Einen Wegweiser für die Entwicklung der pflanzlichen Erzeugung in den kommenden Jahren verspricht sich das Bundeslandwirtschaftsministerium von seiner Ackerbaustrategie. Ministerin Julia Klöckner hat sie am 19. Dezember in Berlin vorgestellt.
Hochproduktiv und zugleich ressourcenschonend soll sich der Ackerbau weiterentwickeln: Das betonte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bei der Vorstelllung der Ackerbaustrategie ihres Hauses.
„Wir setzen den Rahmen und geben Impulse für einen Ackerbau, der hochproduktiv ist und zugleich ressourcenschonend”, sagte die Ministerin.
Zu den Kernpunkten zählt Klöckner eine Erweiterung der Kulturpflanzenvielfalt auf dem Acker. Ziel sei die Etablierung von mindestens fünfgliedrigen Fruchtfolgen auf jedem Betrieb bis Mitte des nächsten Jahrzehnts.
Fruchtfolgen erweitern
Als eine wesentliche Voraussetzung nannte die Ministerin, Märkte für
zusätzliche Ackerkulturen zu erschließen: „Die Vielfalt muss im
Supermarkt ankommen.” Der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel soll
laut Klöckner bis 2035 „deutlich reduziert” werden, die Düngung
„bedarfsgerecht” erfolgen. Ein Schwerpunkt soll auf den Erhalt und die
Erhöhung des Humusgehalts im Boden gelegt werden. Ziel sei es, „auf
allen Ackerböden weniger Humus zu verlieren als hinzuzugewinnen”.
Offen für neue Züchtungstechniken
Mit Nachdruck sprach sich Klöckner für Offenheit
gegenüber neuen molekularen Züchtungstechniken aus. Diese seien eine
Antwort auf die notwendige Lösung von Zielkonflikten, indem sie die
Bereitstellung klimastabiler und schädlingsresistenter Sorten
erleichterten. „Wir müssen raus aus den ideologischen Gräben”, so
Klöckner zu der kontroversen Diskussion über neue Züchtungsmethoden wie
CRISPR/Cas.
In Politik und Verbänden löste die Ackerbaustrategie ein
unterschiedliches Echo aus. Vertreter der Agrarwirtschaft äußerten sich
zufrieden. Umweltverbände kritisierten eine
fehlende Verbindlichkeit.
Klöckner setzt auf Freiwilligkeit und Anreize
Klöckner machte indes deutlich, dass sie zur
Erreichung der Ziele auf Freiwilligkeit statt auf ordnungsrechtliche
Vorgaben setzt. Es gehe es darum, bei der Umsetzung von Maßnahmen
Anreize zu geben und Unterstützung zu leisten. Wichtig sei es, im
Einzelfall Folgenabschätzungen vorzunehmen.
Mit der Ackerbaustrategie trage die Bundesregierung einem Auftrag aus
dem Koalitionsvertrag Rechnung, erläuterte Klöckner und bekräftigte die
Federführung ihres Ministeriums. Die Vorlage, die ausdrücklich als
Diskussionspapier gekennzeichnet ist, soll in den kommenden Monaten mit
den anderen Bundesressorts sowie insbesondere den beteiligten Verbänden
beraten werden. Ob das Kabinett im Ergebnis die Ackerbaustrategie
beschließen wird, ließ die Ministerin offen.
Sechs Leitlinien, zwölf Handlungsfelder
Neben sechs Leitlinien benennt die
Ackerbaustrategie zwölf Handlungsfelder. Neben dem Bodenschutz, einer
Erhöhung der Kulturpflanzenvielfalt und einer verbesserten
Düngeeffizienz sind dies unter anderem eine Stärkung des Integrierten
Pflanzenschutzes, eine Pflanzenzüchtung mit dem Ziel widerstandsfähiger
und standortangepasster Sorten, die Nutzung der Digitalisierung, die
Sicherung von Biodiversität in der Agrarlandschaft sowie die Entwicklung
klimaangepasster Anbaukonzepte. Für jedes Handlungsfeld sind in der
Strategie die Ausgangslage, Problemstellung, Zielkonflikte und Ziele
benannt. Dazu sind insgesamt rund 50 konkrete Maßnahmen für die
Umsetzung beschrieben.
Union zufrieden
Als „ein wichtiges und positives Signal an die Bauern” stufte der agrarpolitische Sprecher
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, die Ackerbaustrategie
des Landwirtschaftsminiseriums ein. Sie zeige, „wie wir eine
effiziente, nachhaltige und ressourcenschonende Landwirtschaft in
Deutschland erhalten können”, erklärte Stegemann. Die Landwirte
erwarteten Antworten und Perspektiven, wie die Politik zur
Landwirtschaft stehe. Das liefere Bundesministerin Klöckner mit der
Ackerbaustrategie. Stegemann zufolge kommt es im weiteren Prozess darauf
an, vor allem die landwirtschaftlichen Praktiker eng einzubeziehen. Das
diene nicht zuletzt dazu, dass die Strategie nicht von Institutionen
oder Verbänden verwässert werde, „die in der Regel nur wenig Ahnung von
Landwirtschaft haben”.
SPD vermisst „regulatorische Ideen”
Unzufrieden zeigte sich hingegen der
Koalitionspartner. SPD-Agrarsprecher Rainer Spiering vermisst in der
Ackerbaustrategie „regulatorische Ideen und zukunftsweisende Vorschläge
für ein Mehr an klima- und umfeldfreundlicher Landwirtschaft”. Ein
strategischer Ansatz sei kein Wunschkonzert, sondern ein
Maßnahmenkatalog, wie man ein definiertes Ziel erreichen wolle. Für die
SPD-Bundestagsfraktion sei klar, „wir machen eine ausschließlich auf
Freiwilligkeit basierende Hochglanzpolitik des Ministeriums nicht mit”,
betonte Spiering.
Kritisch äußerte sich auch der landwirtschaftspolitische Sprecher der
FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker. Ministerin Klöckner fordere
schonende Bodenbearbeitung und Humusaufbau, halte aber gleichzeitig am
wissenschaftsfernen Glyphosat-Ausstieg fest. Für Hocker ist das keine Strategie, sondern Wunschdenken nach dem Motto: „Ich mach mir
die Welt, wie sie mir gefällt.” Die Landwirte seien es leid, „für
Fachleute auf den ersten Blick als unsinnig und widersprüchlich
erkennbare Vorgaben zu erfüllen”.
Grüne enttäuscht
Enttäuscht reagierten auch die Grünen. Nach Auffassung
der zuständigen Sprecher der Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff
und Harald Ebner, fehlt es der Ackerbaustrategie an verbindlichen Zielen
und konkreten Maßnahmen. Hart gingen sie mit der von Klöckner
geforderten Offenheit gegenüber neuen Züchtungstechniken ins Gericht.
Damit gehe die Ministerin „völlig unverblümt auf Lobbykurs”.
Unzulänglich ist die vorgelegte Ackerbaustrategie nach Auffassung von
Umweltverbänden. „Keine verbindlichen Ziele, keine konkreten Maßnahmen,
kein Zeitplan”, kritisierte der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und
Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt.
Für den Naturschutzbund Deutschland (NABU) ist die Ackerbaustrategie zu
unkonkret, um den Ackerbau in Deutschland entscheidend zu verbessern.
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger bescheinigte dem
Bundeslandwirtschaftsministerium, die Probleme richtig analysiert und
die Handlungsbereiche erkannt zu haben. Weitgehend offen bleibe jedoch,
wie die Probleme konkret gelöst werden sollen.
Zustimmung in der Agrarbranche
Zustimmung findet das Papier des Bundeslandwirtschaftsministeriums in der Agrarbranche. Die Ackerbaustrategie sei Dank der Vielfalt der Maßnahmen „ein guter Weg, um den Ackerbau moderner, effizienter und nachhaltiger zu gestalten”, erklärte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied. Die Strategie zeige Perspektiven und Optionen zur Weiterentwicklung des Ackerbaus auf, „die auch wir als zielführend und zukunftsfähig erachten”. Unterstützung signalisierte der DBV-Präsident für die vorgesehene Verringerung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Diese müsse allerdings „mit Augenmaß und unter Berücksichtigung der guten fachlichen Praxis” vorgenommen werden.
Die Erweiterung des Kulturpflanzenspektrums nannte Rukwied begrüßenswert. Die Umsetzung erfordere flankierende Maßnahmen wie die Verbesserung des Ertragspotenzials und der Widerstandskraft von Leguminosen, das Vorhandensein entsprechender Pflanzenschutzmittel und der Absatzmärkte.
Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) unterstrich die Bedeutung marktwirtschaftlicher Lösungen für eine zukunftsfähige Agrarwirtschaft. DRV-Hauptgeschäftsführer Dr. Henning Ehlers begrüßte die Deutlichkeit, mit der Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner die Zielkonflikte aufzeige. Es reiche eben nicht aus, immer neue Maßnahmen per Verordnung durchzusetzen, wie vom Bundesumweltministerium gefordert werde, betonte Ehlers.
Es sei vermessen zu erwarten, dass sich die Landwirtschaft binnen kürzester Zeit umstellen könne, so der Hauptgeschäftsführer zu den unlängst vorgestellten Eckwerten des Bundesumweltministeriums für eine Ackerbaustrategie. Wenn beispielsweise eine fünfgliedrige Fruchtfolge angestrebt werde, müssten Pflanzenzüchter in die Lage versetzt werden, attraktive und leistungsfähige Sorten zu züchten, die am Markt vergleichbare Erlöse wie Weizen und Raps ermöglichten.
Wichtige Anliegen sieht der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) in der Ackerbaustrategie berücksichtigt. „Wir halten es für den richtigen Schritt, dass der Pflanzenzüchtung in diesem Papier eine wichtige Rolle zuerkannt wird und unter anderem der Anwendung neuer Züchtungsmethoden und der Forschungsförderung hohe Bedeutung zukommt”, sagte BDP-Geschäftsführer Dr. Carl-Stephan Schäfer.
Der Präsident des Industrieverbandes Agrar (IVA), Dr. Manfred Hudetz, bescheinigte dem Bundeslandwirtschaftsministerium, sowohl Zielkonflikte als auch begrenzende Faktoren offen anzusprechen und konkrete Maßnahmen zur Lösung zu benennen.