Pflanzenbau | 17. Februar 2014

Maschinenschnitt hat nicht nur Vorteile

Von Ute Ellwein, Landratsamt Karlsruhe/Hermann Meschenmoser, LTZ
Der maschinelle Obstbaumschnitt ist in der Praxis wie für die Beratung nach wie vor ein zentrales Thema. Um langjährige Erfahrungen bei LTZ-Versuchen und aktuelle Versuchsergebnisse geht es im nachfolgenden Beitrag.
Baumschnittmaschinen sind mit Sägeblättern, rotierenden Messern oder Messerbalken bestückt. Geräte mit rotierenden Messern oder Sägeblättern erlauben, je nach Aststärke, eine relativ hohe Arbeitsgeschwindigkeit (4 bis 6 km/h). Diese sind zur Umstellung von Altanlagen und Unterstützung des Winterschnitts gut geeignet. Der Einsatz während der Vegetation ist problematisch, da abgetrennte Astteile in den Baum geschleudert werden und Früchte verletzen können.
Der manuelle Baumschnitt kostet Zeit und ist teuer, der Maschinenschnitt kann dem entgegenwirken – im Bild Rückführungsschnitt bei Boskoop hinter die Schnittlinien des Vorjahres.
Beim Landwirtschaftlichen Technologiezentrum (LTZ) Augustenberg setzt der Leiter des Obstbau-Lehr- und Versuchsbetriebs, Hermann Meschenmoser, seit fünf Jahren Anbaugeräte mit Messerbalken zur Unterstützung beim Baumschnitt ein. Die Fahrgeschwindigkeit liegt zwar nur bei 1,5 bis höchstens 3 km/h, die geringe Fahrgeschwindigkeit erlaubt jedoch
eine Anpassung des Messerbalkens an nicht exakt gerade stehende Bäume und Bodenunebenheiten in der Fahrgasse können so ausgeglichen werden. Bei einem Reihenabstand von 3,5 m beträgt der Zeitaufwand für den maschinellen Schnitt der Baumreihen etwa 2 bis 3 h/ha. Kostengünstig ist ein Messerbalken von 2,0 m bis 2,5 m Länge, welcher an der Front des Schleppers angebracht ist.  Hiermit können Spindelreihen vertikal und mit Neigung individuell  in Form gebracht werden. Die Schnitthöhe entspricht der Länge des Messers. Bei der Anbringung des Messerbalkens an einem Hubgerüst oder Frontlader kann die Höhe variiert werden.
Wesentlich variabler ist ein Schnittgerät mit zwei leicht verstellbaren Messerbalken. Das am Augustenberg eingesetzte Schnittgerät basiert auf einem von Dr. Franz Ruess, LVWO Weinsberg, in Zusammenarbeit mit der Firma Fischer aus Gemmrigheim entworfenen Prototypen. Die beiden Messerbalken sind an einem Frontanbauhubgerüst angebracht. Die Position der Messerbalken wird hydraulisch geregelt und kann so schnell an verschiedene Kulturen angepasst werden. Aufgrund dieser Flexibilität können Beerensträucher, Kern- und Steinobstspindeln sowie Sonderformen wie Mikado, Teller- und Trichterkronen an der Peripherie begrenzt werden. Lediglich Überdachungen erfordern besondere Aufmerksamkeit. 
Keine starren Empfehlungen
Schnittmaßnahmen mit der Maschine können einerseits den klassischen Winterschnitt erleichtern und andererseits neue Erziehungssysteme wie Fruchtwände ermöglichen. Beide Formen sind wiederum flexibel und können an die jeweiligen Erfordernisse des Betriebes und die Wünsche des Betriebsleiters angepasst werden, so dass eine generell gültige Schnittempfehlung nicht gegeben werden kann. Ein: „So wird’s gemacht und alles andere ist falsch” gibt es weder beim traditionellen Baumschnitt noch beim maschinenunterstützten Schnitt!
Fruchtwände
Bei der Fruchtwanderziehung wird die Baumtiefe zur Fahrgasse hin maschinell begrenzt. Die Lichträume zwischen den Bäumen wachsen zu einer „Wand” zusammen, eine ausreichende Belichtung der Früchte ergibt sich durch sehr schmale Baumtiefen von 60 bis 80 cm Durchmesser. Generell ist dies bei Kern- und Steinobst möglich und praxistaugliche Varianten werden im Versuchsbetrieb getestet. Je nach Schnittzeitpunkt unterscheiden wir die maschinellen Schnittmaßnahmen als Umstellungsschnitt bei bestehenden Anlagen, jährlichen Anschnitt des Neutriebes und den Rückführungsschnitt bei zu breiten Fruchtwänden.
  • Der Umstellungsschnitt findet bei allen Obstarten in der Vegetationsruhe statt. Die zukünftige Tiefe der Fruchtwand wird festgelegt. Es empfiehlt sich, möglichst dicht am Stamm entlang zu schneiden.
  • Die diesjährigen Triebe werden möglichst dicht entlang der Schnittlinie des Umstellungsschnittes oder des Vorjahresschnittes abgeschnitten. Beim Schnitttermin Ende Mai bilden sich vermehrt Blütenknospen, der Nachtrieb ist reduziert und schließt zeitig ab.
  • Ein Rückführungsschnitt ist erforderlich, wenn sich durch mehrjährigen Begrenzungsschnitt die Schnittlinie nach außen verschiebt. Am sinnvollsten wird die Fruchtwand wieder schmal geschnitten, wenn sehr viele Blütenknospen bzw. ein Vollertragsjahr zu erwarten ist.
Versuchsergebnisse
Bei der Fruchtwanderziehung wird die Baumtiefe zur Fahrgasse hin maschinell begrenzt. Die Lichträume zwischen den Bäumen wachsen zu einer „Wand” zusammen, eine ausreichende Belichtung der Früchte ergibt sich durch sehr schmale Baumtiefen von 60 bis 80 cm Durchmesser. Generell ist dies bei Kern- und Steinobst möglich und praxistaugliche Varianten werden im Versuchsbetrieb getestet. Je nach Schnittzeitpunkt unterscheiden wir die maschinellen Schnittmaßnahmen als Umstellungsschnitt bei bestehenden Anlagen, jährlichen Anschnitt des Neutriebes und den Rückführungsschnitt bei zu breiten Fruchtwänden.
Der Umstellungsschnitt findet bei allen Obstarten in der Vegetationsruhe statt. Die zukünftige Tiefe der Fruchtwand wird festgelegt. Es empfiehlt sich, möglichst dicht am Stamm entlang zu schneiden.
Die diesjährigen Triebe werden möglichst dicht entlang der Schnittlinie des Umstellungsschnittes oder des Vorjahresschnittes abgeschnitten. Beim Schnitttermin Ende Mai bilden sich vermehrt Blütenknospen, der Nachtrieb ist reduziert und schließt zeitig ab.
Ein Rückführungsschnitt ist erforderlich, wenn sich durch mehrjährigen Begrenzungsschnitt die Schnittlinie nach außen verschiebt. Am sinnvollsten wird die Fruchtwand wieder schmal geschnitten, wenn sehr viele Blütenknospen bzw. ein Vollertragsjahr zu erwarten ist.
Guter Ertrag und Blütenknospenansatz bei MS Fuji M 27

Arbeitsersparnis beim Winterschnitt
Interessant ist die Minderung der Arbeitszeit für Schnittmaßnahmen. Neben dem maschinellen Schnitt ist ein Ergänzungsschnitt unbedingt erforderlich. Hierbei wird 
  • hängendes Holz zurückgenommen, 
  • nach oben wachsende Triebe, welche von der Maschine nicht erfasst werden, eingekürzt und
  • Konkurrenztriebe entfernt.
Boskoop vor Rückführungsschnitt – die Schnittlinien der Vorjahre sind gut erkennbar.
Die reale Zeitersparnis ist abhängig von der Obstart, Sorte, Unterlage und dem Triebwachstum. Oft sind die Erwartungen der Anbauer zu hoch. Je nach Jahr und Knospensituation können bis zu 50 % der Arbeitszeit beim Winterschnitt eingespart werden. In der Summe der Anlagen  wird jedoch nur eine Reduktion der Schnittzeit um 20 bis zu  25 % erreicht werden.
In Abb. 2 auf der Vorseite sind die Arbeitszeiten für den Spindelschnitt und den Ergänzungsschnitt bei mit der Schnittmaschine geschnittenen Fruchtwänden über drei Jahre dargestellt.
Rechts: 40 cm Rückführungsschnitt im Winter 2013
Zu der Arbeitszeit für den Ergänzungsschnitt wurde die Fahrtzeit für den Maschinenschnitt bei 2 km/h eingerechnet (Abb. 3). Fruchtwände und Spindeln wurden vom Betriebsleiter mit einer Akkuschere geschnitten. Die oberen Bereiche konnten von einer selbstfahrenden Arbeitsbühne aus erreicht werden. Sind ausreichend Blütenknospen vorhanden, kann bei allen Schnittarten schneller gearbeitet werden als beim knospenschonenden Schnitt. Zur Arbeitszeitersparnis beim Schnitt sind weitere Einsparungen, zum Beispiel bei der  Ausdünnung mit dem Darwin-Fadengerät und bei der Ernte möglich.
Stand der Dinge
Vorteile von Fruchtwänden
  • Durch die kurzen Äste sind die Blüten und später die Früchte außen am Baum und dadurch gut auszudünnen und zu ernten.
  • Der Einsatz von weiteren Kulturmaßnahmen wird erleichtert, zum Beispiel bei der Ausdünnmaschine Darwin.
  • Wahrscheinlich eine reduzierte Abdrift durch eine geschlossene Laubwand.
  • Der Schnitt von Hand wird vereinfacht und ist leicht erlernbar.
  • Die Ausfärbung der Früchte ist gleichmäßiger und die Pflückleistung höher.
  • Sollte es je einen Ernte-Roboter geben, könnte er hier sicher am einfachsten eingesetzt werden.
Mögliche Nachteile von Fruchtwänden

  • Die erhöhte Fruchtbarkeit erfordert eine konsequente Blütenreduzierung, um den Zeitaufwand für die Handausdünnung zu begrenzen.
  • Schwachwachsende Anlagen erbringen nicht genügend Triebleistung, um die Früchte zu ernähren.
  • Kernobstanlagen sind nur in Nord-Südrichtung sinnvoll; inwieweit das auch für Steinobstanlagen gilt, muss noch endgültig geklärt werden.
  • Durch einen möglichen Überbehang wird die Fruchtreife leicht verzögert, die Fruchtgröße und die Ausfärbung sind etwas geringer.
  • Um den gleichen Ertrag wie bei Spindelanlagen zu erzielen, sind höhere Bäume erforderlich; hierfür ist eine Investition in eine Arbeitsplattform notwendig.
  • Höhere Anlagenkosten durch enge Pflanzabstände und ein stabileres Pfahlgerüst.
  • Die Anschaffung einer Schnittmaschine ist für einen Kleinbetrieb zu teuer.
  • Relativ einfache Anbauform, auch Fachfremde könnten in den Tafelobstanbau einsteigen.
Vorschnitt in älteren Spindelanlagen
Mit der Schnittmaschine können nicht nur Fruchtwände geschnitten werden, auch Standardanlagen können vor dem Winterschnitt maschinell vorgeschnitten werden. Die Vorteile sind:
  • Die Anlage kann im Frühjahr auch ohne Winterschnitt zu Pflanzenschutzmaßnahmen befahren werden.
  • Das Durchfahren mit derArbeitsbühne für den Gipfelschnitt (über zwei Meter Höhe) wird dadurch vereinfacht. Der Schnitt von oben ist körperlich weniger belastend als die Streckbewegungen nach oben.
  •  Es werden keine Triebe in die Fahrgasse zu lang belassen.
  •  Der Winterschnitt wird vereinfacht, da bereits viele Äste eingekürzt sind.
Ausblick
Im Hinblick auf steigende Lohnkosten, z. B. Mindestlohn, und eingeschränkte Verfügbarkeit von Arbeitskräften werden die Obstbaubetriebe weiter mechanisieren müssen. Fruchtwände sind bei vielen Obstarten eine machbare Anbauform. Der mechanische Schnitt reduziert den Handschnitt, kann ihn aber nicht ersetzen. Der Baumschnitt mit der Schnittmaschine beeinträchtigt die Fruchtqualität bisher nicht. Bei Überbehang reduzieren sich Fruchtgröße und Ausfärbung, egal ob die Bäume von Hand oder mit der Maschine geschnitten wurden.
Schädlinge und Krankheiten nahmen durch maschinellen Schnitt bisher nicht zu. Wichtig sind mäßig wüchsige Bäume mit bedarfsgerechter Düngung.
Eine Baumschnittmaschine ersetzt kein Fachwissen – sie kann dem Obstbauern im Winter aber mehr Zeit für anstehende Betriebsentscheidungen freihalten.

Tabelle: Hektarerträge bei Gala "Schniga" über drei Jahre