduktionspfade vorgestellt, mit denen das 1,5-Grad-Ziel noch erreicht werden könnte. Diese Pfade sehen Null-Emissionen für klimawirksames CO2 bis zum Jahr 2050 vor. Für Methan wird eine Reduktion von etwa 50 % bis 2050 genannt; für Lachgas von rund 25 %. Dabei wird jeweils mit einer schnelleren Reduktionsgeschwindigkeit in den ersten Jahren nach 2020 gerechnet. Das bedeutet: Der Weltklimarat unterscheidet in der Festlegung von Emissionszielen bereits zwischen CO2 und kurzlebigen Treibhausgasen wie Methan. Er rechnet also nicht mehr alleine mit den sogenannten CO2-Äquivalenten. 
CO2-Äquivalente und eine Alternative
CO2-Äquivalente basieren auf dem sogenannten GWP-Faktor – siehe grüner Kasten unten. Dieser Faktor berücksichtigt bereits die Lebensdauer der Treibhausgase genauso wie Wechselwirkungen mit dem Kohlenstoffkreislauf und Klimasystem. Nicht enthalten ist allerdings die aktuelle Konzentration in der Atmosphäre und damit der jährliche Zerfall. Daher ist die Einheit GWP alleine nicht dafür geeignet zu berechnen, wie stark kurzlebige Treibhausgase reduziert werden müssen.
Eine Gruppe aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Myles Allen von der Universität Oxford hat daher ein alternatives Bewertungsverfahren vorgeschlagen, das diese Effekte berücksichtig: Die Einheit GWP*. Diese Einheit eignet sich wesentlich besser für die Berechnung von Emissionszielen. Der Nachteil: Nicht jedem Gas kann ein fester Faktor zugeordnet werden, da sich dieser je nach Kontext ändert. Daher ist die Einheit GWP* für eher einfache Folgenabschätzungen, wie zum Beispiel für die Berechnung eines CO2-Fußabdrucks eines Produktes, zu komplex. In den Berichten des Weltklimarates ab 2018 wird die neue Methodik aber berücksichtigt. 
CO2-Äquivalente erklärt
Verschiedene Gase haben eine unterschiedlich starke Treibhauswirkung, das sogenannten „Global warming Potential” – kurz GWP. Um den Beitrag der Gase zum menschengemachten Klimawandel direkt vergleichen zu können, werden die Emissionsmengen üblicherweise in eine gemeinsame Einheit umgerechnet, die sogenannten CO2-Äquivalente. Das globale Erwärmungspotenzial wird meist über einen Zeitraum von 100 Jahren betrachtet (GWP100), manchmal auch über 20 Jahre (GWP20). Hat ein Gas zum Beispiel einen GWP-Wert von 34, heißt das, dass ein kg dieses Gases die gleiche klimatische Veränderung bewirkt wie die Emission von 34 kg CO2 – siehe Tabelle.
Fazit
Methan ist ein kurzlebiges Treibhausgas. Bei stabilen Emissionen stellt sich nach einiger Zeit auch eine stabile Konzentration in der Atmosphäre ein. Methanemissionen aus der Landwirtschaft müssen daher anders als die Emissionen aus fossilen Quellen nicht auf Null gesenkt werden, um Klimaneutralität zu erreichen. Aber eine Stabilisierung der Emissionen alleine ist auch nicht hinreichend, da bereits eine so hohe Konzentration erreicht ist, dass das 2-Grad-Ziel dann nicht mehr erreicht werden könnte. Bis zur Mitte des Jahrhunderts sollten die Methanemissionen weltweit um etwa 50 % sinken. Auf dem Weltklimagipfel in Glasgow haben sich auf Initiative der USA und der EU mehr als 80 Staaten darauf verpflichtet, die Methanemissionen bis 2030 um 30 % zu reduzieren.