Politik | 13. Dezember 2018

Mehr Kohlenstoff im Boden als erwartet

Von AgE
In den landwirtschaftlich genutzten Böden Deutschlands ist offenbar mehr Kohlenstoff gespeichert, als bisher angenommen wurde. Das geht aus dem „Bodenzustandsbericht Landwirtschaft” hervor.
Laut Bodenzustandsbericht ist der Kohlenstoffvorrat in den landwirtschaftlich genutzten Böden sehr variabel.
Der Direktor des Thünen-Instituts (TI) für Agrarklimaschutz, Professor Heinz Flessa, hat den „Bodenzustandsbericht Landwirtschaft” zum Weltbodentag am 5. Dezember in Berlin an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner übergeben. Erstmals liegt damit eine bundesweite Inventur der organischen Kohlenstoffvorräte in landwirtschaftlich genutzten Böden vor. Die Autoren beziffern die Vorräte auf rund 2,5 Milliarden  Tonnen Kohlenstoff.
Nachhaltig bewirtschaften
Deutschland gehöre zu den fruchtbarsten Agrarregionen weltweit, betonte Klöckner anlässlich der Vorlage des Berichts. Um die hohe Fruchtbarkeit zu erhalten, müsse man die Böden nachhaltig bewirtschaften. Die Ministerin verwies auch auf die große Bedeutung des Agrarbodens für den Klimaschutz und für die Klimaanpassung. Es gelte, die besondere Rolle der Land- und Forstwirtschaft stärker zu nutzen, Kohlenstoff zu speichern und damit als natürliche Treibhausgassenke zu fungieren. Flessa mahnte einen umsichtigen Umgang mit dem Boden an. Die großen Mengen an gespeichertem Kohlenstoff könnten die Böden unter bestimmten Bedingungen auch wieder abgeben; solche Veränderungen des Kohlenstoffgehalts seien klimarelevant. Der TI-Direktor warnte außerdem vor pauschalen Aussagen zum Zustand des Bodens in Deutschland und sprach sich für eine regional differenzierte Betrachtung aus.
Der Abschlussbericht soll eine weitere Grundlage für die Ackerbaustrategie bilden, die Klöckner für Herbst 2019 angekündigt hat. Beabsichtigt ist, die Inventur in zehn Jahren zu wiederholen, um so Veränderungen des Bodenzu-standes zu erkennen. Vertreter der Landwirtschaft als auch deren Kritiker fanden sich gleichermaßen in dem Bericht wieder.
Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, hob die in den Böden zu findende Menge an Kohlenstoff hervor. Die Bodenzustandserhebung zeige, dass bei ackerbaulicher Nutzung mehr als ein Drittel des organischen Kohlenstoffs im Unterboden gebunden sei, betonte Krüsken. Das Ziel der Landwirte sei der Erhalt und die Erhöhung dieses Vorrats. Die Funktion des Bodens als CO2- Senke müsse in der europäischen Agrarpolitik gefördert werden.
Krüsken erinnerte auch an das „ungelöste Problem des anhaltenden Flächenverbrauchs”. Er sei im Jahr 2017 entgegen allen Nachhaltigkeitszielen sogar auf fast 69 Hektar pro Tag angestiegen. „Der Schutz landwirtschaftlich genutzter Böden und Flächen ist auch im Sinne des Klimaschutzes dringend geboten”, betonte der DBV-Generalsekretär.
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) legte das Augenmerk dagegen auf den Humusverlust des Bodens. Damit gehe den Böden Fruchtbarkeit und auch Widerstandsfähigkeit gegen die Folgen der Klimakrise verloren, warnte der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein. Die Landwirtschaft schade sich selbst, wenn sie humusschädigend arbeite.
Laut Bodenzustandsbericht ist der Kohlenstoffvorrat in den landwirtschaftlich genutzten Böden sehr variabel. Er reicht im oberen Meter von weniger als 30 t/ha in flachgründigen und sehr sandigen Böden bis zu mehr als 500 t/ha in Moor- und moorähnlichen Böden. Der mittlere Corg-Vorrat beträgt demnach bis 100 cm Bodentiefe 128 t/ha, wobei die Böden unter Ackernutzung im Durchschnitt 101 t/ha und Böden unter Dauergrünland 200 t/ha aufweisen.
Mehr Kohlenstoff als in Waldböden
Damit besitzen landwirtschaftlich genutzte Böden in Deutschland im Durchschnitt einen etwas höheren Corg-Vorrat als die Waldböden.  Dieses „überraschende Ergebnis” begründen die Wissenschaftler mit der höherer Tiefgründigkeit landwirtschaftlich genutzter Böden und den höheren Anteilen an stark hydromorphen Böden wie Moor- und moorähnlichen Böden.
Die Ergebnisse der Bodenzu-standserhebung Landwirtschaft verdeutlichen außerdem, dass auch Unterböden maßgeblich an der Speicherung von organischem Kohlenstoff beteiligt sind. Da der organische Kohlenstoff dort laut Darstellung der Autoren im Mittel sehr viel langsamer umgesetzt wird als im Oberboden, haben Kohlenstoffeinträge in den Unterboden – beispielsweise über tiefwurzelnde Pflanzen und die wühlende Aktivität der Bodenfauna – eine besondere Bedeutung für die langfristige Kohlenstoffspeicherung.
Mithilfe verschiedener Modelle berechneten die Wissenschaftler zudem, ob sich die Humusvorräte für mineralische Böden unter landwirtschaftlicher Nutzung im Gleichgewicht befinden oder sich verändert haben. Die Autoren erwarten, dass die Ackerböden im Durchschnitt in den kommenden zehn Jahren jährlich 0,19 t/ha Kohlenstoff verlieren werden. Die Modelle zeigen dabei für 90 Prozent der Standorte keine signifikante Veränderung des Vorrats an organischem Bodenkohlenstoff; an neun Prozent der Standorte wird ein Verlust vorhergesagt, und für ein Prozent der Ackerböden prognostizieren die Modelle eine Zunahme des Vorrats an organischem Kohlenstoff im Oberboden. Für die mineralischen Böden ohne deutlichen Grundwassereinfluss unter Dauergrünlandnutzung weisen die Modelle laut Bericht im Mittel keine Veränderung des Vorrats an organischem Bodenkohlenstoff aus. Entwässerte und landwirtschaftlich genutzte Moorböden verlieren dagegen große Mengen an organischem Kohlenstoff.
FAO warnt vor Degeneration von Boden
Bereits ein Drittel der Böden weltweit ist degeneriert, und die Tendenz deutet auf einen weiteren rapiden Anstieg hin. Darauf hat die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) am 5. Dezember  zum Weltbodentag hingewiesen. Tausende wirtschaftlich produzierter Chemikalien, Plastik, elektronischer Abfall und ungereinigtes Abwasser zählten zu den Quellen der Verschmutzung, die sich letztlich auch in den Lebensmitteln niederschlage.
Das habe in letzter Konsequenz fatale Folgen für das Wohlergehen der Menschen und des Planeten als Ganzem. Die FAO verwies auf ihre Empfehlungen, die Bodenkontaminierung auf Staaten-, Industrie- und Konsumentenebene zu reduzieren.