Pflanzenbau | 21. September 2017

Maisanbau: Dunkle Wolken am Horizont

Von von Kobylinski
2017 wird es am Oberrhein wieder eine große Körnermaisernte geben. Trotz dieser guten Aussicht schlug Klaus Mastel vom Regierungspräsidium Freiburg bei der Informationsfahrt zu Mais und Soja 2017 im Regierungsbezirk Freiburg Mitte September Alarm.
Klaus Mastel (links) vom Regierungspräsidium Freiburg und Pflanzenbauberater Volker Heitz vom Landratsamt Ortenau auf dem Versuchsfeld Orschweier. Die Lieschblätter um die Maiskolben sind in diesem Jahr häufig so kurz, dass die Kolbenspitzen nicht mehr ausreichend geschützt sind. Die Pflanzenbauexperten rieten daher zum baldigen Erntebeginn, um dem Fusariumbefall vorzubeugen.
Wie Mastel herausstellte, wurden in diesem Jahr die Fallenstandorte auf Flächen mit drei- und vierjährigem Maisanbau konzentriert. 2017 ist in allen Landkreisen des Rheingrabens von Lörrach bis Rastatt die Population des Maiswurzelbohrers explodiert: Die Zahl der Funde des überseeischen Schädlings liegt um ein Mehrfaches über den Jahren 2016 und 2015.
Im Kreis Lörrach sind es bisher 2800 Fänge gegenüber 283 im Vorjahr. Im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald ist die Bilanz von 18000 auf 60000 hochgeschnellt – bei gleicher Fallenzahl wie 2016. In Emmendingen ist das Verhältnis der Funde zwischen 2016 und 2017 noch krasser: Im Vorjahr wurden 4400 Käfer gefangen, in diesem Jahr sind es schon 22000.
Dagegen erscheint die Bilanz im Ortenaukreis auf den ersten Blick noch moderat: Dort wurden in diesem Jahr bisher knapp 6000 Tiere gefangen. Aber 2016 waren es nur 340. Die Bewirtschafter der dazugehörigen Fläche haben oft den dringenden Appell des Landwirtschaftsamtes missachtet und in diesem Jahr abermals Mais gesät, nach mehreren Jahren in Folge. 
Käferschwemme kommt immer näher
Mit Blick auf die Erfahrungen in Italien und Österreich will Mastel nicht mehr ruhig bleiben. Der in den 90er-Jahren aus den USA über Jugoslawien eingeschleppte Schädling kann in Europa nicht mehr ausgerottet werden.
Auffällig ist dabei die Herausbildung von Schwerpunktherden, den sogenannten Hotspots. Sie bildeten sich vor allem auf denjenigen Flächen, wo drei, vier und mehr Jahre in Folge Mais angebaut wurde. Mastel ist sich sicher, dass es im nächsten Jahr dort zu den ersten ernsthaften Wurzelbohrer-Schäden kommen wird, falls der Fruchtwechsel ausbleibt. Nach dem Schlupf aus dem Ei durchläuft der Maiswurzelbohrer (MWB) drei Larvenstadien von zusammen neun Wochen Dauer, die er fressend im Maiswurzelraum verbringt. Dort richtet er den größten Schaden an. Im anschließenden Käferstadium von acht bis zwölf Wochen Dauer konzentriert er sich auf die oberen Pflanzenteile, insbesondere auf Narbenfäden und Fahne, was nicht nur den Saatmaisanbau schädigt.
Es können staatliche Vorgaben drohen
In Italien, wo der Fruchtwechsel zu wenig Beachtung fand, gibt es große Schäden. Zum Glück für die Landwirte sind in dem südeuropäischen EU-Mitgliedsland aber sechs insektizide Wirkstoffe zur Bekämpfung zugelassen. Dem stehen die Anbauerfahrungen in der Schweiz und dem Tessin gegenüber, wo die MWB-Population bisher erfolgreich durch eine konsequente Fruchtfolge unterdrückt werden konnte.
Dort ist der Schädling bisher kein Thema. Dafür muss nach jedem Maisanbaujahr eine andere Kultur angebaut werden, sonst verliert der Landwirt seine Flächenförderung. Mastel geht davon aus, dass es in der Rheinebene zu einem derartigen Regime (noch) nicht kommen muss. Trotzdem will er dafür kämpfen, dass immer jeweils nach dem zweiten Maisanbaujahr die Frucht gewechselt wird. 
Außerdem ist er sich sicher, dass in Deutschland – anders als in anderen EU-Staaten – auch zukünftig kein Insektizid zur Bekämpfung des Maiswurzelbohrers zugelassen wird. Obendrein hält er es für denkbar, dass in Baden-Württemberg die Mono-Mais-Fruchtfolgen von staatlicher Seite zwangsweise aufgelockert werden könnten. Im Regierungspräsidium gebe es hierfür bereits entsprechende juristische Prüfungen. „Wir wollen den Maisanbau aber nicht verbieten, sondern dafür sorgen, dass er auch weiterhin möglich sein wird”, stellte der Abteilungsleiter dazu klar.
Fruchtfolge zur Eindämmung
Sollte in der aktuellen Ausbreitungsphase des Schädlings das Fruchtwechselgebot nicht eingehalten werden, befürchtet Dr. Andreas Maier vom LTZ Augustenberg, dass in Deutschland der Moment verpasst wird, in dem der MWB mit dem Instrument der Fruchtfolge noch hätte eingedämmt werden können. Grund dafür ist nicht nur die hohe Reproduktionsrate von 500 bis 1000 Eiern je Weibchen. Hinzu kommt die Beobachtung, dass rund ein Prozent der Eier überjährig sind, was bedeutet, dass die Insekten erst im zweiten Jahr schlüpfen.
Außerdem besteht die Gefahr, dass Eier auch an andere Pflanzenarten als den Mais gelegt werden und die Larven dort fressen und sich zu erwachsenen Käfern entwickeln. Entsprechende Beispiele sind für Kürbis aus Österreich bekannt. Auch bestimmte Korbblütler verschmäht der invasive Käfer nicht. Daraus folgt: Hat die Population an einem Standort erst einmal eine bestimmte Größe erreicht, genügt auch dieser geringe Prozentsatz an „Abweichlern”, um im nächsten Jahr eine Population mit Schadenspotenzial aufzubauen, selbst wenn der Maisanbau unterbrochen worden ist.
So weit ist es aber laut Maier noch nicht. Jedoch könnte sich an den Hotspots in einem weiteren Maisjahr die MWB-Population vergrößern. Dann könnten ganze Maisreihen einfach umfallen. Bei anderen Pflanzen könnten später die Kolben wegen der Befruchtungsmängel nur noch wenige oder deformierte Körner tragen.
Eigene Pheromonfallen anschaffen
Maier empfahl den Landwirten für das kommende Jahr die Anschaffung von eigenen Pheromonfallen, um weitere Sicherheit über die Bedrohungslage der eigenen Bestände zu erhalten. Dabei erinnerte er daran, dass der Sexuallockstoff nur auf die männlichen Tiere wirkt, weshalb man die Fangzahlen rechnerisch verdoppeln müsse, um die tatsächliche Population abschätzen zu können.
Er empfahl beim Fruchtwechsel ein möglichst flächendeckendes, gemeinsames Vorgehen über ein ganzes Gewann. Zusätzlich zum Anstieg der Wurzelbohrer-Population gab es im Rheintal in diesem Jahr einen erheblichen Befallsdruck durch den Maiszünsler, auch auf dem staatlichen Versuchsfeld in Orschweier. Dort wurde festgestellt, dass die Intensität des Zünslerbefalls sortenabhängig ist.
Volker Heitz, Pflanzenbauberater am Landwirtschaftsamt Offenburg, wies darauf hin, dass insbesondere auf dem Versuchsfeld die Anzahl der Zünslereinbohrungen ein Niveau erreicht hat, das anhand der Fangzahlen in den Fallen eigentlich nicht zu erwarten war. Der Berater vermutet deshalb, dass die Fallenergebnisse auch in Abhängigkeit von der Maissorte interpretiert werden müssen, die im Umfeld der Falle steht.
Alternativfrüchte fürs nächste Jahr
Sojapflanzen sind sensibel. Ein Vergleichsversuch der ZG zeigt die Reaktion auf unterschiedliche Saatverfahren. Rechts: Einzelkornsaat; links: Drillsaat. Auch Sortenunterschiede treten hervor.
Zu den Besonderheiten in diesem Jahr zählt das hohe Aufkommen von Maisbeulenbrand ebenso wie offene Kolbenspitzen. Seit dem Spätsommer sind die Lieschblätter im Vergleich zum Kolbenwachstum tendenziell zu kurz geraten, sodass der obere Teil der Kolben mehr oder weniger frei und ungeschützt bleibt. Regen fördert dann nach Ansicht von Klaus Mastel die Bildung von Kolbenfusarien. Der Pflanzenbauexperte empfahl deshalb einen frühzeitigen Beginn der Maisernte.
Mastel empfahl für das kommende Jahr als Alternativfrucht zu Mais nicht nur den Winterweizen, sondern ebenso die Kartoffel und insbesondere die Sojabohne. Auf den Flächen mit Bewässerungsmöglichkeit geht er davon aus, dass mit einem möglichen Ertrag von 40 dt/ha und einem voraussichtlichen Marktpreis von 40 Euro/dt ein Umsatz von rund 1600 Euro/ha erzielbar ist. Dem stellte er das Körnermais-Verfahren gegenüber, bei dem mit einem angenommenen diesjährigen Marktpreis von 14 Euro/dt ein Ertrag von 120 dt/ha notwendig ist, um auf Höhe des Sojaverfahrens zu kommen.
Weil bei dem erzielten Mais-Markterlös von 1680 Euro/ha aber mit Erzeugungskosten von 1200 bis 1600 Euro/ha zu rechnen sei, werde mit Mais ein Kostenniveau erreicht, das wahrscheinlich deutlich über dem der Sojaerzeugung liege. Deshalb schätzt Mastel, dass der Fruchtwechsel zu einem gelungenen Sojaanbau keine Gewinneinbuße gegenüber dem Maisanbau bedeuten muss.