Politik | 23. Januar 2020

Mehr Grün braucht ein stabiles Budget

Von Walter Eberenz
Unter dem Eindruck von großer Unzufriedenheit in der Landwirtschaft und Bauernprotesten in ganz Deutschland und in Berlin fand der agrarpolitische Teil der Internationalen Grünen Woche in Berlin statt. Klimaschutz, Umweltschutz und Tierwohl verheißen neue Anforderungen, ohne dass dafür ein Budget schon unter Dach und Fach ist.
Schauen in die gleiche Richtung, sind aber nicht in allen Punkten gleicher Ansicht: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes.
Ein klares „Ja” kam in Berlin gegenüber Journalisten von Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), dazu, dass die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) grüner werden muss für gesellschaftliche Akzeptanz. Auch in seiner Eigenschaft als Präsident von COPA, dem Ausschuss der berufsständischen landwirtschaftlichen Organisationen in der EU, bekundete Rukwied, „dass die europäische Landwirtschaft aktiv beim neuen ,Green Deal‘   der EU-Kommission mitwirken will”, den die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als ihr großes Projekt für den Klimaschutz  verkündet hat. Ebenso bejahte Rukwied die damit verbundene EU-weite Nachhaltigkeitsinitiative für den Agrarsektor „from farm to fork” („vom Bauer zum Teller”). Das „aber” zu alledem kam jedoch postwendend von ihm: „Dafür braucht es ein stabiles Budget für die GAP.”
Dinge, die nicht zusammenpassen
Wie dieses ausfallen wird, steht derzeit noch in den Sternen. Bei einem anderen Pressetermin in Berlin sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner zum Budget für die GAP: „Ich habe den Eindruck, zurzeit passen zwei Dinge nicht zusammen – die Anforderungen für die Landwirtschaft und das zur Verfügung stehende Geld.” Klöckner erinnerte daran, dass im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbart sei, ein gleichbleibendes Budget anzustreben. Allerdings sagte sie auch: „Wir sind am Anfang von Verhandlungen. Am Ende zählt das, was hinten rauskommt.”
Janusz Wojciechowski, der neue EU-Agrarkommissar aus Polen,  kleidete in Berlin den gleichen Inhalt in andere Worte: „Wir fordern mehr von der Landwirtschaft für die Umwelt und das Tierwohl. Deshalb müssen wir für eine starke GAP sorgen. Und das ist natürlich eine Frage des Budgets.”
Ein Pole, der auf Kroatien und Deutschland setzt
Warben für den Green Deal und die Brüsseler Initiative „from farm to fork” (vom Bauer zum Teller): Die neuen EU-Kommissare Janusz Wojciechowski (Landwirtschaft) und Stella Kyriakides (Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) bei ihrem Antrittsbesuch auf der Grünen Woche.
Bei der Verteilung der Mittel brachte  Wojciechowski das Instrument der Kappung ins Spiel. Dem kann der DBV wiederum nichts abgewinnen. Er baut auf eine bessere Förderung der ersten Hektare, um kleinere Betriebe gesondert zu berücksichtigen, wie Rukwied betonte. Wojciechowski setzt nach eigenen Worten auf die EU-Ratspräsidentschaften von Kroatien und danach von Deutschland, um „hoffentlich bis zum Jahresende das Budget zu haben”. „Wir wollen eine GAP, die umweltfreundlicher, klimafreundlicher, tierwohlfreundlicher und landwirtefreundlicher ist”, betonte er. Den Green Deal sieht er als Chance besonders für kleinere und mittlere Betriebe.
ASP: „Weltweite Herausforderung”
Stella Kyriakides aus Zypern, seine Kollegin vom Ressort Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in der EU-Kommission, betonte, dass diese Bereiche künftig noch wichtiger würden. Sie bekundete zudem, dass die Initiative „from farm to fork” ebenfalls in ihren Arbeitsbereich falle. Die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest, auch ihr Arbeitsbereich, bezeichnete sie als eine „weltweite Herausforderung”. Die EU habe bislang 100 Millionen Euro in die Bekämpfung investiert.
Rukwied: In gutem Austausch mit LsV
Während in den Berliner Messehallen politische Gespräche liefen und Messebesucher die Stände aus aller Welt mit ihren Spezialitäten aufsuchten, machten draußen zwei Bauerndemonstrationen auf sich aufmerksam, die wegen der unterschiedlichen Veranstalter und verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkte für etliche unbedarfte Verbraucher ohne Branchenkenntnisse Verständnisfragen offen ließen: wer, was, warum?
Am Freitag protestierte „Land schafft Verbindung Deutschland – LsV” mit Traktoren in ganz Deutschland und in Berlin. Tags darauf war in Berlin „Wir haben es satt” dran.
Zukunftskommission: Wo liegt der Ball?
In gutem Austausch befindet sich Joachim Rukwied zufolge der DBV mit der Initiative LsV. So habe man   die Arbeit für die Zukunftskommission bereits erledigt, mit der man beim Agrargipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am 2. Dezember vorigen Jahres gemeinsam beauftragt worden sei. „Jetzt liegt der Ball beim Bundeskanzleramt”, betonte Rukwied.
Zum Thema Zukunftskommission erklärte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner allerdings gegenüber der Presse am gleichen Tag in Berlin: „Der Ball liegt jetzt ganz klar beim Berufsstand.” Klöckner erklärte in diesem Zusammenhang, dass sie die Initiative „Land schafft Verbindung” positiv sieht: „Es tut sich was, das freut mich.” Interne Unstimmigkeiten bei der jungen Initiative LsV kommentierte sie mit: „Das ist das Leben.” Der Deutsche Bauernverband werde für sie allerdings immer erster Ansprechpartner sein, betonte Julia Klöckner ebenso.
„In der Konfrontation liegt nicht die Lösung”
Ob das Verhältnis des DBV zu LsV wirklich noch so intakt sei, fragte ein Journalist nach und mutmaßte, dass LsV den  DBV gegenüber der Politik eventuell als zu nachgiebig einstufen könnte. „Zu hart oder zu weich” sei eine Frage des Blickwinkels, entgegnete Rukwied: „Wenn Sie den jüngst ausgeschiedenen Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium heranziehen, waren wir zu hart. Am Ende ist das Ergebnis wichtig. Wir brauchen am Ende einen Kompromiss. In der Konfrontation liegt nicht die Lösung”, betonte der Präsident des DBV.
„Es sind Verunsicherung und Frust da”
DBV-Präsident Joachim Rukwied zeigte gegenüber der Presse in Berlin volles Verständnis für die laufenden Protestaktionen von Bauern in Deutschland, die auch begleitend zur Grünen Woche in Berlin stattfanden.
„Es sind Verunsicherung und Frust da, besonders bei jungen Landwirten”, betonte der Bauernpräsident. Die Landwirte hätten das Gefühl, dass ihre bisherigen Leistungen für gesellschaftliche Ansprüche, die sie schon umgesetzt hätten (zum Beipiel Blühstreifen), nicht gewürdigt werden, so Rukwied. „Es wird erwartet, dass man das zumindest anerkennt und die Bauern stattdessen nicht mit Vorwürfen überzieht”, ergänzte er. Als weitere Quelle der Unzufriedenheit machte der DBV-Präsident mangelnde politische Verlässlichkeit aus: „Wir brauchen wieder verlässliche Rahmenbedingungen.”
„Das Fass zum Überlaufen gebracht” habe die erneute Verschärfung der Düngeverordnung. „Ja, die Landwirtschaft muss für sauberes Wasser mehr tun, vor allem in den roten Gebieten, aber die Schärfe  der Maßnahmen über die Notwendigkeit hinaus ist nicht zu akzeptieren”, erkärte Rukwied und ergänzte dies mit fachlicher Erläuterung des praktizierenden Landwirts: „Eine Pflanze, die bedarfsgerecht ernährt wird, entzieht dem Boden Stickstoff, eine Pflanze, die kümmert, nicht.”